FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

295 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 geber per Tarifvertrag regeln, dass möglichst jedes Unternehmen seinen Mitarbeitern eine betriebliche Altersvorsorge anbietet. Im Unterschied zum ersten Modell möchte Nahles den Tarifparteien nun aber mehr Gestaltungsfreiheit geben. Ursprünglich sollten sie verpflichtend bran- chenweite Fonds für die Anlage und Verwal- tung der Beiträge einführen. Nach dem über- arbeiteten Modell dürfen die Tarifpartner bestimmen, ob sie die Unternehmen zum Angebot einer betrieblichen Altersversorgung verpflichten oder ob sie ihnen die Entschei- dung überlassen. Auch in welcher Höhe eine spätere Rentenleistung aus den Beiträgen garantiert wird, sollen die Tarifparteien selbst regeln dürfen. Dahinter steckt ein Konzept, das auf ein akutes Problem reagiert: auf die geringen Renditen, die Versicherer angesichts des Nied- rigzinsniveaus bei gleichzeitig hohen Verwal- tungskosten mit den bAV-Beiträgen erwirt- schaften. Vereinbaren Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände eine „Zielrendite“ ohne volle Leistungsgarantie, so müssen die Bei- tragssummen nicht wie bisher nach den stren- gen Anlagevorschriften investiert werden, die für Lebensversicherer gelten. Chancen für Fondsanbieter „Genau hier kommen die Fondsgesellschaf- ten ins Spiel“, sagt bAV-Experte Schwerdtle. Sollte die Zielrendite tatsächlich eingeführt werden, würde sich den Häusern damit ein Geschäftsfeld eröffnen, das bisher die Ver- sicherer dominieren. „Damit bekämen die Anbieter Zugang zu einem Markt, den sie jetzt nicht haben“, sagt Schwerdtle. Zwar ste- he noch nicht fest, wie die neuen Ver- sorgungswerke im Detail einzurichten sind. „Erklärtes Ziel der Politik ist es aber natürlich, die Kosten für die Ka- pitalanlage in der betrieblichen Alters- vorsorge zu senken und die späteren Rentensummen zu erhöhen“, erklärt er. Das funktioniert etwa mit ETFs oder günstigen gemanagten Fonds besser als mit Versicherungen. „Spannend werden auf jeden Fall die Details zur Auswahl der Fonds- gesellschaften sein“, sagt Schwerdtle. Ob die Tarifparteien dies über eine Ausschreibung regeln werden, ist bis- her nicht bekannt. Klar ist hingegen jetzt schon, dass Finanzberater sich keinen größeren Umsatz durch das Sozialpartnermodell erhoffen sollten – dieser Kuchen geht an das institutionelle Geschäft der Gesellschaften. Sollte es bei dem aktuellen Plan, die Anlage der bAV-Beiträge stärker auf Fonds zu verlagern, tatsächlich bleiben, ist genauso klar, dass Versicherungs- maklern ein Geschäftsfeld zumindest teilweise wegbricht. Unfaire Behandlung „Die bAV-Beratung ist ein zähes Geschäft“, sagt Tobias Schütt, ein Versicherungsmakler, der sich unter anderem auf betriebliche Alters- vorsorge spezialisiert hat. „Große Konzerne sind versorgt, in kleineren Unternehmen ver- mittelt man mal eine Direktversicherung“, berichtet er. Sollte die bAV durch das Sozial- partnermodell nun richtig Schub bekommen, müssten Makler daran teilhaben können. „Al- les andere wäre schließlich unfair.“ Auch die Versicherer selbst stehen dem Vorschlag aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales natürlich mehr als kritisch gegenüber. Die Tarifpartner bräuchten für den Aufbau eines sechsten Durchführungswegs Partner, hat Peter Schwark, Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versi- cherungswirtschaft (GDV) öffentlich erklärt. Wie die bereits heute funktionierenden bAV- Modelle belegten, verfüge gerade die Versi- cherungswirtschaft über das Know-how und die Kapazitäten, um mit den Tarifpartnern praxistaugliche Lösungen zu entwickeln. Eine bittere Pille Versicherer haben bekanntlich eine starke Lobby. Sollten sie sich durchsetzen und in Sa- chen bAV doch der große Partner der Tarif- parteien bleiben, müssen Makler möglicher- weise dennoch eine bittere Pille schlucken. Der Grund dafür ist in einem der beiden Gut- achten versteckt, die das Bundesministerium der Finanzen und Andrea Nahles’Ministerium in Auftrag gegeben haben. So macht Dirk Kiesewetter, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Würzburg, in seinem Report für das Finanz- ministerium zwei Reformvorschläge: eine ge- setzliche Verpflichtung zu einemArbeitgeber- zuschuss im Falle von Entgeltumwandlungen und Steueranreize für Unternehmen mit we- niger als 20 Mitarbeitern – eine Größe, die für einen Versicherungsmakler durchaus interes- sant sein kann. Doch ab Seite 253 findet sich eine Passage, die beunruhigend klingt: „Wir weisen darauf hin, dass der Erfolg unserer Empfeh- lungen von der Beseitigung zweier weiterer Hemmnisse abhängt, die außerhalb des Steuer- und Sozialver- sicherungsrechts liegen“, ist dort zu lesen. Und als eines dieser Hemmnisse nennt das Gutachten die Vertriebsprovisionen. Diese dürften künftig nicht mehr auf die gesamte Beitragssumme berechnet und über Zillmerung aus den ersten Prämien finanziert werden. Damit müssten Makler in Zukunft lange warten, bis sie eine Provision komplett verdient hätten. Ein harter Schlag – selbst wenn die Assekuranz das Tauziehen um die bAV gewinnen sollte. ANDREA MARTENS | FP Michael Schwerdtle, Heysenberg: „Fondsgesellschaften könnten von der bAV-Reform profitieren.“ Kaum Rente von der Firma Gründe für die geringe Durchdringung von bAV und Entgeltumwandlung im Mittelstand 2015 Die bAV-Verantwortlichen nennen ein geringes Interesse der Arbeitnehmer als dritthäufigsten Grund für mangelnde Absicherung. Quelle: Generali, F.A.Z.-Institut Geringe finanzielle Reserven der Arbeitnehmer für die Entgeltumwandlung | 72 % Bürokratie, gesetzliche Vorschriften | 56 % Geringes Interesse der Arbeitnehmer an Vorsorge | 55 % Fehlende finanzielle Beteiligung des Arbeitgebers | 54 % Wenig attraktive bAV-Produkte | 42 % Haftungspflichten der Arbeitgeber | 32 % Geringes Interesse der Arbeitgeber a n bAV-Angebot | 30 % Fehlen eines obligatorischen Op ting-out | 26 %

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