FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

müssen wir 15 Jahre zurückgehen. Da gab es eine andere Regierung, die es zugelassen hat, dass in jedem Vorort ein Gewerbegebiet entsteht. Und geschlossene Fonds haben, das sage ich völlig wertfrei, damit ihre Chance gesehen. Endlweber: Es wurden aber noch bis vor wenigen Jahren neue Fonds aufgelegt, als das Problem mit den vielen Gewerbegebieten schon bekannt war. Beyerle: Das ist unbestritten. Es werden Fehler gemacht. Es bestehen Risiken, wenn man wegen mehr Rendite in einen D-Standort investiert. Auf dem Papier mag das gut aussehen, aber das Jam- mern beginnt, wenn es in die andere Richtung geht und ein Problem beim Exit auftaucht, das man so vorher noch nicht wahrgenommen hat. Endlweber: Herr Lutz, Ihr Fonds ist auch in den USA investiert. Wie ist dort die Lage? Lutz: Es ist spannend, und wir würden auch mehr investieren. Wir sind aber nicht der einzige offene Fonds, der die Fühler in die USA aus- streckt. In Holland würden wir abbauen, dort werben die Projektentwickler regelmäßig die Mieter ab, und vieles von dem, was als Innen- stadtlage bezeichnet wird, ist gar nicht in der Innenstadt, sondern umgeben von grüner Wiese. Losgelöst davon: Ich glaube, man kann auf jedem Markt durchaus Geld ver- dienen. Man muss jedoch selektiv vorgehen und braucht einen lokalen Partner vor Ort und ein gutes Set-up. Auch das Thema Risikoallokation ist wichtig. Beyerle: Aktuell sehen wir etliche Fonds, die sich zur Stabilisierung oder Steigerung der Rendite in Teilmärkte und Objekte wagen, die in den letzten Quartalen eben- falls eine Preissteigerung erlebt haben. Einem Bürofonds aus reiner Renditesteige- rung eine Logistikimmobilie oder ein Hotel beizumischen, sollte man nur machen, wenn das Logistik- oder Hotel-Know-how im Unternehmen vorhanden ist. Besser ist es, immer in der gleichen Objektklasse zu bleiben und dann über Länder und Regio- nen zu diversifizieren. Ich plädiere hier für Produktklarheit. Archner: Entscheidend sind für eine Inves- tition das Objekt, die Opportunität, die Mikrolage und das Wertsteigerungspoten- zial. Schauen Sie sich England an: Trotz Brexit-Risiko wird mit dem Wind der Pfundabschwächung in London investiert, bei- spielsweise von deutschen offenen Fonds, die um zehn Prozent günstiger einkaufen. Beyerle: Wir sind Gefangene unserer Evolution. Ich rede mir seit drei Jahren den Mund fusselig zum Thema Ostdeutschland. 90 Prozent sagen: „Ich habe doch damals den Schwur geleistet: Nie mehr wieder!“ Es gibt aber diese vier Inseln Jena, Erfurt, Leipzig und Dresden, die sich in den letzten zehn Jahren prosperierend entwickelt haben. Hier kommen analytische Risikoein- schätzung, Erfahrung aus der Vergangenheit und Bauchgefühl zusammen. Wächter: Ich finde den Großraum München spannend. Die Münchner Innenstadt ist voll, deshalb muss die Ansiedelung irgendwann nach außen gehen. Das Rückfallpotenzial ist relativ gering, und mit einer Finanzierung kann man auf 12 bis 13 Prozent Eigenkapitalertrag kommen. Wohl wissend, dass man ein paar Millionen in das Objekt investieren muss, damit es einen modernen Standard hat. Ich meine damit die Entwicklung eines „Quartiers“, in dem es Gas- tronomie und Freizeitangebot gibt. Dann siedeln sich auch in Unterschleißheim oder Ismaning Mieter für acht, neun Euro Miete an. Lemli: Wo man investieren soll, hängt davon ab, ob man Sicherheit oder Chancen im Markt sucht. Dementsprechend bieten sich die Kern- märkte oder die kleineren südeuropäischen Märkte an. Innerhalb der Märkte geht es dann entweder klassisch in die Prime-Lagen mit nied- rigen Renditen oder in die B-Lagen und Ni- schenprodukte, die höhere laufende Renditen bieten. Man muss immer das Rendite-Risiko- Profil analysieren. Gibt es Marktrisiken, die man nicht beeinflussen kann, oder gibt es Risiken, an denen man als Manager aktiv arbeiten kann? Wir beobachten ein gestiegenes Interesse an Immobilien mit höheren laufenden Renditen, die man aktiv managen muss. Weinrich: Das Thema Wohnen wird sehr fokus- siert, aber an manchen Stellen zu eindimensional gesehen. Voriges Jahr wurde auf der „Expo Real“ der Standort Wolfsburg extrem gepusht. Ich bin bei solchen Dingen immer skeptisch. Dieser Standort ist extrem abhängig von einem Konzern. Da wird aber entgegnet, was denn da schon passieren soll, die Zahlen des Unterneh- mens seien ja gut. Die Geschichte zeigt aber, dass immer etwas passieren kann ( gemeint ist der VW-Abgasskandal; Anm. d. Red. ). Heuser: Es gibt noch ein aktuelles Beispiel: Irland und Apple. Apple soll 13 Milliarden Steuern in Europa nachzahlen. Daraufhin hat der Apple-Chef angedroht, tausende Arbeitsplätze in Irland abzubauen. Beim Thema Wohnen sagen eigentlich alle, dass man da immer investieren kann, solange die Regierungen und Kommunen nicht genü- gend Wohnraum schaffen. Stimmt das? Weinrich: Achtung vor Megatrends! Ein anderer Megatrend, der permanent diskutiert wird, ist die Urbanisierung: Alle ziehen in die Städte. Vorges- tern berichtete der „Spiegel“, dass sich der Trend laut einer DIW-Studie dreht. Wir neigen dazu, Eugen Otto, Otto Immobilien: „Die Stabilität und Attraktivität, die eine solide Immobilie hat, hat keine Gegner und keine Konkurrenz.“ 154 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 roundtable I immobilien Fotos: © Christoph Hemmerich » Der Markt quittiert Unsicherheit mit Zurückhaltung. Das ist der Fall gewesen im ersten Halbjahr in Großbritannien, hier gab es einen Rückgang im Transaktions- volumen von 40 Prozent. « Marcus Lemli, Savills

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