FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

273 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 mit der Behörde in Kontakt treten. Für ein persönliches Vorsprechen in einer der Liegen- schaften der Bafin hat sich jedoch noch keiner entschieden. Rechtlich ist die Whistleblower- Anlaufstelle durch die erste Finanzmarkt- novelle legitimiert, die für mehr Markttrans- parenz und Anlegerschutz sorgen soll. „Als Arbeitnehmervertreter begrüßen wir die Einrichtung der Whistleblower-Hotline durch die Bafin. Endlich haben Bankmitarbei- ter eine Anlaufstelle, wo sie ohne Druck und Angst um den eigenen Arbeitsplatz Missstän- de melden können“, sagt Mark Roach, der für Banken zuständige Gewerkschaftssekretär von Verdi. Man solle jedoch nicht auf zu viele Meldungen hoffen, außerdem sei nicht jeder Hinweis richtig und wichtig. „Dies zeigen die Erfahrungen von Banken, die bereits interne Hotlines eingerichtet haben, bei denen Mitar- beiter Missstände melden können“, so Roach. „Manchmal ist ein Mitarbeiter auch einfach nur frustriert.“ Anonymität gewährleistet? Eine Bank, die ihren Mitarbeitern vertrag- lich verbietet, Verstöße an die Bafin weiterzu- geben, handelt widerrechtlich, entsprechende Vereinbarungen sind unwirksam. Grundsätz- lich ist geregelt, dass Tippgeber weder arbeits- noch strafrechtlich belangt oder zum Ersatz von Schäden herangezogen werden dürfen. Diese Schutzbestimmung gilt jedoch nicht, wenn die Meldung vorsätzlich oder grob fahr- lässig unwahr abgegeben wurde. Damit Hin- weisgeber keine Nachteile erleiden, misst die Behörde dem Datenschutz eine große Bedeu- tung bei. Die Bafin gibt „im Regelfall“ weder die Daten des Meldenden noch der von der Meldung betroffenen Personen preis. Doch eine hundertprozentige Garantie, dass der eigene Name nicht doch irgendwann einmal durchsickert, gibt es nicht. Die Aufsicht räumt ein, dass in Ausnahmefällen personenbezo- gene Daten weitergegeben werden müssen, beispielsweise wenn ein Gericht die Offen- legung anordnet. Genau dieser Sachverhalt gibt Anlass zu Kritik. „Dass Gerichte bei strafrechtlichen Prozessen die Anonymität des Whistleblowers aufheben können, ist ein schwerwiegender Mangel und der Pferdefuß des Systems der Bafin“, so der Frankfurter Rechtsanwalt Rai- ner Buchert. „Jeder Hinweisgeber muss dies bedenken und überlegen, ob er in letzter Kon- sequenz diesen Weg mitgehen will. Ich emp- fehle, vorher anwaltlichen Rat einzuholen.“ Buchert weiß, wovon er spricht, er arbeitet als Vertrauensanwalt und Ombudsmann für die Mitarbeiter von großen Konzernen, darunter die Dekabank, die Bremer Landesbank und die Deutsche Apotheker- und Ärztebank. „Erfahrungsgemäß kommen aus der Ban- kenbranche zahlenmäßig wesentlich weniger Hinweise als beispielsweise aus der Industrie und dem Handel – es ist eine niedrige zwei- stellige Zahl im Jahr“, sagt Buchert. „Beispie- le sind Untreue, Kreditmanipulationen, das Erschleichen von Bonuszahlungen und Inter- essenkonflikte mit Schadenspotenzial.“ Hin- weise, die er erhält, unterliegen der anwalt- lichen Schweigepflicht, zudem darf er das Zeugnis verweigern. Blick nach Österreich Bei der Ausgestaltung der Hotline empfiehlt er der deutschen Aufsicht einen Blick nach Österreich. Die dortige Finanzmarktaufsicht FMA setzt bereits seit gut zwei Jahren bei der eigenen Whistleblower-Anlaufstelle auf das elektronische Meldesystem BKMS des Soft- wareanbieters Business Keeper. Das System gewährleistet einerseits die Anonymität des Hinweisgebers, gleichzeitig ermöglicht es über ein elektronisches Postfach auch Rück- fragen der Aufsicht an den Tippgeber. Ge- werkschafter Roach sieht hingegen keinen Grund zur Aufregung. „Wenn die Staatsan- waltschaft die Aufdeckung der Identität des Hinweisgebers verlangt, ist der Aufklärungs- prozess meistens bereits so weit fortgeschrit- ten und auch öffentlich gemacht, dass der Mitarbeiter aus meiner Sicht nicht mehr mit Whistleblowing in den USA Geld als Lockmittel: In den USA blickt das Whistleblowing auf eine lange Tradition zurück und ist ge- setzlich durch den „Whistleblower Protection Enhancement Act“ ver- ankert. In den Vereinigten Staaten versucht man auch, potenzielle Hin- weisgeber mit Geld zu locken. Wenn es aufgrund von Hinweisen von Mitarbeitern zu Verurteilungen von Banken gekommen ist, erhält der Hinweisgeber einen Teil der durch das Kreditinstitut zu leistenden Strafzahlung. Beispiel UBS: So kassierte Bradley Birkenfeld, ein ehe- maliger Vermögensverwalter der Schweizer Großbank UBS, im Jahr 2012 von der Steuerbehörde US Revenue Service eine Belohnung von rund 104 Millionen Dollar. Er hatte Informationen geliefert, die bewiesen, dass sein damaliger Arbeitgeber reichen Bürgern aus den Vereinig- ten Staaten systematisch dabei geholfen hatte, Steuern zu hinterziehen. Durch seine Aussage trug Birkenfeld dazu bei, dass das Schweizer Bankgeheimnis immer weiter aufgeweicht wurde. Beispiel Deutsche Bank: In diesem Jahr sprach die amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde SEC Eric Ben- Artzi, einem ehemaligen Risikomanager der Deutschen Bank, eine Prämie von rund acht Millionen Dollar zu. Der Angestellte hatte der Bank „ungewöhnliche“ Bilanzie- rungspraktiken bei der Bewertung von Derivaten vorge- worfen. Durch den Verstoß gegen die Bilanzierungsvor- schriften verschleierte der deutsche Branchenprimus in der Finanzkrise 2008 Buchverluste in Milliardenhöhe. Als Strafe musste die Bank später 55 Millionen US-Dollar zahlen. Davon gingen rund 15 Prozent an Ben-Artzi. Der Risikomanager lehnte die Belohnung allerdings ab, weil er nicht seinen Arbeitgeber, sondern skrupellose Manager des Kreditinstituts als Hauptverantwortliche für den Ver- stoß ansah, diese aber nicht verurteilt wurden. Die groß- zügige Geste imponierte der Deutschen Bank jedoch nicht: Sie entließ den Aufdecker des Skandals umgehend. So mancher Skandal an der Wall Street wurde nur aufgedeckt, weil sich Insider den Aufsichtsbehörden anvertrauten. Mark Roach, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi): „Nicht jeder Hinweis ist richtig und wichtig.“

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