FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

279 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 Bläsing: Ich fürchte nur, dass man diese Ent- wicklung nicht wieder wird zurückdrehen können. Ich vergleiche das gern mit der Automobilbranche. Vor 15 oder 20 Jahren gab es bei Mercedes das 190er-Modell, eine E-Klasse und eine S-Klasse, das war es. Wenn Sie sich die heutige Modellvielfalt anschauen mit Zweitürern, Viertürern und Coupé sowie Crossover-Modellen und einem SUV, dann muss ich zugeben, dass ich den Überblick verloren habe. So ähnlich sehe ich das auch bei den Ansparprodukten der Le- bensversicherung. Angesichts des Dilemmas der Niedrigzinsphase, in der wir uns schon im achten Jahr nach der Finanzkrise befin- den, ist es meines Erachtens sogar verständ- lich, dass jede Gesellschaft versucht, ihren eigenen Weg zu finden, der sie vielleicht ein Stück weit von der Garantielast befreit. Denn es kommt noch etwas hinzu, was viele gern vergessen nach dem Motto: „Überschüsse sind nicht garantiert“. Natürlich sind sie nicht garantiert, aber nur nicht bis zu dem Zeit- punkt, an dem sie gutgeschrieben sind, da- nach sind sie sehr wohl garantiert und wer- den mit dem ursprünglich für den Kunden geltenden Rechnungszins verzinst, im un- günstigen Fall sind das vier Prozent bei schon länger laufenden Verträgen. Daher be- trachte ich es eher als eine Art Effekt der Marktwirtschaft, dass wir es mit einem derart breiten Produktportefeuille zu tun haben. Das wird der Markt vielleicht irgendwann auch wieder in irgendeiner Form zusammenfüh- ren, aber ich fürchte, fürs Erste kommen wir aus dieser Situation nicht heraus. Heuser: Aber ist es dann nicht – gelinde ge- sagt – mehr als unfair, dass, wenn es stimmt, offenbar jeder siebente Versicherer noch nicht einmal das LVRG umgesetzt hat? Bläsing: Umgesetzt haben das LVRG schon alle Gesellschaften in dem Sinne, dass sie ihre Tarife nicht mehr mit 40 Promille, sondern mit 25 Pro- mille zillmern. Aber jede siebente Ge- sellschaft hat dann eben diese Kalku- lation nicht in ihre Vertriebs- und Ver- gütungsregeln übernommen. Das be- deutet nichts anderes, als dass diese Gesellschaften einen Teil ihrer tatsäch- lich ausgezahlten Provisionen prak- tisch vorfinanzieren. Das kann man als Versicherer so machen, denn es ist legal, aber es ist eben ganz eindeutig gegen den Willen des Gesetzgebers. Das ist es, was es zu kritisieren gilt. Jaffke: Die Vergütung des Maklers ist aus unserer Sicht als Maklerpool generell ein zentrales Thema, bei dem sich im Prinzip die gesamte Branche bewegen muss. Denn sonst kommt am Ende irgendwann der dicke Hammer des Regulierers, wie wir das auch im Bereich der privaten Krankenversicherung erlebt haben – auch wenn diese Maßnahme nicht ganz so drastisch ausgefallen ist wie das, was über das LVRG noch alles auf uns zu- kommen kann. Aber gerade deshalb wird sich letztlich auch der Berater einer Art Wandel unterziehen müssen, indem er den Kunden künftig sehr viel stärker über die gesamte Laufzeit eines Vertrags be- gleitet als das in einer bisher sehr stark auf den Abschluss ausgerichteten Welt geschieht. Entsprechende Modelle mit ei- ner laufenden Abschlussprovision gibt es ja durchaus schon länger am Markt. Das macht es natürlich Neueinsteigern, die in der Regel eine hohe Anfinanzierung be- nötigen, vielleicht etwas schwerer. Aber ich glaube, dass jemand, der sein Geschäftsmodell ein paar Jahre lang in diesem Sinne um- und ausgebaut hat, sehr viel zufriedener arbeiten wird, was die Vergütungsseite angeht, einfach weil er nicht mehr unter diesem hohen Druck steht, ständig neue Abschlussprovisionen generieren zu müssen. Neumann: Dabei ist aber eher der Wunsch der Vater des Gedankens. Wenn es am Ende auf eine laufende Abschlussprovision über die komplette Laufzeit eines Vertrags hinaus- läuft, dann können wir auch gleich zu einer Honorarberatung oder einer Art Gebühren- ordnung übergehen. Dann würde halt für jede Dienstleistung eine entsprechende Gebühr anfallen. Nur habe ich als Versicherer, als Risiko- träger, natürlich kein Interesse daran. Denn zum einen habe ich dann keinerlei Möglich- keit zur Vertriebssteuerung mehr, zum ande- ren verdient dann zwar der Berater, indem er für, sagen wir, 20 Kundentermine bezahlt wird. Aber er hat keine wirkliche Veranlas- sung mehr, einen Abschluss zu tä- tigen. Das wäre dann vielleicht so etwas wie ein ehrlicher Zustand, aber es wäre kein optimaler Zustand. Daran kann keine Versi- cherung ein wirkliches Interesse haben. Heuser: Ich bedanke mich im Namen von FONDS professio- nell für eine interessante Dis- kussion. FP Marcus Stephan, BCA: „Den klassischen Lebens- versicherungstarif haben die wenigsten Kunden wirklich hinterfragt.“ » Ich glaube, der Trend, der zu erkennen ist, geht eindeutig hin zu einer endfälligen Garantie – auch mit den Produkten der ,Neuen Klassik‘, die jetzt auf den Markt kommen. « Bernhard Rapp, Canada Life Acht Experten der Versicherungsbranche haben auf Einladung von FONDS professionell über die Zukunft der Lebensversicherung vor dem Hintergrund niedriger Zinsen diskutiert.

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