FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

Welche Bereiche des Bankings, beispiels- weise der Zahlungsverkehr oder das Wertpapiergeschäft, sind aus Ihrer Sicht bereits jetzt ausreichend mit Fintechs versorgt? Und in welchen Bereichen schreiben Fintechs schwarze Zahlen? Rafael Otero: Wir stehen in Europa in Sachen Fintech noch ganz amAnfang. Eine Sättigung oder gar Übersättigung sehe ich nicht. Sicher- lich sind Bereiche wie Lending, Geldtransfer und Kreditkartenakzeptanz für kleinere und mittlere Unternehmen in einigen Ländern mit mehreren Playern besetzt. Das macht den Markteintritt für neue Mitbewerber nur an- spruchsvoller, aber sicherlich nicht unmöglich. Selbst in einem reinen deutschen Kontext sind die Marktanteile der Fintechs noch im niedri- gen zweistelligen Bereich – da ist also extrem viel Luft nach oben. Es gibt genügend Fin- techs, die profitabel sein könnten, es aber nicht wollen. Sie wollen lieber wachsen, aber Wachstum kostet nun einmal Geld. Was auch gern vergessen wird, ist, dass Start-ups in einer Venture-Capital-Welt leben, und die sieht so aus: Entweder man wächst oder man ist profitabel – beides zusammen geht nicht. Siegert: Unternehmen wie Amazon, Facebook und selbst Zalando hätten niemals die heutige dominante Marktposition erreicht, wenn in der frühen Start-up-Phase Gewinne wichtiger gewesen wären als Umsatz, Skalierung oder der Grad der Internationalisierung. Der Fokus auf die Profite bei jungen Start-ups ist eine sehr deutsche Sicht und vielleicht auch einer der Gründe, weshalb mit wenigen Ausnahmen wie SAP und aktuell Zalando kaum interna- tionale Champions aus dem Software- und Technologiebereich aus Deutschland stam- men. Hoffnungsvolle und frühzeitig profita- ble, aber eben auch nur regionale deutsche Technologieunternehmen sind eher attraktive Übernahmekandidaten. Stichwort Geschäftsmodell: Ist es Metho- de der Fintechs, Grundprodukte wie Gi- rokonten kostenfrei anzubieten und mit dem Cross-Selling weiterer Dienste Ein- nahmen zu generieren, also sogenannte Freemium-Modelle zu offerieren? Otero: Was das Businessmodell der Fintechs angeht, ist es zu einfach, von Freemium als Standard auszugehen. Es sind genügend Fin- techs aktiv, die von Tag eins an Geld für ihre Dienstleistungen nehmen. Allerdings ist das Pricing meist anders als bei etablierten Playern. Fintechs agieren in einem „Pay as you go“-Modell, bei dem ein Großteil der Kosten erst bei effektiver Nutzung anfällt. Weil auch die Kunden und Händler besser informiert sind, sind die Zeiten von monat- lichen Kosten und Laufzeitverträgen vorbei. Siegert: Großkonzerne wie Facebook, Apple oder Google steigen nicht in den Markt für Finanzdienstleistungen ein, weil dieser ver- meintlich so extrem attraktiv und hochpro- fitabel ist oder sie unbedingt Banken sein wol- len. Finanzdienstleistungen wie das Girokonto oder der Zahlungsverkehr besitzen für den Kunden eine Alltagsrelevanz, und das stärkt das individuelle Ökosystem des Konzerns. Google und Facebook gewinnen damit wert- volle Daten für ihre Produkte, und Apple bin- det den Kunden enger an die eigene Hard- ware. Damit erhöht sich die Wahrscheinlich- keit eines neuerlichen Kaufs. Daher müssen die Großkonzerne mit Finanzdienstleistungen eigentlich keinen Umsatz generieren, da sie mit ihren eigentlichen Produkten signifikant bessere Margen erreichen. Das Fintech N26 gab jüngst bekannt, eine eigene Banklizenz von der Bafin erhalten zu haben. Bisher wickelte die Wirecard-Bank den Zahlungsverkehr und das Bankgeschäft dieses Smart- phone-Kontoanbieters ab. Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten der „Bank N26“ ein? Thalhammer: Für den Fintech-Markt ist es sehr wichtig, dass neben der Solaris-Bank nun auch eine zweite „neue“ und vollumfängliche Lizenz im Markt verfügbar ist. Durch die Banklizenz ergeben sich aber auch neue Fra- gen: Wie bekommt man ohne Konversions- verlust und mit vertretbarem Aufwand die Kunden von Wirecard zu N26? Wie gut tut eine Bankkultur einem Start-up, und wie kos- tenintensiv ist eine Bank? Die Herausforde- rungen für N26 werden dementsprechend groß sein. Aber die Gründer sind ja angetre- ten, um Dinge zu verändern. Und das geht selten im „Duck and Cover“-Modus. Vielen Dank für das Gespräch. MARCUS HIPPLER | FP „Der Bereich Online-Payment hat gezeigt, wie schnell ein Internetkonzern wie Ebay den Banken einen kompletten Markt abnehmen kann und sie zu einem Hintergrundabwickler degradiert.“ Fünf ausgewiesene Fintech-Experten im Gespräch (v.l.n.r.): Maik Klotz, Kilian Thalhammer, Andre Bajorat, Jochen Siegert und Rafael Otero. 273 www.fondsprofessionell.de | 3/2016

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