FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

nach der Finanzkrise wurde der chinesi- sche Konsument eine Zeitlang als so etwas wie der Retter der Welt gefeiert. Das hat den chinesischen Markt streckenweise weiter nach oben getragen, bevor dann im vorigen Jahr die Ernüchterung über einen stärkeren Rück- gang des Wachstums einsetzte mit entspre- chend hohen Schwankungen der dortigen Aktienmärkte. Inzwischen hat sich die Situa- tion wieder etwas beruhigt, auch weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass ein stabiles Wachstum Chinas in einer Größenordnung von fünf oder sechs Prozent besser für Märkte und Anleger ist als ein unstabiles Wachstum bei acht Prozent. Das hat zu einer Umorien- tierung bei den Erwartungen der Marktteil- nehmer geführt, die ich als realistisch bezeich- nen würde. Heuser: Gehen Sie von einer Stabilisierung der dortigen Aktienmärkte aus? Sheikh: China wird auch künftig so etwas wie ein Closed Shop bleiben. Die Regierung wird von Zeit zu Zeit immer wieder bestimmte Maßnahmen zur Stabilisierung der eigenen Wirtschaft treffen, die dann aber nach einer gewissen Zeit auch wieder heruntergefahren werden. Entsprechend werden die dortigen Märkte auch künftig eine vergleichsweise hohe Volatilität aufweisen. Aber darauf sind wir vorbereitet. Heuser: Wie sieht das konkret aus? Sheikh: Zuletzt bereiteten uns die Abwertung des Renminbi und die nach wie vor anhalten- de Kapitalflucht aus China Sorgen, auch wenn diese nicht mehr so stark ist wie noch im vergangenen Jahr. Wir haben uns darauf ein- gestellt, indem wir weiterhin bullish für den US-Dollar bleiben und gleichzeitig Short-Po- sitionen im koreanischen Won, im japanischen Yen und im australischen Dollar halten. Denn diese Länder würden am ehesten unter einer erneuten Schwäche in China zu leiden haben. Heuser: Sie setzen zudem, anders als viele andere Marktbeobachter, immer noch darauf, dass es nicht so schnell zu einem starken Anstieg der Inflation in der Welt kommen wird. Warum? Sheikh: Viele Marktteilnehmer neigen dazu, bestimmte Entwicklungen sozusagen zu ex- trapolieren. Die Befürchtung eines massiven Inflationsanstiegs ist ein gutes Beispiel dafür. Dahinter steht die Befürchtung, dass insbe- sondere die amerikanische Zentralbank der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung stets hinterherhinkt und deshalb viel zu viel Geld gedruckt hat, unter anderem indem sie die Zinsen zu lang auf dem derzeitigen Ni- veau belassen hat. Natürlich ist, insbesondere in den USA, ein leichter Anstieg bei der In- flation zu beobachten, und es ist durchaus wahrscheinlich, dass die amerikanische No- tenbank deshalb im Dezember einen ersten Zinsanhebungsschritt unternehmen wird. Aber wir sind davon überzeugt, dass die derzeit nicht nur in den Medien spürbare Aufregung in Bezug auf dieses Thema aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation früher oder später wieder verblassen wird. Deshalb wer- den wir unsere Fonds auch künftig nicht auf einen massiven Anstieg der Inflation ausrich- ten, sondern uns bewusst auf die andere Seite stellen. Moeller: Die Frage nach der maximalen Kapazität hinsichtlich des Gesamtvolu- mens eines Fonds wird in letzter Zeit wieder vermehrt diskutiert. Beschäftigt auch Sie das Thema im Zusammenhang mit dem Global Macro Opportunities? Sheikh: Ganz allgemein, und das soll kei- neswegs arrogant klingen, würde ich schon behaupten, dass J.P. Morgan Asset Manage- ment insgesamt beim Thema Fondskapazi- tätsmanagement ein Vorreiter ist. Wir haben schon vor langer Zeit als einer der Ersten in der Branche ein differenziertes und abge- stuftes System zum Thema Soft und Hard Closing von Fonds entwickelt und installiert. Konkret auf den Global Macro Opportuni- ties bezogen sind wir von der Notwendigkeit einer Schließung allerdings noch sehr weit entfernt. Moeller: Was macht Sie so sicher? Sheikh: Ich würde es so ausdrücken: Sollten wir irgendwann an einen Punkt kommen, dass der Fonds nur noch zu einer Art Sammelma- schine für neu zufließende Assets zu werden droht, statt seiner Rolle eines Alpha-Genera- tors gerecht zu werden, dann würden wir uns konsequent und früh genug vom Markt zu- 76 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 markt & strategie I fondsmanager im kreuzverhör » Wie werden unsere Fonds auch künftig nicht auf einen massiven Anstieg der Inflation ausrichten, sondern uns bewusst auf die andere Seite stellen. « Talib Sheikh, J.P. Morgan AM KREUZ VERHÖR Alle Fotos: © Sarah Weal Talib Sheikh: „Ein stabiles Wachstum Chinas von fünf oder sechs Prozent ist besser für Märkte und Anleger als ein unstabiles bei acht Prozent.“ Jake Moeller, Thomson Reuters Lipper Hans Heuser, FONDS professionell

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