FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

Weinrich: Das zeichnet sich schon ab, wenn man sich die Investitionen in Europa ansieht. Archner: Ja, das ist so. Ein Motiv ist, dass Inves- toren Absicherung suchen. Aber es wird den- noch in den südeuropäischen Ländern investiert und aus guten Gründen objektspezifisch gekauft. Ein Hotel in Barcelona auf La Rambla wird nicht schlechter, wenn die Spanier oder Katala- nen ihre eigene Währung einführen würden. Das wäre dann halt so. Deswegen wird es trotzdem eine Menge Touristen in Barcelona geben, und das zählt von der Immobilienseite her. Weinrich: Für einen Analysten ist der Brexit toll. Endlich ist wieder etwas los an den Märk- ten. Dass sich dadurch wirklich etwas bewegt, hat man ganz deutlich bei den Anlegern der britischen Fonds gesehen, die gesagt haben, irgendetwas ist mit der Zu- kunftsentwicklung des britischen Immo- bilienmarktes im Verhältnis zu Kontinental- europa anders. Es ist schlechter geworden. Knorr: War es wirklich nur das? War es nicht so, dass viele internationale Investoren auch währungsbedingt die Reißleine gezo- gen haben? Lemli: Faktum ist, dass die Käufer schon in den sechs Monaten vor dem Brexit-Votum zurückhaltend waren – ohne Währungs- effekt. Knorr: Ich meinte die offenen Fonds, die schließen mussten. Lemli: Das hat aber nach der Abstimmung stattgefunden. Ich meinte, dass die Investo- ren schon davor zurückhaltend waren. Weinrich: Wir haben uns angesehen, wel- ches Volumen zurückgegeben wurde und woher das kam. Es wurden teilweise auch von den eigenen Muttergesellschaften dieser Fonds viele Anteile zurückgegeben, und insgesamt waren die Rückgaben sehr stark geprägt von britischen Anlegern. Man muss das aber auch im Kontext sehen: Der briti- sche Markt ist so weit gelaufen gewesen, wie er selten läuft und irgendwie war die Erkenntnis relativ schnell relativ klar: „Oh Gott, jetzt ist etwas anders.“ Und da wollte man wahrscheinlich zuerst einmal seine Schäfchen ins Trockene bringen. Das geschah aber in erster Linie bei Investoren aus Großbritannien. Haben Sie andere Erkenntnisse? Knorr: Bei einzelnen Fonds ja. Es gibt auch Fonds, die ihre Immobilienbestände abgewertet haben und mit ihren Anlegern beschlossen haben, dass man erst einmal abwartet. Damit kommen die Investoren klar. Weinrich: Das ist ein guter Punkt. Aberdeen hat 17 Prozent von einem Tag auf den anderen ab- gewertet und dann hinterher verkündet, dass man wieder eröffnen kann, weil es sich die Kun- den anders überlegt haben. Hätten wir diesen Mechanismus bei deutschen Publikumsfonds 2008 gehabt, dann wären, glaube ich, damals auch mehr Kunden drinnen geblieben. Archner: Ich sehe den Vorteil, auf einen Schlag abzuwerten, nicht. Im Übrigen lag die Ab- wertung, wenn Sie die Liquidität berücksich- tigen, auf Immobilienebene bei 25 Prozent. Das war nicht unterlegt durch Marktbewegungen oder Transaktionen, sondern geschah durch die Mittelabflüsse im Vergleich zu den Mittelzu- flüssen. Daraus wurde zusammen mit dem externen Bewerter eine Fair-Value-Anpassung gemacht. Es gab aber schon vor dem Brexit, mit dem ja niemand gerechnet hat, abschwächende Transaktionsvolumina. Wir hätten auf jeden Fall eine Abschwächung auf dem Büromarkt ge- sehen, das war absehbar. Der Brexit kam nur hinzu. Lemli: Es ist schwer, die Gründe genau heraus- zufiltern. Der Markt quittiert Unsicherheit mit Zurückhaltung. Das ist der Fall gewesen im ers- ten Halbjahr in Großbritannien, hier gab es einen Rückgang im Transaktionsvolumen von 40 Pro- zent. In Spanien betrug der Rückgang 30 Pro- zent ( in Spanien fanden am 26. Juni 2016 Par- lamentswahlen statt; Anm. d. Red.). Beyerle: Positiv formuliert: In Frankfurt müsste kraft der Theorie bald das Premium am Markt sichtbar sein. Auch der norwegische Staatsfonds hat fünf Prozent abgewertet, was in der Be- richterstattung allein auf den Brexit ge- schoben wurde. Das ist ja auch eine Mes- sage, die Frankfurt in der Theorie beflügeln müsste. Lutz: Es gibt auch Wohnungsanzeigen: „Jetzt kaufen, bevor es durch Brexit noch teurer wird.“ Heuser: Ich bedanke mich für eine inter- essante Diskussion. HANS HEUSER, ALEXANDER ENDLWEBER| FP Holger Wachter, DW Real Estate: „Immobilien sind nach wie vor sehr spannend. Denn Kapitalwerte und Renditedifferenz zwischen Anleihen und Immobilien sind historisch hoch.“ 158 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 roundtable I immobilien Fotos: © Christoph Hemmerich » Die Branche hat es geschafft, nicht zu überzeichnen. Es wird kein Schwachsinn gekauft, und es wird nicht auf Teufel komm raus finanziert. Es fahren alle auf Sicht, und es gibt keine Risiko- strukturen, aus denen man nicht mehr herauskommt. « Thomas Beyerle, Catella Die Experten waren sich einig: Immobilien sind ein solides Investment, wenn man die Risiken im Auge behält. Über- durchschnittliche Renditen gibt es in den Nischenmärkten.

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