FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

gramms sorgte für sinkende Risikoprämien.“ Aufgrund der eingebrochenen Rohstoffpreise und der Rezessionsängste waren die Spreads Anfang des Jahres noch stark gestiegen. Wiederum kaum einen Einfluss der EZB- Käufe auf den Handel und die Emissionstä- tigkeit bei Firmenbonds sieht Stéphane Ruegg von Pictet Asset Management: „Zur gleichen Zeit bestimmte das Votum der Briten für einen EU-Austritt das Geschehen an den Märkten. Weitere Bewegungen kamen hinzu“, so Ruegg. „Der Einfluss des EZB-Programms lässt sich nur sehr schwer herausfiltern.“ Deutliche Effekte Die meisten anderen Experten sehen hin- gegen deutliche Effekte der EZB-Geldflut auf den Markt. So beobachtet etwa Daniel Lösche, Investmentanalyst bei Schroders, eine Verschärfung der Lage im Handel mit bereits begebenen Anleihen. „Das Volumen im Se- kundärmarkt reicht kaum aus, um den Hunger der EZB zu stillen.“ Daher würden sich die Notenbanker offenbar auch im Primärmarkt umschauen. Sie kauften Papiere direkt bei der Emission. „Die Liquidität des Handels hat deutlich abgenommen“, meint auch de Vries Das Kaufprogramm der EZB | Fünf Fragen an Anleihenexperten 114 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 martkt & strategie I unternehmensanleihen Welche Folgen hat das Anleihenkaufprogramm der EZB? William de Vries, Kempen Capital Daniel Lösche, Schroders de Vries: Die EZB will damit letztlich die Inflation in der Währungsunion hochtreiben. Mit diesem Punkt im Hinterkopf hege ich aber Zweifel, ob das Programm einen spürbaren Effekt haben wird. Bei Unternehmensanleihen beobachte ich durchaus sehr starke Auswirkungen. Schon mit der Ankündigung des Programms sind die Ri- sikoaufschläge deutlich gefallen. Dabei differenzieren die Marktteilnehmer zwischen den Anleihen, welche die Kriterien der EZB erfüllen, und denen, die außen vor blei- ben. Der Markt ist zweigeteilt. Mittlerweile scheint sich das aber etwas abzumildern und sich die Situation zu stabilisieren. Lösche: Schon bei Ankündigung des Programms durch die EZB war ein Effekt zu sehen. Die Renditen gingen zurück, die Risikoaufschläge sanken. Da war schon zu erkennen, wo die Reise hingeht. Die Schätzungen gehen zwar auseinander, aber man kann davon ausgehen, dass die Zentralbank zwischen fünf und zehn Milliarden Euro im Monat kauft. Das Volumen ausstehender Euro-Unternehmensanleihen mit guter Bonität, die für die Käufe der EZB infrage kommen, beziffert sich auf rund 600 Milliarden Euro. Angesichts dieser Dimensionen wird deutlich, dass die EZB-Käufe die Nachfrageseite und somit den gesamten Markt erheblich beeinflussen. Veranlasst das knappere Angebot Unternehmen dazu, Bonds zu emittieren? de Vries: Das ist ein positiver Effekt. Mehr Unternehmen haben angekündigt, über Anleihen Geld aufzunehmen. Die Prognosen für das Neuemissionsvolumen fallen optimistischer aus. Allerdings frage ich mich, wie die langfristigen Folgen aussehen. Im Niedrigzinsumfeld haben Anleger kaum Alternativen, als Firmenbonds zu kaufen. Das wird nicht so bleiben. Wenn sich wieder Alternativen bieten, werden sie in Scha- ren Geld abziehen. Einige Scherben wird die EZB aufkehren können, aber nicht alle. Lösche: Das Programm belebt definitiv auch die Angebotsseite. Unternehmen geben neue Anleihen aus. Das Emissionsvolumen in diesem Segment hat enorm zuge- nommen. Die Finanzierungskonditionen waren ohnehin schon sehr attraktiv. Der Markteintritt der EZB hat diese Entwicklung aber noch erheblich beschleunigt. Im Mai etwa bezifferte sich das Neuemissionsvolumen auf 70 Milliarden Euro – so hoch wie lange nicht mehr. Trocknet der Handel mit den Anleihen aus? de Vries: Es hat einen erheblichen Einfluss, wenn ein Nettokäufer in einen Markt eintritt. Dies beeinflusst die Liquidität des Handels. Diese hat deutlich abgenommen, seit die EZB im großen Stil Unternehmensanleihen aufkauft. Bei höheren Order- volumen wird es zunehmend schwieriger, so manche Anleihe überhaupt noch in die Finger zu bekommen. Meiner Ansicht nach ist das ist eine echte Marktstörung. Ich bezweifle, dass das Programm der Europäischen Zentralbank den Markt wirklich besser gemacht hat. Lösche: Viele Investmentbanken hatten sich nach der Finanzkrise aus dem Anlei- henhandel zurückgezogen. Damit fiel die Funktion des Market Makers, der in schwierigen Marktphasen Transaktionen zeitweilig auch mal auf die eigene Bilanz nimmt, praktisch weg. Daher war die Liquidität im Markt ohnehin schon geringer. Nun tritt noch ein neuer, großer Akteur hinzu. Das Volumen im Sekundärmarkt reicht kaum aus, um den Hunger der EZB zu stillen. Daher schauen sich die Notenbanker offenbar auch im Primärmarkt um. Sie kaufen Papiere direkt bei Emission. Locken die Käufe ausländische Emittenten, etwa aus den USA, Anleihen am europäischen Markt zu begeben? de Vries: Ja, es werden sogar ganz neue Emittenten angelockt. Das Zinsniveau und die Wechselkurse machen es etwa für amerikanische Unternehmen attraktiv, sich im Euroraum zu finanzieren. Doch diese Emittenten sind nur Touristen. Sie legen zwar erstmals hier in Europa einen Bond auf. Aber viele werden es dabei belassen, sie werden keine weiteren Anleihen nachschieben. Lösche: Ja, sie locken durchaus Emittenten aus dem Ausland an. Zahlreiche Unter- nehmen, vor allem aus den USA, nutzen jetzt die Chance, sich günstig zu refinan- zieren. Allerdings war auch schon vor der Ankündigung des EZB-Programms der Trend zu beobachten, dass Unternehmen per Euro-Anleihe Kapital aufnehmen. Das ist also nichts völlig Neues. Wie wirken sich die EZB-Käufe auf Ihre Strategie aus? de Vries: Wir ändern unsere Strategie nicht. Wir kalkulieren zwar die EZB als Faktor ein, aber eher als technischen Faktor. Wir beobachten die fundamentalen Daten. Die wirtschaftlichen Aussichten in Europa sind noch gut. Dieses Umfeld spricht für Unternehmensanleihen. Aus makroökonomischer Perspektive wird das Programm keinen Effekt haben: Es gibt bislang keine Anzeichen, dass das Geld über diesen Transmissionsriemen in der Realwirtschaft ankommt. Lösche: Das Programm macht es uns etwas schwerer. Zugegeben, es ist schon ernüchternd, dass die Renditen kurzerhand so tief gesunken sind. Wir fokussieren uns auf eine gute Kreditqualität. Es ist so viel Geld auf dem Markt, da werden einige Unternehmen künstlich am Leben gehalten, die bei normalen Finanzierungskondi- tionen nicht mehr lebensfähig wären. Wir rennen nicht blind in den Hochzinsmarkt hinein, sondern wählen gezielt aus, welches Risiko sich lohnt. Foto: © Kempen Capital, Schroders

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