FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

102 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 den Schwellenländermärkten, immerhin ist die Rohstoffförderung für etwa 50 Prozent ih- rer wirtschaftlichen Entwicklung verantwort- lich.“ Als Konjunkturstütze ebenfalls nicht zu unterschätzen sind die monetären Bedingun- gen, die laut einer Analyse von NN Invest- ment Partners in den Schwellenländern derzeit so locker sind wie seit drei Jahren nicht mehr. Als Folge aller dieser Punkte hat die Kon- junkturdynamik gedreht. Erstmals seit vier Jahren steigen die Wachstumsprognosen für die Schwellenländer wieder. Weil gleichzeitig die Vorhersagen für die entwickelten Volks- wirtschaften tendenziell sinken, steigt der Wachstumsvorsprung der Emerging Markets. Dazu passt eine rekordhohe Industrieproduk- tion, die zuletzt mit plus 4,2 Prozent in den Schwellenländern so stark expandierte wie seit 17 Monaten nicht mehr. Was politische Risiken der Emerging Markets betrifft, hat sich – zumindest ge- fühlt – ihr Abstand zu den Industrienatio- nen ebenfalls verringert. Allerdings nicht, weil sich die Lage in den Schwellenlän- dern verbessert hätte, sondern weil sie sich imWesten tendenziell verschlechtert. Brexit, ein US-Präsidentschaftswahl- kampf, der eher einer Reality-TV-Show gleicht und ein geld- und fiskalpolitisch waghalsig agierendes Japan relativieren die in den Schwellenländern bestehenden Risiken. So hat nach Einschätzung von Mainfirst-Fondsmanager Bruhin der un- erwartete Ausgang des EU-Referendums in Großbritannien am Image der ver- meintlich „sicheren Häfen“ gekratzt. Mit Blick auf die niedrigen Renditen bei einigen Euro-Peripheriestaaten wundert er sich zu- dem, warum Schwellenländer deutlich höhere Zinsen bieten müssten, obwohl sie im Ver- gleich fundamental besser dastünden. Zusammengefasst führt das skizzierte Um- feld zu einem Umdenken in der globalen An- legergemeinde. Führende Geldverwalter wie Blackrock, Morgan Stanley, Legg Mason oder Oppenheimer äußerten sich zuletzt mit Blick auf die Anlagechancen in den Schwellenlän- dern positiver als zuvor. Das Mitmischen von solchen großen Adressen spricht dafür, die jüngst zu beobachtenden Kapitalbewegungen eher als ein mittel- bis längerfristiges strate- gisches Umdenken einzustufen und nicht nur als kurzfristig taktisches Agieren. Gefährlich hohe Verschuldung Trotz einer derzeit freundlicheren Stim- mungslage rund um die Emerging Markets herrscht in diesen keineswegs nur eitel Son- nenschein. Als ernst zu nehmender Mahner tritt der Stabilitätsrat der Bank für Internatio- nalen Zahlungsausgleich (BIZ) auf. Dieses In- stitut warnt vor den von hoch verschuldeten Unternehmen in Schwellenländern ausgehen- den Risiken. Adressiert an die Staats- und Regierungs- chefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer heißt es in einer aktuellen Studie, die Verschuldung dieser Gesellschaf- ten sei von 60 Prozent der jährlichen Wirt- schaftsleistung im Jahr 2006 auf 110 Prozent Ende 2015 gestiegen. Besonders kritisch dabei: In den Jahren 2016 bis 2018 sind An- leihenrückzahlungen von 340 Milliarden Dol- lar fällig. Das sind 40 Prozent mehr als in den drei Jahren zuvor. Ob daraus ein Problem entsteht, hängt auch davon ab, wie sich der oft als Verschuldungs- währung dienende US-Dollar entwickelt. Denn bei einem höher notierenden Dollar steigt die Tilgungslast. Als Wackelkandidat ist hier unter anderem die nach wie vor schwä- chelnde chinesische Währung einzustufen. Was für Schockwellen davon ausgehen kön- nen, zeigte sich im Vorjahr, als eine Abwer- tung des Renminbi zu einer Verkaufswelle an den weltweiten Finanzmärkten führte. Was mit der globalen Leitwährung Dollar passiert, hängt auch entscheidend von der weiteren Zinspolitik der US-Notenbank ab. Vor diesem Hintergrund stuft Walter Liebe einen unerwartet deutlichen Anstieg der Infla- tion in den USA als Risikofaktor ein, weil das die Fed zu einem schnelleren Anheben der Leitzinsen zwingen könnte. Das ist laut dem Senior Investment Advisor bei Pictet Asset Management ebenso denkbar wie ein erneuter Kollaps der Ölpreise, was wiederum die Haushaltslage in einigen Schwellenländern erneut verschärfen könnte. Beides stelle hausintern allerdings nicht das Hauptszenario dar. USA wichtigster Taktgeber Weil die US-Zinshüter momentan selbst nicht zu wissen scheinen, für wel- che Zinsrichtung sie sich entscheiden sol- len, hinterlässt diese Abhängigkeit von Faktoren, die die Schwellenländer selbst nicht beeinflussen können, dennoch ein etwas mulmiges Gefühl. Zumal der Ein- fluss der USA in den vergangenen Jahren markt & strategie I schwellenländeranleihen Foto: © Berenberg, Mainfirst Robert Reichle, Berenberg: „2016 konnte das Ab- schmelzen der Devisenreserven gestoppt werden.“ Cornel Bruhin, Mainfirst: „Die Erholung der Rohstoff- preise ist der wichtigste Faktor für neues Wachstum.“ Trendwende geglückt Kumuliertes Nettomittelaufkommen von Schwellenländerfonds in Mrd. US-Dollar Drei Jahre lang zogen Anleger netto Geld aus Schwellenländerfonds ab. Jetzt dreht der Trend. Quelle: BofAML Global Investment Strategy, EPFR Global 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 0 40 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 80 120 160 200 240 280 320 Mrd. USD Mrd. USD Schwellenländer anleihen Schwellenländer aktien

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