FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

218 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 „Für jedes dieser 10.000 Szenarien ermit- teln wir eine Ablaufleistung, und zwar bei Laufzeiten von zwölf, 20, 30 und 40 Jahren“, erläutert Ruby. Im nächsten Schritt wird aus den 40.000 Ablaufleistungen nun die Durch- schnittsrendite gebildet. „Dann nehmen wir 20 Prozent der schlechtesten Summen und errechnen auch hier die durchschnittliche Rendite“, sagt Ruby. Diese beiden Kennzah- len werden gebündelt und bestimmen über die Einordnung des Produktes in eine von fünf Chancen-Risiko-Klassen. Wichtig zu wissen: Bei komplexen Fondspolicen schauen sich die PIA-Mitarbeiter immer den volatilsten Fonds an. Die Daten liefern die Anbieter. Mit dem SRI nichts zu tun „Unsere Klassifizierung hat absolut nichts mit dem SRI zu tun, der künftig die Risiko- stufen von Fonds und nicht geförderten Fondspolicen angeben wird“, sagt die PIA- Geschäftsführerin. Die EU-Verordnung über Packaged Retail and Insurance-based Products (PRIIP), die sich auf strukturierte Wertpapiere, Fonds und Versicherungen mit Kapitalanlage- charakter erstreckt, sieht für diese Produkte neue wesentliche Anlegerinformationen (Key Information Documents, KIDs) vor. Darin wird der aktuelle Risk and Reward Indicator (SRRI) durch den Summary Risk Indicator (SRI) ersetzt. Nach dem bisherigen Zeitplan soll die PRIIP-Verordnung am 31. Dezember 2016 in Kraft treten. Es ist aber eher unwahr- scheinlich, dass es bei diesem Termin bleibt (siehe hierzu den Artikel auf Seite 318). „Nach der SRI-Methode errechnet sich die Risikostufe einer Fondspolice völlig anders als mit unserem Modell“, erläutert Ruby. Sobald PRIIP in Kraft ist, entstehen damit für Fondspolicen parallele Welten, was die Risikobeurteilung angeht. „Es wird so sein, dass ein- und dieselbe Police in einer PIA- Chancen-Risikostufe landet, wenn sie staatlich gefördert ist, und eine SRI-Klasse bekommt, wenn sie nicht gefördert ist“, sagt Ruby. Transparenz und Vergleichbarkeit sind zwi- schen den beiden Varianten dann keineswegs gegeben. „Ich bin aber auch nicht sicher, ob das richtig wäre“, gibt Ruby zu bedenken. Im- merhin erziele ein Anleger durch die staatli- chen Begünstigungen mit dem Kapital, das in eine geförderte Police fließt, höhere Renditen, als wenn er in ein identisch gestricktes nicht gefördertes Produkt einzahlt. Uneinheitliche Effektivkosten Auch hinsichtlich der Effektivkostenquote wird zwischen geförderten und nicht geför- derten Fondspolicen künftig keine Einheit- lichkeit herrschen. „Für die Berechnung der Effektivkosten gibt die Altersvorsorge-Pro- duktinformationsblattverordnung in jeder Chancen-Risiko-Klasse eine Rendite vor“, erklärt Ruby. So wird etwa bei einer Fonds- police der Stufe fünf mit einer Rendite von sechs Prozent gearbeitet. Die PIA simuliert einen Sparvorgang, in den alle Kosten einbe- zogen werden. „Danach berechnen wir, wel- che Rendite reichen würde, um dasselbe End- vermögen zu erzielen, wenn gar keine Kosten anfallen würden“, sagt die PIA-Expertin. Läge diese Rendite bei fünf Prozent, so beliefe sich die Kennzahl Effektivkosten auf ein Prozent. „Es wird oft behauptet, Kickbacks dürften bei staatlich geförderten Altersvorsorgepro- dukten nicht kostenmindernd in die Effektiv- kostenquote einfließen“, sagt Ruby. Das sei jedoch nicht ganz richtig. Grundsätzlich dürf- ten diese