FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

Das alles hört sich natürlich gut an, und es ist auch sicher eine gewisse Logik dahinter, nach der damit die Wirtschaft angekurbelt würde. Die Kehrseite aber ist doch, dass die Konjunktur damit nicht wirklich nachhaltig zu stimulieren sein wird, aus einem einfachen Grund: Wenn jemand heute Sozialhilfe bezieht und man gibt ihm stattdessen einen Job, bei dem er ein Loch gräbt und es hinterher wieder zuschüttet, dann gibt man als Staat im Grunde das gleiche Geld aus, ohne dass sich wirklich viel verändert. Ohne Zwei- fel müssen baufällige Brücken in- standgesetzt und beschädigte Bau- werke repariert werden. Aber einen Flughafen zu renovieren, der ohne- dies schon heute funktioniert, ver- ändert nichts wirklich für einen Ge- schäftsreisenden, der von den USA nach Deutschland fliegen möchte. Was man benötigen würde, wäre, dass Leute, die staatliche Unterstüt- zung erhalten, einen wirklich pro- duktiven Job bekommen oder einen Job, der ihnen mehr zahlt, als sie ohnehin durch die staatliche Unterstützung erhalten. Und dieser Job müsste etwas sinnvolles Neu- es produzieren. Etwas Neues würde zum Bei- spiel entstehen, wenn man so etwas wie eine Transportmaschine entwickeln könnte, die ei- nen Geschäftsreisenden in nur einer Stunde von Los Angeles nach Frankfurt befördern könnte. Das ist jetzt vielleicht ein etwas allzu utopisches Beispiel. Was ich damit meine, ist: Für ein nachhaltig höheres Wachstum der Konjunktur brauchen wir etwas wirklich Pro- duktives, das das wirtschaftliche Potenzial ei- ner Volkswirtschaft merklich erhöhen würde. Dennoch würden entsprechende Anreize in gewissem Maß die Konjunktur beflü- geln, wenn auch vielleicht nur zeitweise. Das ist richtig, aber es drängt sich gleichzeitig die Frage auf, ob dieses Ankurbeln der Kon- junktur durch Staatsausgaben ein tatsächliches Wachsen der Wirtschaft bewirken würde oder ob es nicht eher ein Transfer staatlicher Leis- tungen wäre an jemand, der dann einfach nur einen Job hätte. Ich glaube schon, dass sich steuerliche Anreize konjunktursteigernd aus- wirken werden. Sie werden das Wachstum an- heben, wenn auch nur zeitweise. Aber – auch wenn das keine Eins-zu-eins-Beziehung ist – auch die Zinsen würden deutlich steigen. Zu- dem würden natürlich auch neue Schulden entstehen, ein Aspekt, der aktuell regelrecht ausgeblendet wird. Aber auf Sicht von drei bis vier Jahren würde damit das Verschuldungs- problem wieder so richtig schlagend werden. Es ist doch erstaunlich, dass die Staatsver- schuldung in den USA – Stichwort „Debt Ceiling“ – vor rund vier oder fünf Jahren schon einmal das große Thema an den Märk- ten gewesen ist. Heute nimmt das niemand mehr als eine Bedrohung wahr, im Gegenteil, es erscheint vielen vor dem aktuellen Zins- hintergrund mehr als attraktiv, die Schulden noch weiter auszuweiten. Dann liegen die wirklichen Probleme noch vor uns? Ich habe schon vor Jahren behauptet: Die 2016er-Wahlen werden mit Sicher- heit interessant werden, weil die eben angesprochenen Probleme dann zumindest sichtbar werden. Aber ich sage Ihnen heute: In vier Jahren werden Sie rückblickend feststellen, dass 2016 nichts war im Vergleich zu dem, was wir 2020 erleben werden. Dann werden die Menschen nämlich begreifen, dass man nicht mehr so einfach über eine noch weiter gehende Auswei- tung der Defizite sprechen kann. Dann wird es mit der Ruhe vorbei sein. 2020 werden die gesellschaft- lichen Probleme einer Nation wie den USA – sprich die soziale Absi- cherung, die Krankenversicherung und so weiter – erst richtig sichtbar hervortreten. Nicht umsonst wollen schon jetzt die Versicherer aussche- ren aus dem System Obamacare, weil sie wissen, dass sie damit nichts verdienen können. In vier Jahren ist es so weit, dass wirklich etwas Proaktives in Richtung einer grundlegenden Veränderung der ge- sellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme entschieden werden muss, weil es einfach nicht mehr anders gehen wird, nachdem man 20 Jahre lang in dieser Hinsicht keine wirkli- che Entscheidungen getroffen hat. Es ist nur ein Durchwurschteln, ein Management des Abstiegs, des Niedergangs. Und immer mehr Menschen werden diesen Niedergang schmerzlich zu spüren bekommen. Man kann die Reaktionen darauf doch schon im laufen- den Wahlzyklus deutlich erkennen. Das ist doch der eigentliche Grund, warum jemand wie Donald Trump, der komplett außerhalb des Mainstreams liegt, überhaupt zum Kandi- daten werden konnte, obwohl das Establish- ment alles unternommen hat, um seine Kan- didatur zu verhindern. Ich habe von vorn- herein gesagt, er würde das gewinnen. Kommen wir vor diesem Hintergrund auf die Rolle der Zentralbanken zu spre- chen. Sie haben diesbezüglich von einem „Bärenmarkt des Vertrauens“ gespro- chen. Das müssen Sie erläutern. Das Ausmaß, in dem man auf einen positiven Einfluss der Entscheidungen von Zentralban- ken setzt, hat schon vor einigen Monaten sei- nen Höchststand überschritten. Die Zahl der Marktteilnehmer, die das Vertrauen in die Zentralbank verlieren, nimmt vielmehr stetig markt & strategie I jeffrey gundlach | doubleline capital 124 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 » Das ist doch alles nur Gerede, was Zentralbanker so von sich geben. Die Verantwortlichen in der Federal Reserve inklusive Janet Yellen sagen doch nichts wirklich Konkretes in ihren Statements. « Jeffrey Gundlach, Doubleline Capital Foto: © Axel Köster Jeffrey Gundlach: „Die Medien interpretieren doch nur, mit welcher Betonung die Fed-Chefin ein bestimmtes Wort ausgesprochen hat, mehr doch nicht.“

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