FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

329 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 „Um die POG-Leitlinien richtig einzuord- nen, muss man sich erst einmal klarmachen, dass sie für eine Vielzahl von Produkten gelten“, erklärt Thomas Meyer, Experte für Regulierungsfragen bei Capco, einem auf die Finanzbranche spezialisierten Beratungshaus. Unter POG fallen unter anderem alle Bank- produkte, mit denen Kunden sparen können. „Damit erstrecken sie sich auf das gesamte Einlagengeschäft, auf jeden Sparplan, sogar auf Bausparverträge“, sagt Meyer. Zudem gelten die Leitlinien für alle Kredit- formen vom einfachen Dispo bis zum Hypo- thekendarlehen. Und nicht zuletzt sind der gesamte Zahlungsverkehr und alle damit ver- bundenen Dienstleistungen betroffen, also Konten, Überweisungsträger, EC- und Kredit- karten sowie Banking-Apps. „Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Finanzinstitut die Produkte im eigenen Namen vertreibt oder nur vermittelt“, erläutert Meyer. Betroffen sind neue Produkte, die nach der Einführung der POG-Leitlinien herausgebracht werden, sowie Instrumente, die bereits am Markt sind, sich aber stark verändert haben. „In dynamischen Märkten könnten damit früher oder später alle Bankprodukte erfasst sein“, so Enders. Teuflische Details Die Anbieter sind künftig verpflichtet – genau wie etwa Fondsgesellschaften –, Ziel- märkte zu definieren. Sie müssen also sicher- stellen, dass die Merkmale, Risiken und Kosten eines Instruments zu den Interessen, Zielen und Eigenschaften einer bestimmten Kundengruppe passen. Das mag bei Bankprodukten einfacher sein als im Investmentbereich. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail. „Man muss ja nur einmal an Apps denken“, sagt Rolf En- ders, der bei Capco ebenfalls für Regulierung verantwortlich ist. In der Tat stellt sich die Frage, ob solche mobilen Anwendungen an Kunden oberhalb einer gewissen Altersgrenze künftig überhaupt noch vertrieben werden dürfen. „Viel diskutiert sind auch Bausparver- träge“, weiß Enders. Der Grund: Es ist frag- lich, ob die Sparprodukte auch in Zukunft noch an Kunden vermittelt werden dürfen, bei denen klar ist, dass sie in diesem Leben nicht mehr bauen werden. Zielmarkt allein reicht nicht „Nun ist es mit der Definition von Ziel- märkten aber nicht getan“, sagt Jurist Wintzer. Die Finanzinstitute haben zudem sicherzu- stellen, dass sich ein neues Produkt in die be- stehende Palette gut einfügt. Und sie müssen darauf achten, dass das Angebot in einem bestimmten Segment nicht zu groß wird. Zu viele Varianten könnten die Klientel schließ- lich daran hindern, die richtige Entscheidung zu treffen. „Damit jedes Instrument auch beim passenden Kunden landet, sind die Produkt- hersteller außerdem dazu verpflichtet, geeig- nete Vertriebskanäle zu wählen“, erklärt Wint- zer. Sofern Kredite, Sparprodukte, Karten oder Apps innerhalb der bankeigenen Ver- triebsstrukturen verkauft werden, ist das keine größere Schwierigkeit. Bei freien Vermittlern sieht es jedoch schon anders aus. „Es ist doch überhaupt nicht möglich, die Fähigkeiten und Kenntnisse jedes Einzelnen zu prüfen“, sagt der Jurist. Und damit nicht genug: Ebenso wie die Product-Governance-Regelungen von Mifid II sehen auch die EBA-Leitlinien nicht nur für die Produkthersteller, sondern auch für die Vermittler Pflichten vor. „Banken, Sparkassen oder auch Kreditkartenfirmen müssen ihnen alle Informationen zu dem für ein Produkt vorgesehenen Zielmarkt zur Verfügung stel- len, in diesen Grenzen müssen sie sich dann bewegen“, erklärt Experte Enders. Verkäufe außerhalb des Zielmarktes sind nur in begrün- deten Ausnahmefällen zugelassen. Sie müssen dokumentiert und dem Produkthersteller mit- geteilt werden. Auch das mag relativ leicht zu handhaben sein, solange es um die angestellten Vertrieb- ler eines Produktherstellers geht. „Nun muss man aber bedenken, dass zum Beispiel Kre- ditkarten auch im Einzelhandel oder sogar vomADAC vermittelt werden“, sagt Enders. Da stellt sich die Frage, ob Vermittler, die ni- wie die Emittenten der Karten überprüfen sol- len, ob jeder ADAC-Mitarbeiter im Zielmarkt bleibt. „Und auch für die Vertreiber selbst ist es schwierig, ständig zu dokumentieren, wel- ches Produkt möglicherweise nicht ganz in den festgesteckten Grenzen verkauft wurde. Offene Systeme „An all diesen Beispielen wird deutlich, dass auf die Finanzinstitute ein erheblicher Aufwand zukommt“, sagt Regulierungsexper- te Meyer. Die IT-Systeme für den künftigen Informationsfluss zwischen Hersteller und Vermittlern aufzubauen sei sicher ebenso auf- wendig wie in den Vertriebsketten zwischen Kapitalverwaltungsgesellschaften und Finanz- anlagenvermittlern. Außerdem sind die Sys- teme offen. „Ein von der Bafin regulierter Fondsvertreiber braucht beispielsweise nur ein Konto mit passender App für einen Kunden zu eröffnen, schon muss auch der darauf achten, ob er im richtigen Zielmarkt arbeitet.“ „Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Finanzinstitute jedes neue Produkt in vie- len Szenarien testen müssen, wofür sie ver- mutlich noch nicht einmal die passenden IT- Systeme haben, dann ist das alles in allem eine Menge Arbeit“, findet auch Rechtsexper- te Wintzer. Zwar sind Banken und Sparkassen auch jetzt schon dazu verpflichtet, im Neupro- duktprozess Risiken zu analysieren. Bislang müssen sie aber nur die möglichen Auswir- kungen auf das eigene Institut prognostizieren, nicht die Folgen für den Verbraucher. Sebastian Wintzer, Waigel Rechtsanwälte: „Auf die Institute kommt alles in allem viel Arbeit zu.“ Rolf Enders, Capco: „Wir haben festgestellt, dass die meisten Institute noch nicht vorbereitet sind.“

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