FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016
298 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 eines Kunden in der Anlageberatung bislang nicht gefordert“, sagt Manuel Lorenz, Partner der Rechtsanwaltskanzlei Baker & McKenzie in Frankfurt. Künftig könnte das in der Praxis anders aussehen – schließlich müssen die Be- standsprovisionen aus den vermittelten Fonds gerechtfertigt werden. Banken und Finanzdienstleister müssen zu- dem Buch darüber führen, welche Zuwendun- gen sie vereinnahmt haben und wie diese ein- gesetzt wurden, um die Qualität der Dienst- leistung zu verbessern. KWG-Institute führen ein solches „Zuwendungs- und Verwendungs- verzeichnis“ schon heute, für gewerbliche Vermittler wird es jedoch zusätzlichen Auf- wand bedeuten. Je nachdem, wie streng die Aufsichtsbehörden künftig in der Praxis sind, hat dieses Register außerdem das Potenzial, die Provisionsberatung betriebswirtschaftlich völlig unattraktiv zu machen. Denn wenn jeder eingenommene Provisions-Euro in qua- litätsverbessernde Maßnahmen investiert wer- den muss, kann unterm Strich schwerlich ein Gewinn übrig bleiben. Kosten detailliert offenlegen Auf Banken und Finanzdienstleister kom- men weitere unangenehme Pflichten zu: Künftig müssen sie jeden Kunden „mindes- tens einmal jährlich individuell über die tat- sächliche Höhe“ der erhaltenen Zuwendungen aufklären. Führt man sich vor Augen, dass Provisionsberater ihren Kunden erstens eine dauerhafte Dienstleistung bieten müssen, sie zweitens einen Nachweis über die regelkon- forme Verwendung der Provision zu führen haben und drittens dem Kunden die Zuwen- dungen in Euro und Cent vorrechnen müssen – dann liegt auf der Hand, warum Service- gebühren oder Honorarmodelle deutlich an Attraktivität gewinnen werden. Für eine Ge- bühr, die die Bank oder der Berater dem Kun- den in Rechnung stellt, gilt das Gebot der Qualitätsverbesserung nämlich nicht. „In der Gebührengestaltung sind die Institute nach wie vor frei, Gebühren müssen lediglich trans- parent und klar sein“, sagt Waigel. Wichtig für die Zukunft der Branche sind auch die Vorgaben zum Thema „Product Governance“, in der deutschen Fassung des Rechtsaktes mit „Produktüberwachungsan- forderungen“ übersetzt. Die Pflichten treffen sowohl die „Konzepteure“ als auch die „Ver- treiber“, wie die Anbieter und die Vertriebe in dem Dokument genannt werden. Die Konzepteure müssen beispielsweise sicherstellen, dass ihre Produkte die Kunden nicht benachteiligen. So ist es verboten, Risi- ken aus den eigenen Büchern auf die End- anleger abzuwälzen. Der Anbieter muss auch einen sogenannten „Zielmarkt“ definieren, also festlegen, für welche Kundengruppe mit spezifischen Bedürfnissen, Eigenschaften und Zielen ein Finanzinstrument geeignet ist – und für welche nicht. Gefordert werden zudem Szenarioanalysen, um herauszufinden, wann Endanleger mit einem schlechten Investment- ergebnis zu rechnen haben. Die Anbieter müs- sen beispielsweise erläutern, wie sich das Pro- dukt bei verschiedenen Marktentwicklungen verhalten wird und was passiert, wenn das Unternehmen oder eine involvierte dritte Par- tei in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Die Konzepteure sollen ihre Produkte au- ßerdem kontinuierlich überwachen. Berück- sichtigt werden muss dabei jedes Ereignis, das das potenzielle Risiko für den Zielmarkt we- sentlich tangieren könnte. Im Blick behalten müssen die Anbieter zudem, ob ihr Produkt tatsächlich an die Kunden vertrieben wird, für die es gedacht und geeignet ist. Vertrieb trägt Verantwortung Ähnliche Verpflichtungen gibt es für den Vertrieb. Er muss außerdem darlegen, dass seine Vertriebsstrategie zum identifizierten Zielmarkt passt. Wichtig ist, dass für die „Product Governance“ letztlich er geradesteht. „Die Letztverantwortung hat immer der Letz- te in der Vertriebskette, das heißt derjenige, der den direkten Kundenkontakt hält“, betont Waigel. Die Richtlinie verpflichtet die „zwi- schengeschalteten Wertpapierfirmen“ sicher- zustellen, dass „relevante Produktinformatio- nen vom Konzepteur an den Endvertreiber in der Vertriebskette weitergegeben werden“. In der Praxis werden Fondsanbieter und Banken sowie Finanzdienstleister also deutlich enger zusammenarbeiten müssen als bisher. Das wiederum macht das Angebot einer wirklich breiten Produktpalette viel aufwen- diger. Eine Konsequenz könnte sein, dass sich die Institute zunehmend auf die Fonds einiger großer Anbieter beschränken, die sie mit den benötigten Informationen versorgen können. Die Idee der „offenen Architektur“ im Fonds- vertrieb scheint also bedroht zu sein. BERND MIKOSCH | FP Foto: © Waigel Rechtsanwälte Christian Waigel, Waigel Rechtsanwälte: „Wer laufend Provisionen erhalten will, muss den Kunden betreuen.“ Wann Provisionen erlaubt bleiben Unter dem Mifid-II-Regime dürfen Wertpapierfirmen Zu- wendungen nur noch annehmen, wenn sie dazu bestimmt sind, die Qualität der Dienstleistung für den Kunden zu verbessern. In einem Anfang April veröffentlichten „dele- gierten Rechtsakt“ konkretisiert die EU-Kommission, in welchen Fällen davon auszugehen ist, dass diese Voraus- setzung erfüllt ist. Demzufolge muss einer laufenden Zu- wendung (etwa einer Bestandsprovision bei einem Fonds) die „Gewährung eines fortlaufenden Vorteils für den be- treffenden Kunden“ gegenüberstehen. Außerdem darf die Zuwendung nicht unmittelbar der Empfängerfirma, ihren Anteilseignern oder Beschäftigten zugutekommen, ohne dass der Kunde einen „materiellen Vorteil“ erhält. Die Kommission nennt beispielhaft drei Konstellationen, in denen künftig Zuwendungen vereinnahmt werden dürfen: • das Angebot einer „nichtunabhängigen“ Anlagebe- ratung, kombiniert mit dem Zugang zu einer großen Auswahl geeigneter Finanzinstrumente, darunter eine „angemessene“ Zahl von Produkten von Drittanbietern ohne enge Verbindung zur Wertpapierfirma. • das Angebot einer „nichtunabhängigen“ Anlagebera- tung, kombiniert mit dem Angebot an den Kunden, mindestens einmal im Jahr die Geeignetheit der Finanzinstrumente zu überprüfen, oder kombiniert mit einer anderen nützlichen laufenden Dienstleistung, etwa einer Beratung zu einer optimalen Portfoliostruktur. • den Zugang zu einer großen Auswahl geeigneter Finanzinstrumente (inklusive Produkten von Drittanbie- tern), kombiniert mit nützlichen Tools, die dem Kunden helfen, Anlageentscheidungen zu treffen oder das Depot zu überwachen, oder kombiniert mit regelmäßigen Berichten über die Wertentwicklung und die Kosten der Finanzinstrumente. steuern & recht I mifid II
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