FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

297 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 lieber früher als später aus Lebensversiche- rungen abzuziehen. Kämen zu viele Kunden gleichzeitig auf diese Idee, kann der Versiche- rer dem jedoch einen Riegel vorschieben – und den Rückkaufswert herabsetzen. Dieser Schritt ist erlaubt, „um eine Gefährdung der Belange der Versicherungsnehmer auszu- schließen“ (§ 169 (6) VVG). Die Entschei- dung trifft der Vorstand des Versicherers, eine Erlaubnis der Bafin braucht er dafür nicht. Der Gedanke dahinter ist wieder der glei- che: Das Kollektiv soll geschützt werden. Denn der Versicherer hat sein Geld langfristig investiert. Wäre er zu Notverkäufen gezwun- gen, weil tausende Kunden gleichzeitig an ihr Erspartes wollen, würde das die Kurse zum Leidwesen aller Versicherten drücken. Die Herabsetzung der Rückkaufswerte soll dem vorbeugen. Es ist daher kaum möglich, dass ein Lebensversicherer – ähnlich wie eine Bank – Opfer eines „Runs“ werden kann. Steuerzahler außen vor Der Vergleich zur Bankenwelt ist ohnehin interessant: Seit Jahren müht sich die Euro- päische Union ab, ein System zu etablieren, in dem nicht mehr der Steuerzahler für eine Bankenrettung aufkommen muss. In der As- sekuranz wäre ein solcher „Bail-out“ gar nicht nötig. Die Rettung eines Versicherers ist für die Kunden schmerzhaft („Bail-in“), der Steuer- zahler bleibt jedoch außen vor. „Darum halte ich es auch für unwahrscheinlich, dass im Fall der Fälle der Staat einspringen würde, um einen Versicherer zu retten“, sagt Schramm. Selbst wenn es – was mit Blick auf die möglichen Sanierungsschritte äußerst unwahr- scheinlich wäre – zu einer Insolvenz käme, wären die Kunden in einer vergleichsweise guten Position. Der Grund: Sie dürfen sich aus der Insolvenzmasse vor allen anderen Gläubigern bedienen (§ 315 Abs. 2 VAG). Das vorhandene Kapital wird dabei auf alle Verträge verteilt. Auch wenn Kunden dadurch Einbußen hinnehmen müssen – mit leeren Händen werden sie kaum dastehen. Makler soll aufklären Nach diesemAusflug in die Welt des „Was wäre wenn?“: Wie könnte die Empfehlung an einen Makler lauten? Er sollte natürlich nur Policen von finanzstarken Anbietern empfeh- len (siehe hierzu auch die Artikel in FONDS professionell 1/2016, Seite 316, und 2/2016, Seite 266). Und er sollte seine Kunden ganz offen über das aufklären, was auf die Branche zukommen und was mit seinem Geld passie- ren könnte – ohne die Situation zu dramati- sieren. Wer seinen Mandanten dagegen zum Verkauf seiner Policen rät, geht ein großes Risiko ein. „Ein Makler sollte möglichst ver- meiden, seinen Kunden die Kündigung von Lebensversicherungen zu empfehlen“, mahnt Schramm. Eine objektive Beratung zu den Szenarien müsse reichen. Denn: „Richter sehen in einer Kündigung meist einen Scha- den, für den der Vermittler dann haftet.“ Ohnehin wäre es falsch, die Lebensversi- cherung völlig abzuschreiben. Sie sollte nur anders eingesetzt werden als in den vergan- genen Jahrzehnten. „Der große Fehler der Branche war es, die Lebensversicherung als alternative Kapitalanlage verkauft zu haben“, sagt Achim Hertel aus Köln. Er kennt die Assekuranz aus zahlreichen Führungspositio- nen. Inzwischen ist er im Ruhestand, betreibt nebenher jedoch noch ein Internetportal, über das er Nettotarife vertreibt. „In den Beispiel- rechnungen hieß es immer, dass der Kunde seinen Einsatz in 30 Jahren verdoppeln wird, und mit diesemArgument wurden die Policen vertrieben“, weiß Hertel. „Wenn nun die Ver- träge auslaufen, wird vielleicht nur das 1,6- Fache ausgezahlt – klar, dass die Kunden da enttäuscht sind.