FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016
246 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 vorstand einer kleinen Sparkasse in Nieder- sachsen, der zu diesem Thema nicht nament- lich zitiert werden wollte. Gleichzeitig sorgt das Internet inklusive Onlinebanking dafür, dass immer weniger Leute in die Filiale kommen. Wer dennoch den Weg zur Bank findet, sucht dort oftmals vergebens nach einem qualifizierten An- sprechpartner für das Aktien- und Fondsge- schäft. „Wenn wir eine Wertpapierberatung anbieten, dann muss diese sehr qualifiziert sein. Mit Beratungsprotokoll und entsprechen- der Aufklärung dauert das Gespräch mindes- tens eine Stunde. Dies ist in einer 1,5-Mann- Filiale schon rein organisatorisch nicht mehr zu leisten, obwohl unsere Berater das fach- liche Wissen dafür besitzen“, so der Sparkas- sen-Vorstand. „Die Filiale kann ja nicht für die Dauer einer Wertpapierberatung schließen. Und die Beratung drei- bis viermal zu unter- brechen, wenn andere Kunden die Filiale betreten, ist auch keine Alternative.“ Bei geplanten Stilllegungen spielt natürlich auch die Situation vor Ort eine Rolle. An Standorten, an denen sich beispielsweise Fi- lialen der Sparkasse und der Volksbank ge- genüberstehen, scheuen sich manche Verant- wortliche, ihre Präsenz aufzugeben, da sie keine Kunden an den direkten Konkurrenten verlieren möchten. Doch auf dem Land kennt man sich, und die Wege sind kurz: Es gibt Beispiele, bei denen sich die beiden Vor- standsvorsitzenden bei einem Bierchen nach Feierabend darauf geeinigt haben, beide Filia- len gleichzeitig zu schließen und stattdessen einen gemeinsamen Selbstbedienungsstandort zu errichten. Dass aktuell viele Institute fast zeitgleich umfangreiche Schließungspläne ankündigen, verwundert nicht. „Ein Abschied auf Raten bringt nichts, da bekommen wir jedes Mal wieder negative Presse. Alles in einem Auf- wasch zu schließen ist besser, danach herrscht wieder Ruhe“, so der Sparkassenvorstand. Anlageberatung bleibt Obwohl der Vertriebsweg Filiale noch für über die Hälfte der gesamten Wertpapierum- sätze sorgt, bezweifeln Bankpraktiker, dass die Provisionserlöse unter den Schließungen lei- den werden. Strengere Regulierungsanforde- rungen, etwa das Wertpapierhandelsgesetz oder das Berater- und Beschwerderegister, ha- ben schon heute zur Folge, dass die Banken ihre Beratung auf größere und spezialisierte Einheiten konzentrieren. „Filialschließungen werden überhaupt keine Auswirkungen auf den Umfang und die Qualität der Wertpapier- beratung haben, da bereits heute nur rund ein Drittel der Filialen überhaupt eine qualifizierte Wertpapierberatung anbieten. Diese Bera- tungsfilialen wird es auch in Zukunft geben“, sagt Til Klein, Partner bei der Beratungsge- sellschaft Boston Consulting Group (siehe Interview auf Seite 248). Die Kreditinstitute haben begriffen, dass sie Fondsanlagen nicht zwischen Tür und Angel verkaufen können. Auch die Düsseldorfer Tar- gobank bietet nur noch an gut der Hälfte ihrer 364 Standorte eine eigenständige Anlagebe- ratung an. „Der Anteil der Wertpapierberatung schwankt natürlich von Standort zu Standort. Im Schnitt liegt er bei rund zehn Prozent des täglichen Vor-Ort-Geschäfts“, so ein Sprecher der Bank. Rund ein Drittel der Standorte wird aktiv durch die Vermögensberatung betreut. Darüber hinaus gibt es sogenannte Vermö- genscenter, die sich ausschließlich um die Wertpapierberatung kümmern. Filiale der Zukunft Trotz aller Digitalisierungstendenzen und steigender Kosten wird die Zweigstelle ohne- hin nicht vollständig aussterben, ihre Rolle verändert sich nur – weg von einer Trans- aktions- und Service- und hin zu einer Bera- tungsfiliale. Bei der Umsetzung soll das so- genannte „Hub und Spoke“-Modell helfen. Der Begriff, zu Deutsch „Nabe und Speiche“, stammt aus dem Transportwesen und bedeu- tet, dass eine Verbindung zwischen zwei End- punkten nicht direkt, sondern über einen zen- tralen Knotenpunkt erfolgt. Auf das neue Modell mit Flagship- und Satellitenfilialen setzt seit vergangenem Jahr auch die Sparkasse Köln Bonn. Sie möchte damit die Wertpapierberatung in der Fläche qualitativ aufwerten. Die zweitgrößte deutsche Sparkasse hat in 15 sogenannten Filialdirek- tionen rund 30 bis 40 Mitarbeiter zusammen- gezogen, die jeweils für mehrere kleinere Geschäftsstellen verantwortlich sind. Die neu gebildeten Expertenteams aus Wertpapier-, Vorsorge- und Immobilienspezialisten beraten bei Bedarf in den angeschlossenen Filialen vor Ort oder auf Wunsch sogar beim Kunden zu Hause. Gleichzeitig sind sie auch über Vi- deo-Chat erreichbar. „Die Filiale ist weiterhin der wichtigste Vertriebsweg neben dem Netz, dem mobilen Vertrieb und dem Telefon“, sagt Privatkundenvorstand Christoph Siemons. bank & fonds I filialsterben Foto: © Sparkasse Köln Bonn, Verdi Christoph Siemons, Sparkasse Köln Bonn: „Die Filiale ist weiterhin der wichtigste Vertriebsweg.“ Mark Roach, Verdi: „Es ist ein Fehler, wenn Banken ihr Filialnetz zu sehr ausdünnen.“ Ein „gallisches Dorf“ namens Targobank Eine der wenigen Banken, die sich gegen den Trend zur Filialschließung stemmt, ist die Targobank: In den Jahren 2014 und 2015 eröffneten die Düsseldorfer 16 neue Geschäftsstellen , dieses Jahr sollen drei weitere Filia- len folgen. „Die Mehrzahl unserer Kunden – auch die online- und technikaffinen – möchten nicht auf persön- liche Beratung verzichten, wenn es beispielsweise um komplexere Themen wie Vermögen und Vorsorge geht“, sagt ein Sprecher des Instituts. Die gute Frequentierung zeige, wie groß weiterhin der Bedarf der Kunden an persönlichem Service und individueller Beratung sei. „Das steht übrigens nicht im Widerspruch zum stetigen Ausbau unseres Online-Service“, erläutert der Sprecher. „Beides ergänzt sich sehr gut.“
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