FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

330 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 Angesichts der zahlreichen Anforderungen, die die Finanzinstitute in nicht allzu ferner Zeit erfüllen müssen, erstaunt die allgemeine Gelassenheit. „Nun ist es natürlich so, dass die Umsetzung von EU-Leitlinien mitunter keine so hohe Aufmerksamkeit erfährt wie die einer Richtlinie wie Mifid II“, erläutert Anwalt Wintzer. Eine Richtlinie muss bis zu einem verbindlichen Datum in einem aufwendigen Gesetzgebungsprozess in nationales Recht überführt werden. Bei Leitlinien ist das Ver- fahren lockerer. So ist in den zwölf POG-Guidelines unter Punkt 3 „Umsetzungsfrist“ zwar klar der 1. Januar 2017 genannt. „Dieser Termin ist aber lediglich eine Empfehlung“, heißt es bei der Bafin. Die Aufsicht habe der EBA erklärt, sie werde die Guidelines umsetzen. Der Um- setzungsprozess dauere in Deutschland aber länger als in manchen anderen Staaten, die solche Guidelines einfach für gültig erklärten, sich dann aber nicht weiter darum kümmer- ten. Die Finanzinstitute könnten davon aus- gehen, dass die POG-Regeln ab Mitte kom- menden Jahres gelten werden. Kaum Vorbereitung So warten sie in Ruhe ab. „Wir haben ge- meinsam mit den übrigen Verbänden der Deutschen Kreditwirtschaft zu den Guidelines Stellung genommen“, erklärt der etwa DSGV. Das meiste werde in Deutschland ohnehin schon berücksichtigt. „Ich glaube aber, dass die Institute durch ihr Abwarten unter Zeit- druck in der Umsetzung kommen könnten“, sagt Enders. „Wir haben 2016 in Deutschland und Österreich über 140 Banken und Finanzdienstleister gefragt, inwieweit sie zu diesem Zeitpunkt auf POG vorbereitet wa- ren“, berichtet er. Das ernüchternde Ergebnis: Die große Mehrzahl der Institute scheint noch nicht POG-konform aufgestellt zu sein. Auch Anstrengungen, die neuen Leitlinien umzu- setzen haben noch nicht alle Institute unter- nommen. „Das ist aus irgendeinem Grund wie eine vergessene Regulierung“, sagt Meyer. In der Tat, denn andernfalls würde die Frage nach Product Governance für Bankprodukte bei den Kreditinstituten nicht so viel Verwirrung stiften. ANDREA MARTENS | FP steuer & recht I produktüberwachungspflichten Neue Regeln für Bankprodukte: Zwölf Leitlinien –– L E I T L I N I E 1 –– Einrichtung, Verhältnismäßigkeit, Überprüfung und Dokumentation (Produkthersteller) Die Produkthersteller müssen Regelungen für eine Überwachung von Finanzprodukten erarbeiten und sie in der Praxis anwenden. Ziel des Regelwerks ist es, bei der Konzeption und Markteinführung von Produk- ten sicherzustellen, dass den Interessen, Zielen und Eigenschaften von Verbrauchern Rechnung getragen wird. Die Institute müssen die Vorgaben regelmäßig überprüfen, aktualisieren und dokumentieren. –– L E I T L I N I E 2 –– Interne Kontrollfunktionen des Produktherstellers Das Leitungsorgan des Produktherstellers muss die Regelungen sowie eventuelle Anpassungen genehmi- gen. Die operative Geschäftsleitung ist für die laufende Einhaltung der Vorgaben verantwortlich. Sie muss regelmäßig überprüfen, ob die Vorgaben noch aktuell sind. Die Geschäftsleitung hat dafür Sorge zu tragen, dass den Mitarbeitern, die an der Produktkonzeption mitwirken, alle Regeln bekannt sind. –– L E I T L I N I E 3 –– Zielmarkt Die Produkthersteller haben für jedes Finanzprodukt einen Zielmarkt zu definieren. Die Merkmale, Kosten und Risiken eines Produkts müssen den Interessen, Zielen und Eigenschaften eines Zielmarktes