“ Hertels Meinung nach sind insbesondere Rentenversicherungen trotz der mageren Zinsen nach wie vor sinnvoll, um das Langlebigkeitsrisiko abzusichern. „Aber als reine Geldanlage taugen sie nicht.“ ANDREA MARTENS, BERND MIKOSCH | FP Die Lebensversicherung in der bAV: Ein Haftungsrisiko für Unternehmen Ausgangslage : Bei fast allen Durchführungswegen der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) spielt die Lebensver- sicherung eine Rolle: Bei Direktversicherungen (in diesem Fall schließt der Arbeitgeber die Police auf das Leben seines Angestellten ab), bei Pensionskassen (das sind spezielle Lebensversicherer für die Beschäftigten eines Unternehmens oder einer Branche) und bei Direktzusagen und Unterstützungskassen als Rückdeckungsversicherun- gen. Falls der Lebensversicherer in Schieflage geraten sollte, kann das den Arbeitgeber viel Geld kosten. Direktversicherung: Senkt ein Lebensversicherer seine Leistungen tatsächlich unter die Garantiezusage, muss eventuell der Arbeitgeber einspringen. „Das wäre der Fall, wenn er in der arbeitsrechtlichen Vereinbarung zugesagt hat, dass der Arbeitnehmer eine ganz bestimmte Leistung einschließlich der Garantieverzinsung erhält“, sagt Marco Arteaga, Partner und bAV-Experte der Kanzlei DLA Piper in Frankfurt. Steht in dem Vertrag hingegen sinngemäß nur, dass der Angestellte das erhält, was der Versicherer erwirtschaftet, wäre der Arbeitgeber fein raus – zumindest auf den ersten Blick. „Für letztendliche Klarheit müsste in Zweifelsfällen allerdings wohl die Rechtsprechung sorgen“, so Arteaga. Pensionskasse: : Bei Pensionskassen sind – anders als bei einem klassischen Lebensversicherer – Sanierungs- klauseln möglich. Das gibt dem Anbieter für den Fall der Fälle etwas mehr Flexibilität. Für eine mögliche Haftung des Arbeitgebers ist aber entscheidend, ob die arbeits- rechtliche Vereinbarung auf diese Sanierungsklausel Bezug nimmt. „Das kommt auf den Einzelfall an“, sagt Arteaga. Rückdeckungsversicherung: Mit der Direktzusage oder der Unterstützungskassenzusage hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Leistung versprochen, für die er einstehen muss. Arteaga: „Die Rückdeckungsversicherung soll ihm helfen, dieser Verpflichtung nachzukommen. Ge- lingt das nicht, weil der Versicherer in Schieflage gerät, muss der Arbeitgeber weitere Mittel aufbringen.“ Reform: Die Arbeitgebergarantie für die Betriebsrente könnte kippen. Hintergrund ist die Reform der bAV, an der die Bundesregierung seit geraumer Zeit arbeitet. Geht es nach Arbeitsministerin Andrea Nahles, sollen die Unter- nehmen per Tarifvertrag bAV-Leistungen gewähren. Um die Arbeitgeber für dieses „Sozialpartnermodell“ zu ge- winnen, sollen sie im Gegenzug von der Haftung befreit werden. Sie haben dann nur für die Beiträge einzustehen. Das würde aber nur für neue Zusagen gelten. Peter Schramm, Aktuar: „Kein Makler sollte seinen Kunden die Kündigung von Lebenspolicen empfehlen.“ Foto: © privat; Fotolia | Marco2811

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