FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

auf dem Schirm. Für einen Immobi- lienkredit haben die Menschen die ört- liche Sparkasse oder Volks- und Raiff- eisenbank angefragt, bei der Anlage eines Erbes vielleicht zusätzlich die Deutsche Bank, weil sie da eine hohe Kompetenz vermuteten. Heute muss jedes Geldhaus darum kämpfen, die Aufmerksamkeit des Kunden zu errin- gen. Seien es niederländische oder tür- kische Direktbanken, seien es Fintechs oder Versicherungen – alle sind über Onlinemedien direkt am Menschen. Bislang brauchte ich eine räumliche Verbindung zum potenziellen Kunden. Die ist weggefallen und wurde durch eine virtuelle Wahrnehmung ersetzt. Also stirbt die Filiale doch? Nein, noch einmal: Die Digitalisierung ist eine Veränderung der Wettbewerbs- spielregeln, sie ist aber nicht der Er- satz aller anderen Vertriebsstrukturen. Onlineberatungstools sind nur ein Vertriebskanal der Zukunft. Und blei- ben die Zinsen so niedrig, kann ich mir einen Rückzug aus dem Massen- markt im Fondsgeschäft auch gar nicht vorstellen. Wieso das denn? Der Zins ist faktisch abgeschafft. Daher bleibt den Häusern gar nichts anderes übrig, als im Fondsgeschäft mitzuspielen – auch im Mas- senmarkt. Das ist eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Die Einnahmen aus dem Ein- lagen- und Kreditgeschäft sinken, das müssen die Institute in anderen Bereichen ausgleichen, etwa durch das Wertpapiergeschäft. Gewiss, das Produktangebot wird im Massengeschäft wegen des Drucks auf die Provisionen we- sentlich standardisierter sein. Ab einer be- stimmten Größe werden die Banken auch überlegen, eine eigene Vermögensverwaltung aufzubauen, weil sie hier die Produkte in eine umfassende Dienstleistung kleiden und höhere Preise verlangen können. Das Institut verwal- tet also das gesamte Vermögen eines Kunden und verkauft nicht nur einzelne Fonds. Dafür brauchen die Häuser aber auch die entspre- chenden Spezialisten. Das können kleinere Geldhäuser kaum stemmen. Ja, letztlich spielt sich die gesamte Entwick- lung in einem Spannungsdreieck ab: Die ver- schärfte Regulierung führt zu einem Kosten- druck. Dieser wird durch die Niedrigzinsphase noch verschärft und zum echten Ergebnis- druck. Regulierung und Ergebnisdruck führen zum dritten Punkt: der Mindestbetriebsgröße, die ein Institut haben muss, um bestimmte Geschäfte erfolgreich betreiben zu können. Was bedeuten diese Umwälzungen für die Mitarbeiter einer Bank? Die Personalentwicklung und die Fortbildung gewinnen an Bedeutung. Auf der einen Seite spielt die Schulung in Gesprächsführungs- techniken eine wichtige Rolle. Die andere Sei- te sind Computerkenntnisse. Ein guter Ver- käufer ist nicht unbedingt ein guter Compu- terbediener. Nach meiner Beobachtung ist eher das Gegenteil der Fall (lacht) . Auch bei der Kompetenz imWertpapiergeschäft gilt es viel aufzuholen. Wieso? Der Schwerpunkt der Banken lag bisher bei zinstragenden Anlage- produkten. Investments waren immer nur eine Ergänzung. Nun- mehr ist der Zins abgeschafft, und der Fokus schwenkt auf den Fonds- und Investmentbereich. So sah die bisherige Qualifikation aber nicht aus. Berater können sehr gut den Zinseszins berech- nen. Bei Investmentfragen müs- sen die Institute vielfach ihre Mitarbeiter erst einmal fachlich aufrüsten. Die Berater müssen den Kun- den die Produkte am Ende ja auch erklären können. Das ist sogar erst der nächste Schritt. Zunächst einmal müssen die Berater die Produkte vollum- fänglich verstehen. Die Regional- und die Bundesakademien bieten hier viele Spezialisierungen an. Am Ende kommt es auf eine Mischung aus Generalisten mit einem fundierten Basiswissen, die hauptsächlich den Kontakt zu Kunden halten, und Spezialisten an. Für Spezialthemen kom- men die Spezialisten ins Spiel. Insgesamt ist noch viel Aufbauarbeit vonnöten. Ändert sich das Berufsbild des Beraters? Ja, unbedingt. Die Banken müssen neue Kar- rierepfade aufzeigen. Hierarchische Laufbah- nen sind keine ausschließlichen Optionen mehr. Es kann nicht mehr Ziel sein, möglichst schnell Abteilungsleiter oder Chef zu werden. Denn damit fehlen gute Mitarbeiter dort, wo die Häuser sie am dringendsten brauchen: an vorderster Front in der Beratung. Hoch qua- lifizierte Leute springen ab, wenn sie das Ge- fühl haben, nur der Idiot in der Filiale zu sein, der Produkte verkaufen muss. Entschuldigen Sie die direkte Formulierung, die aber leider oft den Gefühlen der Mitarbeiter entspricht. Stattdessen sollten die Institute aufzeigen, was für ein erstrebenswertes Ziel es sein kann, der finanzielle Lebensberater eines Kunden zu sein. Damit ist man mitverantwortlich für das persönliche Glück und den Lebensstandard eines Menschen – ist das nicht eine wirklich sinnvolle Aufgabe? Vielen Dank für das Gespräch. SEBASTIAN ERTINGER | FP bank & fonds I thomas stegmüller | compentus 258 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 » Ein guter Verkäufer ist nicht unbedingt ein guter Computerbe- diener. Nach meiner Beobachtung ist eher das Gegenteil der Fall. « Thomas Stegmüller, Compentus Foto: © Christoph Hemmerich Thomas Stegmüller: „Hoch qualifizierte Leute springen ab, wenn sie das Gefühl haben, nur der Idiot in der Filiale zu sein, der Produkte verkaufen muss.“

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