FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

296 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 Auch der deutsche Gesetzgeber hat Vorkeh- rungen getroffen, um sicherzustellen, dass die Versicherer ihren Garantieverpflichtungen nachkommen können. So sieht das Lebens- versicherungsreformgesetz (LVRG) vor, dass die Anbieter keine Dividenden an ihre Eigen- tümer ausschütten dürfen, solange Geld zur Sicherung der Garantien benötigt wird (Art. 1, Nr. 3 LVRG). Extrapuffer Zinszusatzreserve Für einen Extrapuffer sorgt auch die schon 2011 eingeführte Zinszusatzreserve. Dafür haben allein die 72 größten Lebensversicherer bis Ende vergangenen Jahres 30,5 Milliarden Euro zur Seite gelegt, zeigen Zahlen des Kivi- Instituts. Zum Vergleich: Das bilanzielle Eigenkapital dieser Anbieter belief sich zum selben Stichtag auf etwa 19,4 Milliarden Euro. Assekurata rechnet damit, dass im laufenden Jahr weitere zwölf Milliarden Euro in die Zinszusatzreserve fließen werden. Um den Puffer regelmäßig aufzustocken, müssen viele Versicherer Bewertungsreserven auflösen. Das geht zulasten der Überschüsse. „Aufgelöste Reserven kann man nur einmal ausgeben“, sagt Thiemermann. An den Überschüssen dürfen Versicherer im Notfall noch viel kräftiger schrauben. „Um eine drohende Unterdeckung zu verhindern, können sie alle künftigen Überschüsse zu- rückfahren“, sagt der Versicherungsmathe- matiker und Aktuar Peter Schramm. Dies er- laubt Paragraf 140 Satz 1 des Versicherungs- aufsichtsgesetzes (VAG). Dann bekommen Versicherte nur noch die Garantieleistungen inklusive bereits aufgelaufener und schon zugesagter Überschüsse. „Auch die Garantierenten für künftige Überschüsse können, sofern vertraglich nicht anders festgelegt, mit verringerten Garantien gerechnet werden“, erklärt Schramm. Nicht zuletzt dürfen Versicherer Garantien sogar senken oder Prämien erhöhen. „Das geht aber nur, sofern die Maßnahmen im Vertrag nicht ausgeschlossen wurden“, sagt Schramm. Zudem muss der Leistungsbedarf dauerhaft bestehen und darf bei Vertragsabschluss nicht schon absehbar gewesen sein (§ 163 Abs.1 Versicherungsvertragsgesetz, VVG). Bafin darf Garantien kürzen Ein staatlich verordneter Extrapuffer, wo- möglich geringere Überschüsse – bis dahin hört sich die Kur noch harmlos an. Zeitigen sie jedoch keinen Erfolg, muss die Bafin ein- schreiten. Um ein angeschlagenes Versiche- rungsunternehmen vor der Insolvenz zu bewahren, kann die Aufsicht den Übergang sämtlicher Verträge auf Protektor anordnen. Die Sicherungseinrichtung führt sie fort und saniert den Bestand. Reichen die vorhandenen Mittel dafür nicht aus, können bereits garan- tierte Versicherungsleistungen um bis zu fünf Prozent gekürzt werden (§ 222 Satz 5 VAG). Der Fonds verfügt über knapp 900 Millionen Euro. Das klingt nach viel Geld. Doch allein die fünf größten Lebensversicherer haben eine Bilanzsumme von 350 Milliarden Euro. Das zeigt, dass Protektor im Fall der Fälle schnell an seine Grenzen stoßen dürfte. Doch die Bafin darf noch mehr: Steuert ein Versicherer auf die Insolvenz zu, kann die Bonner Behörde ein vorübergehendes Zah- lungsverbot verhängen (§ 314 Satz 1 VAG). In diesem Fall hat die Aufsicht freie Hand, bereits garantierte Leistungen, selbst laufende Renten, entsprechend der verschlechterten Kapitalausstattung zu senken. Und zwar nicht nur um bis zu fünf Prozent. „Eine Unter- grenze für die Kürzungen gibt es hier nicht“, erklärt Schramm. Außerdem dürfen unterschiedliche Verträge unterschiedlich behandelt werden. Policen mit einem Garantiezins von vier Prozent könnten also stärker reduziert werden als solche, die einen geringeren Zins vorsehen. „Die Hürden für dieses Vorgehen sind aber hoch“, erklärt die Bafin. So darf die Aufsicht die Maßnah- men nur anordnen, sofern ein Versicherer dauerhaft nicht mehr imstande ist, seinen Ver- pflichtungen nachzukommen (§ 314 VAG). Die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens muss außerdem für alle Beteiligten eindeutig der beste Weg sein. „Es geht um wenige Prozent“ „All diese Maßnahmen mögen für einen womöglich betroffenen Kunden hart klingen“, sagt Arteaga, „wichtig ist jedoch, dass sie nie gegen den Einzelnen gerichtet sind. Ihr über- geordnetes Ziel ist vielmehr, den Träger der Altersvorsorge stabil zu halten und damit das Kollektiv der Versicherten gleichmäßig zu schützen.“ Arteaga betont einen weiteren Punkt: „Selbst wenn Garantieleistungen her- abgesetzt werden müssten, dürfte es dabei um Anpassungen von wenigen Prozent gehen. Kein Kunde muss befürchten, dass plötzlich die Hälfte seiner Altersvorsorge verschwun- den ist. Das Risiko ist im Wesentlichen, dass die Rendite nicht so hoch ausfällt wie erhofft.“ Er verweist auf die Niederlande, wo die be- triebliche Altersvorsorge eine deutlich größere Rolle spielt als in Deutschland. Dort mussten von insgesamt 415 Pensionsfonds 68 im Jahr 2013 ihre Leistungen anpassen, weil sie ihre Verluste aus der Finanzkrise auch nach fünf Jahren noch nicht aufgeholt hatten. Im Schnitt lag diese Anpassung bei gerade mal 1,7 Pro- zent, die in zehn Schritten von je 0,17 Prozent bis 2023 vollzogen wird. „Dieses Beispiel zeigt, dass selbst ein dramatisches Ereignis wie die Finanzkrise zwar Spuren hinterlassen kann, die langfristigen Auswirkungen aber doch im Rahmen bleiben“, so Arteaga. Dennoch mag der eine oder andere mit Blick auf die heute schon möglichen Maß- nahmen mit dem Gedanken spielen, sein Geld fonds & versicherung I krise der lebensversicherer Foto: © DLA Piper, privat Marco Arteaga, DLA Piper: „Das Ziel aller Maßnahmen ist, das Kollektiv der Versicherten zu schützen.“ Michael Thiemermann, Kivi-Institut: „Früher hat niemand der Garantie einen materiellen Wert zugeschrieben.“

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