entspre- chen. Produkthersteller haben zu prüfen, ob sich ein neues Finanzprodukt in die bestehende Palette einfügt. Sie prüfen auch, ob nicht eine zu große Anzahl von Produktvarianten den Verbraucher daran hindert, eine fundierte Entscheidung zu treffen. –– L E I T L I N I E 4 –– Produkttests Vor der Markteinführung eines Finanzprodukts, dem Verkauf eines bestehenden Produkts auf einem neuen Zielmarkt oder bei einer erheblichen Veränderung eines bestehenden Instruments muss der Hersteller Produkt- tests durchführen. So soll er bewerten, wie sich das Produkt in vielen unterschiedlichen Szenarien ein- schließlich Stressszenarien auf die Verbraucher aus- wirken würde. –– L E I T L I N I E 5 –– Produktüberwachung Nach der Markteinführung muss der Hersteller ein Produkt regelmäßig überwachen. –– L E I T L I N I E 6 –– Abhilfemaßnahmen Stellt der Hersteller ein Problem mit dem In- strument fest, muss er Gegenmaßnahmen ergreifen, um den Schaden zu begrenzen und erneuten Schaden zu verhindern. Der Produktvertreiber muss unverzüglich über alle Maßnahmen informiert werden. –– L E I T L I N I E 7 –– Vertriebskanäle Der Produkthersteller muss Vertriebskanäle auswählen, die für den betreffenden Zielmarkt geeignet sind. Er hat zu überwachen, dass die Produkte im festgelegten Zielmarkt vertrieben und nur in begründeten Fällen außerhalb dieses Marktes ver- kauft werden. –– L E I T L I N I E 8 –– Informationen für die Produktvertreiber Der Produkthersteller muss dem Vertreiber eine Be- schreibung der wichtigsten Merkmale des Produkts zur Verfügung stellen. Dazu zählen Risiken und mög- liche Einschränkungen sowie der Gesamtpreis ein- schließlich aller Gebühren, Kosten und Abgaben. Der Produkthersteller stellt sicher, dass die Informationen für den Vertreiber alle Einzelheiten enthalten, die ihn in die Lage versetzen, das Produkt zu verstehen und in den richtigen Zielmarkt einzuführen. –– L E I T L I N I E 9 –– Einrichtung, Verhältnismäßigkeit, Überprüfung und Dokumentation (Produktvertreiber) Der Produktvertreiber muss für eine wirksame Pro- duktüberwachung Regelungen erarbeiten, umsetzen und überprüfen. Diese sollen speziell auf seine Größe sowie auf seine Aufgabe der Markteinführung des Produkts zugeschnitten sein. Die Regelungen müssen sicherstellen, dass den Interessen, Zielen und Eigenschaften von Verbrau- chern entsprochen wird. Der Vertreiber muss die Vorgaben regelmäßig überprüfen und aktualisieren. Alle diese Maßnahmen müssen dokumentiert werden. –– L E I T L I N I E 1 0 – Governance der Produktvertreiber Der Produktvertreiber muss sicherstellen, dass die Regelungen für die Produktüber- wachung in seine allgemeinen Verfahren und Kontrollen integriert werden. –– L E I T L I N I E 1 1 – Kenntnis des Zielmarkts Der Produktvertreiber muss die Informationen des Produktherstellers nutzen. Er muss über Kennt- nisse und die Fähigkeit verfügen, feststellen zu kön- nen, ob ein Verbraucher zum Zielmarkt gehört. –– L E I T L I N I E 1 2 –– Informationen und Unterstützung für die Regelungen des Produktherstellers Der Produktvertreiber hat die Informationen des Produktherstellers zu berücksichtigen und dem Ver- braucher zur Verfügung zu stellen. Er darf Produkte nur in begründeten Fällen außerhalb des Zielmarktes verkaufen. Stellt er fest, dass Produktmerkmale, -informationen oder der Zielmarkt Probleme bereiten, hat er den Hersteller zu informieren. Quelle: Leitlinien der EBA (gekürzt)

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=