FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016
260 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 Eine weitere wichtige und häufig gestellte Frage der angehenden Ex-Banker ist, ob ihr Noch-Arbeitgeber ihnen Knüppel zwischen die Beine werfen und die Abwanderung von Kunden verhindern wird. Hier können die Experten beruhigen, im Großen und Ganzen gibt es hier nur wenige Probleme. „Die Kun- den haben in aller Regel eine persönliche Bin- dung zum Berater, nicht zur Bank“, sagt Rohr. „Es würde negativ auf eine Bank zurück- fallen, wenn sie einem Ex-Berater Probleme bereitet.“ JENS BREDENBALS | FP bank & fonds I selbstständigkeit Foto: © Helga Franke + Diana Tyroller GbR; NFS Netfonds; Reuss Private Deutschland AG Von der Bank in die Unabhängigkeit | Drei Kurzinterviews Die Arbeit als Bankberater ist nicht einfach. Die Institute stehen unter Renditedruck und geben den Mitarbeitern entsprechend hohe Vertriebsvorgaben. Einigen Bankern gefällt das nicht. Drei ehemalige Bankberater berichten, warum sie sich für die Unabhängigkeit entschieden haben. Frage: Welche Position hatten Sie in der Bank zuletzt? Frage: Warum haben Sie sich selbstständig gemacht? Frage: Hatten Sie andere Alternativen ins Auge gefasst? Diana Tyroller, Helga Franke + Diana Tyroller GbR. Vertrag- lich gebundener Ver- mittler bei GSAM + Spee AM. Selbstständig seit 2012. René Radtke, René Radtke Vermö- gensberatung. Vertrag- lich gebundener Ver- mittler bei NFS Net- fonds. Selbstständig seit 2014. Volker Henkel, Vermögensverwalter bei Reuss Private Deutschland AG. Ab 2003 zunächst selbst- ständig, inzwischen angestellt. Tyroller: Anfangs haben meine Partnerin Helga Franke und ich überlegt, eine KWG-32-Lizenz zu erwerben. Diese ist aber gerade für Existenzgründer teuer. Daher war der Schritt unter ein Haftungsdach logisch. Zudem hält das Haftungsdach einem in verwaltungstechni- scher Hinsicht den Rücken frei, sodass wir uns auf die Kunden konzentrieren können. Radtke: Nein. Es war mir klar, dass ich etwas eigenes machen möchte und nicht erneut in ein Vertriebs- schema gepresst werden will. Da ist das Haftungs- dach die goldene Lösung. Ich bin ein reiner Wert- papierberater und suche Aktien, Fonds und auch Zertifikate aus, was als Tied Agent möglich ist. Henkel: Für mich kam als Alternative zur Bank nur die unabhängige Vermögensverwaltung in Frage. Daher habe ich mich zuerst mit einem Family Office selbst- ständig gemacht. Später war ich Teilhaber an einem Institut mit KWG-Lizenz. Seit Dezember 2015 bin ich bei Reuss Private Deutschland. Wir betreuen Kunden alleinverantwortlich und kundenorientiert. Tyroller: Bei dem provisionsgetriebenen Bankvertrieb gab es schlicht keine Möglichkeit, einen Kunden gut zu beraten. Nur noch der Verkauf von Produkten war wichtig, eine Beratung unerwünscht. Ich hatte dann im Zuge der Finanzkrise 2008 gehofft, dass sich das ändern würde. Das war aber nicht der Fall. Radtke: Ich habe seit meiner Ausbildung den An- spruch, Kunden möglichst objektive und unabhängige Anlageempfehlungen zu geben. Zuletzt musste ich aber immer nur die von der Bank gewünschten Produkte vermitteln. Zudem wurde ich nicht an der Performance der Kundendepots gemessen. Die Umsatzziele der Bank waren wichtiger. Henkel: Im Rahmen meiner Banktätigkeit habe ich immer wieder erfahren müssen, dass man als Mitar- beiter dort entscheiden muss, ob man seinen Karrie- reweg in der Hierarchie einer Bank wählt oder seinen Erfolg in der langfristigen Kundenverbindung findet. Der Weg mit den Kunden funktioniert aber nur, wenn man transparente und kundennahe Betreuung lebt. Frage: Wie lange hat es gedauert, bis Sie den Schritt in das freie Lager gewagt haben? Frage: Hatten Sie hohe finanzielle oder organisatorische Hürden zu überwinden? Tyroller: Wir mussten uns anfangs um alles selbst kümmern. Es war schwierig, Partner für die Abwick- lung bei einer Honorarberatung zu finden. Schließlich haben wir einen Pool gefunden, der mit einem Haf- tungsdach kooperiert. Danach konnten wir starten. Radtke: Nein, nachdem die Formalitäten bei NFS wie Nachweis der Qualifikation, Führungszeugnis und Schufa-Auskunft geklärt waren, musste ich mir letzt- lich nur ein Büro einrichten. Die IT-Software stellt NFS. Henkel: Es waren erhebliche organisatorische Anfor- derungen zu erfüllen und die damit verbundenen Investitionen im klassischen Bereich für Büro, EDV, Programmlizenzen und Personal. Hinzu kamen noch behördliche Erlaubnisse/Zulassungen. Tyroller: Wir haben beide nach zwei Jahren des Nach- denkens bei unseren Arbeitgebern gekündigt, ohne dass wir uns selbstständig machen wollten. Einige Bewerbungen bei anderen Banken haben uns dann gezeigt, dass es dort nicht anders wäre. So kam die Idee mit der eigenen Firma. Radtke: Insgesamt hat sich der Prozess rund neun Monate hingezogen. Man gibt sein Gehalt nicht so schnell auf. Das war das größte Hemmnis. Aber irgendwann war die Schmerzgrenze erreicht. Henkel: Ich habe mir mehrere Monate Gedanken gemacht. Die Grundlage meiner Entscheidung war eine sehr genaue Analyse der Marktsituation für freie Vermögensverwalter und der damit verbundenen organisatorischen Erfordernisse. Diana Tyroller: Private-Banking-Beraterin bei einer Großbank. René Radtke: Vermögensberater bei einer Bank. Volker Henkel: Portfoliomanager und Relationship Manager im Private Banking. Frage: Würden Sie den Schritt heute erneut machen? Tyroller: Unbedingt. Wir können unsere Kunden nun ergebnisoffen beraten. Radtke: Auf jeden Fall. Ich kann nur jeden Banker dazu ermutigen. Henkel: Nach jetzt 13 Jahren Selbstständigkeit und dem Auf und Ab nach solch einer Entscheidung würde ich trotzdem wieder diesen Weg gehen.
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