Rückvergütungen, über die Fonds- gesellschaften den Versicherern einen Teil der Managementgebühren erstatten, Eingang in die Berechnung finden. Dies gilt natürlich nur für den Anteil der Kickbacks, den die Versi- cherung an den Kunden durchreicht. Keine Angleichung in Sicht „Der Knackpunkt ist aber, dass wir die Rückvergütungen nur berücksichtigen könn- ten, wenn ihre Höhe über die gesamte Lauf- zeit bekannt und der Zeitpunkt der Buchung vertraglich festgelegt wäre“, erläutert Ruby. Doch das sei bei keiner Fondspolice der Fall. Bei nicht geförderten Policen hingegen dürfen Kickbacks weiterhin kostenmindernd in die Effektivkostenquote einfließen. Daran werde sich vorläufig auch nichts ändern. „Wir sind aber erst in der Anfangsphase“, sagt die PIA-Geschäftsführerin. „Wir müssen nun erst einmal beobachten, wie sich die Par- allelwelten entwickeln, eventuell gibt es nach einigen Jahren doch noch Anpassungen.“ Für den Moment ist Ruby auf jeden Fall stolz dar- auf, dass die PIA ihren Zeitplan so gut einge- halten hat. Erste Anbieter haben ihre Produkte bereits klassifizieren lassen, in Kürze will die neutrale Stelle auch Workshops für Versiche- rungsmakler und Finanzanlagenvermittler an- bieten. Und eines steht fest: „Unser Termin wird nicht verschoben“, sagt Ruby. „Wir hal- ten den 1. Januar 2017 ganz sicher.“ ANDREA MARTENS | FP vertrieb & praxis I produktinformationsstelle altersvorsorge Foto: © Produktinformationsstelle Altersvorsorge Melissa Ruby, PIA: „Wir halten unseren Starttermin am 1. Januar 2017 ganz sicher.“ Daten und Fakten: Produktinformationsstelle Altersvorsorge (PIA) Hintergrund: Die Gründung der PIA ist mit dem Alters- vorsorge-Verbesserungsgesetz (AltVerbG) beschlossen worden, das am 1. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Ziel des Gesetzgebers ist es, die private Altersvorsorge transpa- renter und damit attraktiver zu gestalten. Daher sieht das AltVerbG ein einheitliches Produktinformationsblatt (PIB) vor, das die Anbieter staatlich geförderter Altersvorsorge- produkte ab dem 1. Januar 2017 verpflichtend erstellen müssen. Wesentliche Kennziffern sind die Chancen-Risi- ko-Klasse und die Effektivkostenquote, die nach eigenen Verfahren berechnet werden. Aufgabe: Die PIA sorgt dafür, dass staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte hinsichtlich ihrer Renditechancen, Risiken und Kosten objektiv vergleichbar werden. Sie ord- net alle Instrumente mit Förderung aus der Basisschicht („Rürup-Rente“) und aus der dritten Schicht („Riester- Rente“) fünf selbst entwickelten Chance-Risiko-Klassen zu. Darüber hinaus hat die neutrale Stelle ein Modell zur Berechnung der Effektivkostenquote für Riester- und Rürup-Instrumente erstellt, die sie für jedes Produkt bestimmt. Sparprodukte der betrieblichen Altersvorsorge von Pensionskassen werden nicht berücksichtigt. Gründung: Die Aufgaben der PIA wurden öffentlich aus- geschrieben. Gewinner war die Fraunhofer-Gesellschaft aus München. Sie gründete die neutrale Stelle als hundertprozentige Tochter. Sitz der PIA ist Kaiserslautern. Die Stelle arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen (BMF). Finanzierung: Die Stelle finanziert sich aus den Gebüh- ren, die die Anbieter von staatlich geförderten Altersvor- sorgeprodukten für die Klassifizierung und eine jährliche Überprüfung bezahlen müssen.

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=