FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2017

290 www.fondsprofessionell.de | 3/2017 tannien, seien effektiver. Eine Ausnahme- erscheinung im deutschsprachigen Raum sei die ING-Diba. Sie fällt durch eine überdurch- schnittliche Performance beim Ertrag pro Kunde auf. Als Gründe nennt Koller ein wachsendes Geschäftsvolumen, steigende Erträge im Depotgeschäft sowie die Vernet- zung mit dem Firmenkundenbereich. Die wegbrechenden Zinseinnahmen versu- chen die Banken an anderer Stelle wieder ein- zunehmen: durch Gebühren. So will fast ein Drittel der deutschen Geldhäuser noch in die- sem Jahr die Gebühren für Privatkunden erhö- hen – oder hat dies bereits getan. Dies zeigt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) unter 120 Instituten. Im Fokus stehe dabei das Girokonto, das bei 27 Prozent der Banken teurer wird. Für Claus-Peter Wagner, Mana- ging Partner Financial Services bei EY, führt kein Weg daran vorbei, dass die Banken über neue Ertragsquellen nachdenken und etwa Gebühren für Dienstleistungen verlangen, die für die Kunden bislang kostenlos waren. Gebühren ohne Gegenleistung Dem stimmen nicht alle Beobachter zu. „Der Griff zur Kostenschraube scheint eine vermeintlich schnelle und einfache Lösung zu sein“, wettert Robin Buschmann, Gründer und Geschäftsführer der Banking-Plattform Giro- match. „Aus Kundensicht ist dies besonders ärgerlich, da dem meist keine Verbesserung des Angebots gegenübersteht. Gebührenex- zesse können nicht die Lösung sein.“ Er ver- weist auf die Einsparpotenziale, die eine Automatisierung der Prozesse eröffne. „Dies senkt Kosten und bietet auch dem Kunden einen Mehrwert“, argumentiert Buschmann. Tatsächlich zählt die Digitalisierung zu den größten Herausforderungen, mit denen sich die Finanzwirtschaft konfrontiert sieht. Die Entwicklung gewann in den vergangenen Jah- ren an Fahrt. So wickelten 2015 weltweit nur 28 Prozent der Kunden ihre Finanzgeschäfte rein online ab. Bloß zwei Jahre später waren es schon 43 Prozent, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Die Experten haben weltweit 42.000 Privatkunden befragt. Ein Ergebnis er- staunt dabei besonders: Auch die angeblich so filialverliebten Deutschen öffnen sich digitalen Kanälen. Nur noch 13 Prozent der deutschen Bankkunden erledigen ihre Finanzgeschäfte ausschließlich in der Bank vor Ort. Die Hälfte nutzt ausschließlich Onlineangebote. Immer- hin 37 Prozent greifen auf beide Wege zurück. Die meisten Banken hätten zwar auf diese Entwicklung reagiert und ihre digitalen Ange- bote optimiert, berichten die BCG-Experten. Viele Institute schöpfen aber das Potenzial der Digitalisierung bei Weitem noch nicht aus. Insbesondere Deutschland hinke hinterher. „Deutsche Retailbanken verschlafen derzeit noch zu viele Chancen der Digitalisierung“, sagt Holger Sachse, Partner und BCG-Experte für Finanzdienstleister. Die Branche sei in einer Transformation begriffen. Am Ende ste- he das Zusammenspiel von persönlicher Be- ratung und digitalen Produkten und Dienst- leistungen. „Abwarten ist keine Option“, warnt Sachse. „Gerade in entwickelten Ländern müssen Retailbanken jetzt handeln und mas- siv in den Ausbau einer intelligenten Mensch- Maschine-Interaktion investieren.“ Dies sei entscheidend für den langfristigen Erfolg. Tragfähiges Geschäft gesucht Letztlich gehe es für die Branche darum, ein dauerhaft tragfähiges Geschäftsmodell zu finden, ergänzt Dirk Müller-Tronnier, Leiter Banking & Capital Markets bei EY. „Früher war es möglich, mit hohen Zinseinnahmen andere Dienstleistungen querzusubventionie- ren – das geht im aktuellen Niedrigzinsumfeld nicht mehr.“ Andere Ertragsquellen seien ver- siegt. „Andererseits bieten sich erhebliche Einsparpotenziale, mit denen die Banken ihre Ertragskraft steigern können, da sowohl der Kundenkontakt als auch Verwaltungstätig- keiten immer stärker auf digitalem Weg ab- laufen“, fasst Müller-Tronnier zusammen. Unterm Strich haben die Banken große Aufgaben zu bewältigen. „Da sie kaum Spiel- raum auf der Zinsseite haben, gilt die Devise: Provisionserlöse um fast 30 Prozent steigern und die Kosten um nahezu 20 Prozent senken, um eine Aufwands-Ertrags-Quote von 60 Pro- zent zu erzielen“, resümiert A.T.-Kearney- Experte Koller. Dabei darf aber kein weiterer Sturm die Bemühungen der Branche zunich- temachen. SEBASTIAN ERTINGER | FP bank & fonds I retailbanking Foto: © PR | McKinsey Eckart Windhagen, McKinsey: „Die Banken drückten bei Krediten sozusagen den Reset-Knopf.“ Seltener Besuch Wie deutsche Privatkunden Finanzgeschäfte abwickeln Die angeblich so filialverliebten Deutschen nutzen tatsächlich recht häufig digitale Angebote. Quelle: BCG Retailbanking-Umfrage 2017 Filiale 13 % Beides 37 % Online 50 % Deutsche Institute als Kosten-Spitzenreiter Aufwands-Ertrags-Quote (Cost-Income Ratio) europäischer Banken 2016 Beim Verhältnis von Kosten zu Ertrag schneiden die Geldinstitute aus Deutschland und Österreich besonders schwach ab. * Tschechien, Ungarn, Slowakei und Slowenien | Quelle: A.T. Kearney 2017 Retail Banking Radar 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % Türkei Skandinavien Spanien Zentraleuropa* Schweiz Großbritannien Italien Frankreich Österreich Deutschland M 70 % 70 % 69 % 67 % 63 % 61 % 55 % 55 % 49 % 46 %

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