FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016
276 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 bank & fonds I whistleblowing Foto: © Privat Interview mit Johannes Ludwig | Netzwerk Whistleblower „Der Vertrauensschutz ist das A und O“ Johannes Ludwig, Vorstand des Netzwerks Whistleblower aus Köln, über die neue Hotline der Bafin, den Informantenschutz und die Frage, was er von möglichen monetären Anreizen für Hinweisgeber hält. J ohannes Ludwig war bis zu seiner Pen- sionierung 2014 Professor an der Hoch- schule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, wo er Management und Medien- ökonomie lehrte. Er arbeitet ehrenamtlich als Vorstand für das Netzwerk Whistleblower, einen Verein, der Hinweisgeber vor, während und nach dem Whistleblowing unterstützt. Ziel ist außerdem, die Öffentlichkeit über die Materie aufzuklären und ein breites Bündnis zum Schutz und zur Förderung von Whistle- blowern zu bilden. Herr Ludwig, wie stehen Sie zur Einrichtung der neuen Whistleblower- Hotline? Begrüßen Sie die Initiative oder sehen Sie auch potenzielle Gefahren für die Banken oder die Mitarbeiter? Johannes Ludwig: Grundsätzlich begrüßen wir alle Regelungen, die potenziellen Whistle- blowern die Möglichkeit geben, auf Probleme, Missstände, Risiken oder ethisch fragwürdige oder gar illegale Praktiken hinzuweisen. Diese Möglichkeiten müssen aber so gestaltet sein, dass sich Whistleblower sicher sein können, dass sie dabei nicht zu Schaden kommen. Nur so funktioniert auch der vom Bundesverfas- sungsgericht immer wieder betonte Informan- tenschutz, der sich leider nur auf jene Whistle- blower bezieht, die sich an die Medien wen- den. Der Vertrauensschutz ist das Aund O des presserechtlichen Informantenschutzes. Und genauso müsste dies beim Whistleblowing gegenüber der Bafin funktionieren. Jedenfalls so lange, wie es nicht selbstverständlich ist, dass Kritik und Hinweise ernst genommen werden und Kritiker und Hinweisgeber dafür nicht sanktioniert werden. Dies ist eine Frage der Kritikkultur, die in Deutschland nicht besonders ausgeprägt ist. Wie schätzen Sie die Erfolgschancen der neuen Hotline ein? Rechnen Sie mit vie- len Hinweisen? Und glauben Sie, dass die Bafin es schafft, diese zielgerichtet zu verfolgen und Verstöße dementspre- chend zu ahnden? Der Erfolg der Bafin-Hotline bleibt abzuwar- ten. Bisher jedenfalls ist diese Aufsichtsbehör- de nicht sonderlich dadurch aufgefallen, Hin- weisen vonWhistleblowern nachzugehen oder die Hinweisgeber zu schützen. Dies zeigt auch das immer noch aktuelle Fallbeispiel Andrea Fuchs (Anm. d. Red.: Andrea Fuchs, Wertpa- pierhändlerin der DG Bank [jetzt DZ Bank], machte angebliche Verstöße ihres Arbeitge- bers gegen das Insiderrecht öffentlich) . In die- sem Fall hatte die Bafin zunächst im Sinne der Bank argumentiert. Die Einschätzung drehte sich erst, als die US-Aufsicht SEC ein- geschaltet wurde. Diese Behörde ist unabhän- gig von der Politik und mit Sanktionierungs- rechten ausgestattet. Ob sich die Bafin zu einem Tiger mit Zähnen entwickelt, wird sich zeigen. Wem sich Whistleblower anvertrauen, hängt eben auch mit der Vertrauenswürdigkeit zusammen, auf die ein Whistleblower absolut angewiesen ist. Wir denken, dass sich die Bafin diese erst noch erarbeiten muss. Laut Bafin soll die Anonymität des Hin- weisgebers grundsätzlich gewahrt wer- den. In einem Strafprozess können Ge- richte die Anonymität derWhistleblower jedoch aufheben. Können Sie jedem Bankmitarbeiter uneingeschränkt dazu raten, Verfehlungen seines Arbeitgebers der Bafin kundzutun? Welche arbeits- rechtlichen Konsequenzen könnten einem Mitarbeiter drohen? Das ist genau das Problem: Wenn es zu Straf- verfahren kommt, hat die Verteidigung der be- schuldigten Bank das Recht auf Akteneinsicht. Journalisten ist es nach der neueren Recht- sprechung gestattet, dass sie ihre Quellen und Informanten dann nicht offenlegen müssen, wenn für diese eine Gefahr droht. In diesen Fällen müssen Journalisten – noch plausibler als zuvor – dem Gericht glaubwürdig den durch die Quelle vermittelten fraglichen Sach- verhalt darlegen. Wir würden bei größeren Verstößen, bei denen ein entsprechendes In- teresse der Öffentlichkeit unterstellt werden kann, empfehlen, diese über einschlägige Medien zu kommunizieren. Und über diesen Umweg dann auch an die zuständigen Behör- den. Dieser Weg hat auch den Vorteil, dass durch die öffentliche Information der Druck auf die Behörde größer wird, zu handeln. Arbeitsrechtlich gesehen kann dem Whistle- blower alles passieren: von Ausgrenzung und Kaltstellen angefangen über Mobbing bis hin zur Kündigung – gegebenenfalls auch eine Strafanzeige. In der Folge verliert der Whistle- blower sein Einkommen, weil er in der Bran- che „verbrannt“ ist. In den USA werden Bankmitarbeiter mit viel Geld motiviert, Verstöße ihres Arbeitgebers anzuzeigen. Wie stehen Sie zu Geldzahlungen an Hinweisgeber? Wir sehen das Problem, dass nicht jeder Whistleblower genug Geld oder einen ausrei- chend hohen Schadensausgleich erhält, mit dem er – beispielsweise nach einer Kündi- gung – sein Einkommen weiterhin absichern oder notwendige Kündigungsschutzprozesse führen beziehungsweise Schadenersatzansprü- che durchsetzen kann. Deswegen würden wir für einen Fonds plädieren, in den solche Gel- der eingespeist werden. Der könnte dann die Mittel individuell nach Bedürftigkeit oder Dringlichkeit vergeben. MARCUS HIPPLER | FP Johannes Ludwig, Netzwerk Whistleblower: „Whistleblower gehen häufig ein hohes Risiko ein.“
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