FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

316 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 steuer & recht I product governance nach mifid II Foto: ©– Fotolia | Gabriele Maltinti O b Smartphones, Autos oder Einspritz- pumpen – für Industrieprodukte besteht schon seit vielen Jahren eine Überwa- chungspflicht, englisch auch als „Product Go- vernance“ bezeichnet. Diese verlangt von den Herstellern, dass sie ihre Produkte scharf im Auge behalten. Stellen sich gravierende Män- gel heraus, müssen sie einen Rückruf starten oder ihre Kunden wenigstens warnen. „Für Finanzprodukte gibt es bisher keine Product Governance“, sagt Christian Waigel, Partner der Kanzlei Waigel Rechtsanwälte aus München. Bislang gilt, dass das Risiko mit dem Verkauf komplett auf den Anleger über- geht. Ob es sich etwa durch Marktverände- rungen später erhöht, braucht weder den Pro- duktanbieter noch den Vermittler oder Berater zu interessieren. „Sie unterliegen auch keiner Informationspflicht“, erklärt Waigel. Product Governance kommt Die ruhigen Zeiten sind am 3. Januar 2018 jedoch vorbei. Denn: An diesem Tag tritt die nationale Umsetzung der Finanzmarktricht- linie Mifid II in Kraft. „Mifid II sieht für die Anbieter aller Finanzprodukte eine Product Governance vor“, erklärt Waigel. Ähnlich wie Hersteller von Industrieprodukten kommen dann auch Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) nicht mehr umhin, ihre Instrumente zu beobachten und die Risiken immer wieder neu zu bewerten. Falls sich die Risikostruktur eines Finanz- produktes deutlich verändert, sollen die An- bieter – in der Sprache von Mifid II „Manu- facturer“ oder „Konzepteure“ genannt – tätig werden. „Die Maßnahmen reichen von einer Warnung der Anleger bis zum Vertriebs- stopp“, sagt Waigel. Im schlimmsten Fall kann das Finanzinstrument vom Markt ge- nommen werden. Um solchen Rückrufen vorzubeugen und noch besser dafür zu sorgen, dass Anlegern künftig Produkte vermittelt werden, die zu ih- rem Risikoprofil passen, sieht Mifid II einen ganz neuen Regulierungsansatz vor. Dieser beginnt lange vor dem Beratungsgespräch. „Konzepteure sollen für jedes ihrer Produkte Zielmärkte definieren“, erklärt Waigel. Sie legen also nach bestimmten Kriterien Kun- dengruppen fest, für die das jeweilige Finanz- instrument geeignet ist. Ist der Zielmarkt klar umrissen, achten die Gesellschaften darauf, dass ein Produkt auch nur innerhalb der defi- nierten Grenzen vertrieben wird. Fondsvermittler in der Pflicht Im Sinne des Verbraucherschutzes ist das neue Konzept sicherlich eine gute Idee. „Allerdings stellt sich die große Frage, wie es in der Praxis eigentlich funktionieren soll“, sagt Waigel. Um sich dieser Frage zu nähern, sollte zunächst einmal betrachtet werden, wer überhaupt unter die neuen Product-Gover- nance-Vorschriften fällt. „Manche Finanz- anlagenvermittler sind der Ansicht, sei seien von Mifid II gar nicht betroffen, weil die Richtlinie nur für Berater in Banken gelte“, weiß Waigel. Aber: Dem ist nicht so, das Re- gelwerk gilt auch Vermittler . Zwar erlaubt Artikel 3 Absatz 1 Mifid II es den EU-Mitgliedsstaaten, die freien Vermittler von der Richtlinie auszunehmen. Allerdings regelt Artikel 3 Mifid II auch, welche Vor- schriften die Vermittler beachten müssen, wenn sie denn ausgenommen sind. Dafür ver- weist er wiederum auf Artikel 16 Absatz 2, in dem die Product Governance aufgeführt ist. Mifid II sieht für Finanzprodukte strenge Überwachungspflichten vor. Damit der Vertrieb diesen nachkommen kann, ist bis Januar 2018 noch viel zu tun. Wahre Herkulesaufgabe Der griechische Held Herkules musste zwölf unlösbare Aufgaben bewältigen – und schaffte sie alle. Mifid II konfrontiert Kapitalverwaltungsgesellschaften, Fondsplattformen, Maklerpools und Vermittler mit ähnlich schwierigen Fragen. „Execution only“ unter Mifid II Unter dem Regime der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II wird es nicht mehr möglich sein, „komplexe Finanz- produkte“ im sogenannten Execution-only-Modell zu vertreiben. Zumindest die Prüfung der Angemessenheit einer Finanzanlage für den Anleger ist dann nötig. Damit soll sichergestellt werden, dass der Kunde die nötigen Erfahrungen und Kenntnisse hat, um die Risiken des Finanzproduktes einschätzen zu können. Bei Onlinebanken findet dieser Test heute schon statt, nicht aber bei Fonds- discountern und einigen Robo-Beratern. Für diese Ver- mittler ist daher die Frage entscheidend, ob sie ihrem Geschäft künftig eine Angemessenheitsprüfung vor- schalten müssen. Das ist zumindest für UCITS-Fonds nicht der Fall, meint Christian Waigel, Partner der Kanzlei Waigel Rechtsanwälte aus München. „Für komplexe Finanzprodukte erlaubt Mifid II das Execution-only-Modell zwar nicht mehr“, sagt der Jurist. „UCITS-Fonds gelten anders als alternative Investmentfonds (AIF) aber als so stark reguliert, dass sie nicht zu den komplexen Produkten gerechnet werden.“

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