FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2017
288 www.fondsprofessionell.de | 3/2017 bank & fonds I retailbanking Foto: © Fotolia | Antonioguillem V or zehn Jahren brach ein von faulen US-Hypothekenkrediten entfachter Sturm los. Die Turbulenzen erfassten die Finanzwelt und rissen schließlich fast die Weltwirtschaft in den Abgrund. In den Jahren danach trugen Geldhäuser die Trümmer des von ihnen geschürten Sturms Schritt für Schritt ab. Auch heute noch ringt die Branche mit den Folgen dieses Tsunamis. Zugleich verändern sich die Wünsche der Kunden. Dies stellt die Institute vor immer neue Aufgaben, die sie bewältigen müssen. Die Branche ist im Umbruch begriffen. Die Aufräumarbeiten nach dem Leh- man-Crash führten dazu, dass Geldhäuser ihr Kreditgeschäft mit dem Ausland dras- tisch zurückfuhren. Viele Institute besinnen sich auf ihren Heimatmarkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des McKinsey Global Institute. Demnach sind weltweit die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse seit dem Höchststand 2007 von 12,4 Bil- lionen Dollar um 65 Prozent eingebrochen. Die Denkfabrik der gleichnamigen Unter- nehmensberatung untersuchte die Kapital- ströme von 100 Ländern. „Die Banken ziehen sich aus Ländern und Märkten zurück, auf denen ihnen die Größe oder das Alleinstellungsmerkmal fehlen“, sagt Eckart Windhagen, Seniorpartner bei McKin- sey und Koautor der Studie. Mehr als die Hälfte der Korrektur entfalle auf Interbank- kredite und Schuldverschreibungen vor allem in der Eurozone. Diese waren vor der Krise exzessiv gewachsen. „Es wurde sozusagen der Reset-Knopf gedrückt“, erläutert Wind- hagen. „Dieser Prozess ist noch nicht abge- schlossen.“ Bei vielen Großbanken ist dage- gen das einst belächelte Privatkundengeschäft zu einer wichtigen Ertragssäule herangewach- sen. Auch wenn die Finanzinstitute ihr Aus- landsgeschäft stark zurückfahren, bleiben die globalen Finanzmärkte aber eng miteinander verwoben, schränken die Experten ein. Ein weiterer Auswuchs der Finanzkrise, der anhaltend das Geschäft der Banken belastet, ist die Nullzinspolitik der Notenbanken. „Die europäischen Banken haben immer noch stark mit dem Niedrigzinsumfeld zu kämpfen. Ent- sprechend belastet ist ihre Performance“, sagt Mischa Koller, Manager für Financial Ser- vices bei A.T. Kearney. Die Unternehmens- berater untersuchen seit 2007 jedes Jahr die Leistungsfähigkeit von 100 Privatkunden- instituten in 22 europäischen Ländern. Ernüchternde Bilanz Das Ergebnis fällt ernüchternd aus. Euro- paweit verbucht die Branche erstmals seit 2011 einen Ertragsrückgang. „Obwohl das Einlagen- und das Kreditvolumen weiter ge- wachsen sind, konnte dies den anhaltenden Margenverfall nicht kompensieren“, erläutert Koller. „Erschwerend kommt in Ländern wie Italien und Portugal die Vorsorge für faule Kredite hinzu.“ Trotz des insgesamt positiven wirtschaftlichen Umfelds bleibt das europäi- sche Privatkundensegment weiterhin stark un- ter Druck. Aufgrund der niedrigen Zinsmarge sank der durchschnittliche jährliche Ertrag pro Kunde um drei Prozent auf 633 Euro. Besonders düster sieht es in Deutschland aus. Hier liege der Ertrag mit 153 Euro Ge- winn pro Kunde weit unter dem europäi- schen Schnitt. „Die deutschen Privatkun- denbanken haben immer noch nicht ausrei- chend die Gelegenheit einer strukturellen Bereinigung genutzt“, mahnt der A.T.- Kearney-Consultant. Die Achillesferse der deutschen Retailbanken seien zu hohe Kos- ten. Mit Blick auf das Verhältnis von Auf- wand zu Ertrag stehen sie mittlerweile auf dem schlechtesten Platz. Die deutschen Geldhäuser hätten zuletzt zwar den Filial- abbau vorangetrieben, doch andere euro- päische Banken, beispielsweise in Großbri- Bankkunden erledigen ihre Geschäfte immer häufiger online, auch in Deutschland. Die Institute müssen sich darauf einstellen – und ihre Ertragsmodelle anpassen. Digitaler Fluch und Segen Geldgeschäfte per Smartphone: Deutsche Bankkunden gelten zwar nicht als die Speerspitze der Digitalisierung, doch einer Umfrage zufolge nutzen immerhin 50 Prozent ausschließlich Online-Angebote. Abschied von der Filiale Wie Privatkunden weltweit Finanzgeschäfte abwickeln Das Geldhaus vor Ort verliert als Anlaufstelle für Bankgeschäfte rapide an Bedeutung. Quelle: BCG Retailbanking-Umfrage 2017 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 2017 2015 Online 43 % Beides 43 % Filiale | 14 % Online 28 % Beides 37 % Filiale 35 %
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