FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016
Herrn Rieger. Wie ist das in Ihrer Praxis, hat Herr Gründl recht? Ist das Thema Risiko das erste und wichtigste, über das Sie mit Ihren Kunden sprechen? Deckenbach: Ich glaube, in dieser Beziehung haben die Kunden im Jahr 2008 sehr viel dazu gelernt. Übrigens auch ich selbst. Man hat in dieser Zeit doch einmal wirklich zu spüren bekommen, wie hoch das emotionale Risiko- budget des Kunden tatsächlich ist. Es wurde in der Folgezeit beziehungsweise nach einer gewis- sen Erholung der Märkte aber auch sichtbar, dass manche Kunden vielleicht zu empfindlich reagiert hatten. Das wiederum war zum Teil ein guter Anlass, erneut ins Gespräch mit dem Kun- den zu kommen, um seine tatsächliche Risiko- tragfähigkeit in seinem Depot noch besser abzu- bilden. Daher daher zehre ich für meine Bera- tungsgespräche im Prinzip immer von den Er- fahrungen aus 2008 und der Zeit danach. Weil ich vielen Kunden an diesem Beispiel sehr gut erläutern kann, wie sich ihr Depot insgesamt über diesen Zeitraum entwickelt hätte. Rieger: Wenn ein Kunde eine bestimmte Ren- diteerwartung äußert, dann ist es meine Aufgabe als Berater, diese Erwartung des Kunden für ihn selbst zu „übersetzen“. Ich muss ihm vor Augen führen, welches Risiko angesichts seiner Ertragserwartung für ihn eventuell da- mit verbunden ist. Wobei die Finanzkrise von 2008, da stimme ich Herrn Deckenbach zu, uns alle gelehrt hat, dass es bei einer sol- chen Entwicklung durchaus noch stärker nach unten gehen kann, als das die meisten Marktteilnehmer vor diesem Ereignis noch erwartet hatten. Aus diesem Grund ist es für mich eine der wichtigsten Aufgaben des Beraters, die wirkliche Risikotragfähigkeit eines Kunden zu ergründen. Denn häufig klafft die spontane Empfindung von Risiko und die tatsächliche Bereitschaft, auch grö- ßere Schwankungen der Märkte zu ertragen, bei vielen Kunden immer noch mehr oder weniger weit auseinander. Nach Jahrzehnten in der Beratung gelingt es mir heute in fast allen Fällen, diese Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung des Kunden und seiner tatsächlichen Risikobereitschaft sauber her- auszuarbeiten, aber eben auch nicht immer zu 100 Prozent optimal. Heuser: Ein anderes Thema, das seit ge- raumer Zeit nicht nur die Medien, son- dern die gesamte Branche beschäftigt, heißt Robo-Advice oder Fintech. In die- sem Zusammenhang möchte ich gern wissen, ob das in Ihrer Beratungspraxis wirklich schon eine Rolle spielt. Fragen die Kunden Sie heute: Wo ist denn Ihr Robo-Berater? Rieger: In der Plansecur verstehen wir Berater uns im Grunde als eine Art lebensbegleitender Coach des Kunden. Daher werden die meisten unserer Kunden gar nicht erst auf die Idee kom- men, ihre Beratung einem Robo-Advisor zu überlassen, sie suchen vielmehr bewusst das per- sönliche Gespräch mit ihrem Berater. Ich sehe daher in einem zunehmend größer werdenden Angebot durch Fintechs zunächst einmal keine direkte Bedrohung meines Geschäfts. Es ist zu- dem keineswegs so, dass wir uns der neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung uns bietet, nicht bedienen würden. An den Stellen, an denen es uns im Sinne unserer Kunden sinnvoll er- scheint, werden wir daher auch entsprechende Werkzeuge in unsere Beratung miteinbeziehen, wenn wir dem Kunden damit einen Mehrwert bieten können. Deshalb finde ich die zu beob- achtende Tendenz insgesamt positiv. Bauer: Man müsste vor allem zunächst einmal definieren, wie eng oder wie weit man dieses Thema Robo-Advisor fassen möchte. Dass je- mand auf unserer Homepage heute einen kom- plett durchautomatisierten Prozess bis hin zum Depotvorschlag erhalten würde, so weit ist es mit Sicherheit noch nicht. Ich glaube zudem, dass beim Thema Robo-Advice noch eine ganze Menge viel zu kurz kommt, was in unserer Be- ratungspraxis aber eine wichtige Rolle spielt. Als Beispiel sei ein Aspekt wie die Nachfolge- planung genannt, die unsere Kunden zu einem großen Teil durchaus beschäftigt. Ich kann aber heute nicht erkennen, dass irgendein Robo- Advisor in dieser Beziehung eine auch nur annähernd adäquate Leistung erbringen könnte. Wenn allerdings Robo-Advice mit einschließt, dass ich als Berater meine eigenen Prozesse ver- schlanken kann, dass ich zum Beispiel einfacher mit meinem Maklerpool kommunizieren kann und es die Abwicklung für meinen Kunden erleichtert, wenn ich vielleicht nicht mehr seine Unterschrift auf einem Blatt Papier benötige, weil er die Unterschrift über sein Handy leisten oder etwas freigeben kann, wenn all das auch zum Robo-Advisory gehört, dann betrifft mich das als Berater in meiner täglichen Arbeit natür- lich sehr wohl. Aber dass unser Unternehmen quasi als eigenständiger Robo-Advisor agieren würde, um – ohne den Kunden jemals getroffen zu haben – einen Abschluss zu erzielen, das sehe ich für unser Geschäftsmodell und die Kunden, die wir betreuen, nicht. Schmitz: Es klang ja gerade schon an: Das Schlagwort Robo-Advice als solches ist immer noch viel zu undefiniert. Zu der Frage, was es tatsächlich ist, gibt es nach meiner Wahrneh- mung ein enorm breites Spektrum verschiedener Meinungen. Wenn man wie Herr Lang und Herr Bauer darunter die Prozessoptimierung in der Betreuung und Beratung versteht, dann würde ich behaupten, dass das über die nächsten Jahre hinweg zu einem wesentlichen Aspekt der Arbeit auch eines freien Finanzdienstleisters werden wird. Und zwar nicht nur regulatorisch getrie- Marco Schmitz (AAB Asset Services): „Durch den Wegfall des sogenannten Grandfathering werden sehr viele Altmodelle auf den Prüfstand kommen.“ 190 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 roundtable I ver trieb Foto: © Cornelis Gollhardt » Wenn ein Kunde eine Renditeerwartung äußert, ist es meine Aufgabe als Berater, diese Erwartung des Kunden für ihn selbst zu ›übersetzen‹. Ich muss ihm vor Augen führen, welches Risiko für ihn damit verbunden ist. « Kai-Uwe Rieger, Plansecur
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