FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016
4 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 brief der herausgeber A m 18. Januar berichtete FONDS professionell ONLINE, dass sich der bekannte Acatis-Gründer und -Fondsmanager Hendrik Leber darüber wunderte, dass der erfolgreichste Investor der Welt in Erdöl beziehungsweise Ölaktien investierte. Leber erklärte damals in einem Interview mit Citywire Deutschland: „Die Ölpreise werden sich in einigen Jahren wieder erholen, doch ist im Moment noch keine Bodenfindung beim Öl zu erkennen – weder in Kurs- charts noch in der Realökonomie.“ Dieses Gespräch wurde von dem Nachrichtendienst am 15. Januar publiziert. Die Ölsorte Brent notierte damals bei etwa 29 US-Dollar pro Fass. Knapp fünf Monate später notierte Rohöl bei mehr als 50 US-Dollar oder zirka 80 Prozent höher als zum Zeitpunkt des Interviews. Im Verlauf dieses Gesprächs mein- te der Vermögensverwalter noch: „Ich vermute aber, dass Buffett noch zu früh dran ist.“ Im Rückblick wäre es billig, Lebers Fehlein- schätzungen zu Ölpreis und Buffetts Timing-Talent zu kritisieren. Tatsächlich hatte Buffett auch schon davor geraume Zeit vor dieser Trendwende im Januar Positionen in den von ihm bevorzugten Öltiteln aufgebaut. Die Geschichte zeigt aber etwas ganz anderes eindrucksvoll – Warren Buffett hat darauf übrigens wiederholt hingewiesen: Wenn auch Topexperten der Meinung sind, ein Markt habe kurzfristig keine Chancen auf eine Erholung, dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Gegenteil der Fall ist. Ob Buffett sich die Charts für Ölpreis und Ölaktien ansieht, weiß man nicht, und falls das der Fall ist, sucht er sicher nicht nach Kopf- Schulter-Formationen. Man muss auch kein Charttechniker sein, um zu erkennen, dass der nach wie vor wichtigste Rohstoff der Welt bei einem Preis von 30 US-Dollar billig sein muss, wenn er zwei Jahre davor noch 120 US-Dollar und mehr gekostet hat. Der Altmeister aus Omaha stockte im Januar ja seine Positionen in Phillips 66 und Exxon Mobile auf, und die waren schon in den Monaten und Jahren davor – trotz der Öl-Talfahrt – tendenziell gestiegen beziehungsweise nicht gefallen. Für die Erkenntnis, dass jede Verbesserung des Roh- stoffpreises diesen Werten zusätzlichen Rückenwind liefern müsste, muss man auch gar kein Genie sein. Der Berkshire-Hathaway-Grün- der hat wiederholt erklärt, dass er dann kaufe, wenn andere ausstei- gen, und immer wenn er das sagt, nicken alle und geben ihm recht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Marktteilnehmern macht Buffett das dann aber auch. Manche erinnern sich vielleicht daran, dass er auch im September 2008 fünf Milliarden US-Dollar in Goldman Sachs investiert hat – es waren Vorzugsaktien, die zehn Prozent Dividende bezahlen, Teil des Deals waren Optionen zum Kauf von Goldman-Aktien zu einem Kurs von 115 US-Dollar. Fünf Jahre danach „tauschte“ er seine Optionen gegen 13 Millionen Aktien und hatte so nebenher rund zwei Milliarden US-Dollar verdient. Was ist derzeit also zu billig? Leider findet man auf den ersten Blick unter den vertrauenswürdigen Märkten nicht viele, die nach Schnäppchen aussehen. US-Aktien und deutsche Dividendenwerte notieren nahe ihren Allzeithochs. Staatsanleihen, Unternehmensanlei- hen, aber auch Emerging Market Bonds bewegen sich ebenfalls im Bereich historischer Höchststände. Und über Immobilien muss man wohl kein Wort verlieren. Ist alles „zu teuer“? Nun, italienische, fran- zösische und spanische Aktien haben sich nie mehr wirklich vom 2008er-Crash erholt, sie notieren in etwa auf dem Niveau von 2006. Italien hat in den letzten zwölf Monaten schlechter abgeschnitten als Griechenland. Dasselbe gilt für etliche Rohstoff- und Energieindizes. Vor allem letztere sind aktuell im Zehnjahresrückblick extrem weit von früheren Niveaus entfernt. Wer Anfang 2005 in den Rogers Inter- national Energy Commodity Index (er spiegelt die Preisentwicklung diverser Öl- und Gassorten wider) investiert hat, verdient damit bis Mitte 2008 rund 100 Prozent, wer danach aber investiert blieb, steht heute trotz der kräftigen Kurserholung seit Jahresbeginn immer noch bei 70 Prozent Verlust. Missverstehen Sie das nicht als Kaufempfeh- lung, das Beispiel soll nur zeigen, dass es nahezu immer Marktbe- reiche oder Märkte gibt, die keiner haben will. Warren Buffett ist in den Energiesektor jedenfalls schon vor einiger Zeit eingestiegen. Wir möchten die Gelegenheit nützen, Sie einzuladen, sich schon jetzt den 16. FONDS professionell KONGRESS Ende Januar 2017 in Ihren Terminkalender einzutragen. Für die Zeit bis zur nächsten Ausgabe wünschen wir Ihnen ein möglichst erfolgreiches Herbst- geschäft. Gerhard Führing Mamdouh El Morsi Market-Timing ist zu Recht verpönt, meist wird man damit scheitern. Wer aber in reale Werte investiert, die vom Rest der Investoren ignoriert werden, braucht nur etwas Geduld. Buy low ! Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi
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