FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016
Niedrigzinsniveaus wäre das für die Unter- nehmen nicht so leicht zu verkraften. Im Fondsvertrieb müssen Provisionen für die Verbesserung der Dienstleistungs- qualität verwendet werden. Bei Lebensver- sicherungen ist das nicht so. Könnte die ge- plante EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie, die Insurance Distribution Directive, daran etwas ändern? Ich bin für diese Richtlinie nicht Berichterstat- terin. Aber soweit ich weiß, sind hier keine Regelungen vorgesehen, die festlegen würden, für welche Zwecke Provisionen verwendet werden dürfen. Manche Politiker möchten die Honorar- beratung gern weiter stärken. Wird sich bei der Umsetzung von Mifid II in dieser Richtung noch etwas tun? Wir haben die Honorarberatung mit dem Ho- noraranlageberatungsgesetz gestärkt. Unsere Position ist, dass der Kunde selbst entscheiden soll, welche Art der Beratung er in Anspruch nehmen möchte. Beide Formen haben Vor- und Nachteile. Ein Provisionsverbot hätte zu- dem negative Folgen für Personen mit gerin- gerem Einkommen. Viele würden vermutlich keine Finanzberatung mehr in Anspruch neh- men, wenn sie immer ein Honorar zahlen müssten, auch wenn es nicht zu einem Ab- schluss kommt. Und wie stehen Sie der Idee einer All- finanzberatung gegenüber? Zeigen Sie mir doch mal den Steuerberater, der jedes Steuerthema bis ins Detail be- herrscht. Oder die Person, die über Invest- mentfonds, Zertifikate, Lebensversicherungen und Bausparen gleichermaßen kompetent be- raten kann. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass das nötig ist, und ich glaube auch nicht, dass es machbar ist. Wer über alle Spar- und Anlageprodukte gut beraten will, müsste über ein unglaublich breites Wissen verfügen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was für eine Richtlinie man stricken müsste, um die Qua- lität eines Allfinanzberaters zu gewährleisten. Und um zu verhindern, dass – Entschuldigung – „Stümper“ unterwegs sind. Im Team kann eine solche Allfinanzberatung vielleicht funk- tionieren, aber für den einzelnen Berater halte ich das für unmöglich Sie scheinen mit den Regulierungsmaß- nahmen, die seit der Finanzkrise umge- setzt worden sind, recht zufrieden zu sein. Gibt es einen Bereich, in dem Sie noch großen Regulierungsbedarf sehen? Stimmt, ich finde, wir haben viel geschafft. Klar ist aber auch, dass Regulierung für Ban- ken, Finanzdienstleister und Emittenten teuer ist. Daher ist es für manche Akteure natürlich verlockend, sich in den unregulierten Schat- tenbankenbereich zurückzuziehen. An diesen Bereich müssen wir ran, und das passiert auch schon. Die Arbeiten sind aber schwierig. Es fängt schon damit an, zu definieren, was über- haupt eine Schattenbank ist. Der Schattenban- kenbereich muss aber auf europäischer Ebene reguliert werden. Noch besser wären interna- tionale Maßnahmen. Manche Politiker möchten große Fonds- gesellschaften gern stärker unter Auf- sicht stellen? Wie stehen Sie zu diesem Thema? Wir haben mit demAIFM-Umsetzungsgesetz und mit der OGAW-V-Richtlinie deutliche Regulierungsmaßnahmen vorgegeben. Dass dieser Markt unreguliert wäre, stimmt ja nicht, ganz im Gegenteil. Wer also fordert, man sol- le den Fondsgesellschaften noch stärker auf die Finger schauen, der sollte schon konkret werden und genau erklären, an welcher Stelle noch mehr Regulierung nötig ist. Wir haben die Fondsbranche stark genug reguliert. Ich denke, es geht vielmehr darum aufzupassen, dass Banken und andere Finanzunternehmen, eben auch Fondsgesellschaften, nicht in den Schattenbankenbereich abwandern. Darauf kommt es an. Vielen Dank für das Gespräch. ANDREA MARTENS | FP 302 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 Antje Tillmann: „Die Person, die über Investmentfonds, Zertifikate, Lebensversicherungen und Bausparen gleicher- maßen kompetent beraten kann, die müsste mir mal jemand zeigen.“ » Wer fordert, man solle Fondsgesellschaften stärker auf die Finger schauen, der sollte konkret erklären, an welcher Stelle noch mehr Regulierung nötig ist. « Antje Tillmann, CDU Foto: © Tim Flavor Antje Tillmann Antje Tillmann, Jahrgang 1964, schloss ihr Studium der Finanzwissenschaften 1986 mit Diplom ab. 1998 absol- vierte sie zudem die Steuerberaterprüfung und ist seither als freiberufliche Steuerberaterin tätig. Die CDU-Politikerin ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Bis 2005 war sie Mitglied im Haushaltsausschuss, seit 2009 gehört sie dem Finanzausschuss sowie dem Vermitt- lungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an. Seit 2014 ist sie finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. Tilmann lebt in Berlin und Erfurt. steuer & recht I antje tillmann | cdu
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