FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

Heuser: Den Gedankengang dahinter müssten Sie uns aber ein wenig erläutern. Neumann: Schon durch die Tatsache, dass mit den Tarifen der „Neuen Klassik“ jetzt immer stärker Produkte auf den Markt kom- men, die eben nur bis zum Rentenbeginn einen gewissen Garantiezins ausweisen, ab dem Rentenbeginn aber eine an der jeweili- gen Marktsituation ausgerichtete Verzinsung erhalten, wird eine sehr viel deutlichere Tren- nung zwischen Anspar- und Rentenphase vollzogen. Daher werden sich viele Kunden bei einem jetzt niedrigen Garantiezins sehr viel öfter die Frage stellen, ob sie nicht in der Ansparphase besser auf ein Produkt wie einen Investmentfonds setzen sollten in der Hoffnung, damit vielleicht eine höhere Ab- laufleistung zu erreichen, um diese dann erst zu Beginn der Rentenphase in eine dann ohnehin nicht mehr garantierte Rentenver- sicherung zu überführen. Auf diese Fragen aber sind viele Versicherer nicht wirklich vorbereitet und werden sich schwertun. Heuser: Wird dieses Dilemma der deut- schen Versicherer, das Herr Neumann ge- rade anspricht, eventuell zu so einer Art Trumpfkarte für britische Lebens- versicherer werden? Christian Nuschele (Standard Life): Ich bin mir nicht so sicher, ob das wirklich eine Trumpfkarte für die bri- tischen Lebensversicherer sein wird. Wir als Standard Life haben als Kon- sequenz aus der Niedrigzinsphase je- denfalls die Entscheidung getroffen, in Deutschland keinerlei Garantie- produkte mehr anzubieten. Aus Sicht unserer Konzernmutter waren garan- tierte Produkte ohnehin eine Art Exot. Und Deutschland war der ein- zige Markt, in dem wir überhaupt noch Garantien angeboten haben, und auch das explizit nur, um ent- sprechende Angebote in der betriebli- chen Altersvorsorge machen zu kön- nen. Aber Herr Neumann hat durch- aus recht mit der Annahme, dass die Grenze zwischen einer Kapitalanlage im Investmentfonds oder über Bank- produkte und der Anlage in einer ge- mantelten Lösungen wie der kapital- bildenden Lebensversicherung im- mer mehr verschwimmen wird. Auch in der Versicherungsberatung wird der Aspekt einer sinnvollen Kapitalanlage immer stärker in den Vordergrund rücken. Das war bisher nicht so, denn in der Versi- cherungsberatung ging es in der Vergangen- heit in erster Linie nicht um Kapitalanlage- themen, sondern vielmehr um die Höhe von Garantien und Überschüssen. Eine echte Auseinandersetzung mit Kapitalanlagethe- men hat in den Beratungsgesprächen meiner Meinung nach nie wirklich stattgefunden. Das ist jetzt anders. Deshalb glaube ich, dass diese ausgeprägte Niedrigzinsphase insofern auch Chancen mit sich bringt, als es für Kunden immer wichtiger wird, sich mit dem Thema Investment auseinanderzusetzen, wenn sie eine höhere Rendite für ihr angeleg- tes Geld erzielen möchten. Auch ich sehe darin durchaus eine Herausforderung, und zwar nicht nur für uns als Produktlieferant, sondern auch für den Vertrieb. Denn die Be- ratungsgespräche werden inhaltlich einfach anders verlaufen als früher. Neben den bei- den Aspekten Garantie und Überschuss wird sozusagen die Kapitalanlage als dritte Stell- schraube einen sehr viel größeren Stellenwert erhalten. Bläsing: Wobei diese Entwicklung aus mei- ner Sicht nur in homöopathischer Dosis von- statten gehen wird. Mit Blick auf das Renten- portfolio unserer Gesellschaft kann ich sa- gen, dass bis etwa zum Jahr 2007 unser Neu- geschäft zu etwa zwei Dritteln aus fondsge- bundenen und etwa einem Drittel aus klassi- schen Renten bestand. Das hat sich ab der Finanzkrise von 2008 genau umgekehrt, klassische Renten lagen bei zirka 70 Prozent, fondsgebundene bei 30, wobei Letztere prak- tisch nicht mehr ohne Garantien stattgefun- den haben. Das fondsgebundene Geschäft nimmt erst allmählich wieder etwas zu und liegt jetzt bei rund 37 Prozent gegenüber 63 Bernhard Rapp, Canada Life: „Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß und möglich, dass man einem Kunden für jedes Jahr eine Garantie gibt.“ Christian Nuschele, Standard Life: „Auch in der Versiche- rungsberatung wird der Aspekt einer sinnvollen Kapital- anlage immer stärker in den Vordergrund rücken.“ 274 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 lebenspolicen-spezial I roundtable Foto: © Cornelis Gollhardt » Es ist nur sehr schwer nachvoll- ziehbar, warum man gerade den Dienstleistern, sprich den Versi- cherern, den Maklern und Vermitt- lern oder auch den Banken, den Vorwurf macht, dass sie ihre Geldanlagen nicht mehr in den Griff bekommen. « Andreas Bürse-Hanning, Aures Finanz

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