FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2017
D er Aufdruck „Made in Germany“, das deutsche oder das europäische Zeichen für Bioqualität: All diese Siegel sollen eine bestimmte Güte verbürgen. Doch ob die Qualität der Produkte dem Siegel wirklich gerecht wird und wer dies nach welchen Methoden prüft, ist für den Verbraucher kaum nachzuvollziehen. Ähnlich ist es mit den Solvenzquoten der Versicherer, die die Finanzaufsicht Bafin in diesem Jahr zum ersten Mal veröffentlicht hat. Die Ermittlung und Veröffentlichung der neuen Solvenzquoten bildet die erste Säule der EU-Richtlinie Solvency II, die die europäische Versicherungsaufsicht grundlegend reformiert hat. Die Richt- linie sieht verfeinerte Solvabilitätsvor- schriften für die Eigenmittelausstattung von Versicherern sowie erweiterte Publi- kationspflichten vor. Stichtag 31. Dezember 2016 Solvency II ist zum 1. Januar 2016 in das nationale Recht der EU-Mitglieds- staaten umgesetzt worden und in Kraft getreten. Zum Stichtag 31. Dezember 2016 waren alle Versicherungsunterneh- men erstmals aufgefordert, ihre Solvenz- quote zu errechnen und der Finanzaufsicht Bafin zu melden. Am 22. Mai gaben die Bonner Aufseher sie dann bekannt – kein einfacher Tag für die sonst eher verschwie- gene Assekuranz. Ziel der neuen Kennzahlen, die fachlich korrekt Solvabilitäts- oder Bedeckungsquoten heißen, ist es, Marktteilnehmern mehr Auf- schluss über die Finanzkraft von Versicherern zu geben und sie hinsichtlich ihrer Stabilität vergleichbarer zu machen. Doch weil die Unternehmen bei der Ermittlung ihrer Kri- senfestigkeit zum Teil unterschiedliche Modelle verwenden, manche zudem be- stimmte Übergangsmaßnahmen nutzen und andere nicht, ist es mit der Aussa- gekraft der neuen Solvenzquoten nicht allzu weit her. Versicherungsmakler sollten trotzdem wissen, was die Quo- ten bedeuten. „Um zu verstehen, wofür die Be- deckungsquoten nach Solvency II genau stehen, ist es gut, sich anzu- schauen, wie sie eigentlich errechnet werden“, sagt Michael Thiemer- mann, Leiter der Fachhochschule der Wirtschaft in Marburg und Ge- schäftsführer des Kölner Kivi-Insti- tuts. Das Institut analysiert Daten aus der Versicherungswirtschaft. „In einem ersten Schritt ermitteln die Versi- cherer in einer ökonomischen Bilanz ihre Eigenmittel“, erklärt Thiemermann. Dafür ist zunächst die Summe der Vermögens- werte zu errechnen. Das zählt zum Vermögen Diese bestehen in erster Linie aus den Kapitalanlagen, bei Lebensversicherern vor allem aus sicheren Zinspapieren wie langlaufenden Staatsanleihen. Hinzu kommen Aktien- und Immobilienbe- stände. Nachrangdarlehen, die nicht zum harten Eigenkapital zählen, können je nach Vertragsgestaltung zu 15 Pro- zent in die Vermögenswerte eingerech- net werden. Auch freie Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen und Über- schüsse, an denen der Kunde nicht oder nur prozentual beteiligt werden muss, dürfen dort einfließen. Im zweiten Schritt werden von den Vermögenswerten die Verbindlichkei- 312 www.fondsprofessionell.de | 3/2017 fonds & versicherung I solvenzquoten Foto: © Fotolia | electriceye, KIVE; Assekurata Umstrittenes Qualitätssiegel Gütesiegel bescheinigen den Produkten, auf denen sie prangen, eine bestimmte Qualität. Ob die Produkte diese wirklich aufweisen, ist kaum zu überprüfen. Auch die neuen Solvenz- quoten der Versicherer sind für Vermittler nur schwer nachvollziehbar. Das gilt umso mehr, als für die Ermittlung ganz unterschied- liche Methoden verwendet werden dürfen. So kommen Versicherer zu ihren Quoten Kapitalanforderungen unter Solvency II Quelle: GDV Versicherer müssen seit Dezember 2016 ihre Solvenzquoten ermitteln, die Bafin veröffentlicht die neuen Kennzahlen zur Finanzkraft. Aber: Sehr nützlich sind sie nicht. Bedeckungs- Aktiva Passiva quote Mindestkapitalanforderung (MCR) Freie Eigenmittel Solvenzkapitalanforderung (SCR) In Risikoszenarien wird ermittelt, wie viele Eigenmittel vorhanden sein müssen, um einzelne extre- me Krisen zu überstehen. Daraus ergibt sich SCR. Die Relation aus vorhandenen Eigenmitteln und SCR ist die Bedeckungsquote. > 100 % 100 % < 100 % Sonstige Risiken (z.B. operationelle Risiken) Marktrisiken (z.B. Aktienrisiko) Zinsrisiken, versiche- rungstech- nische Risi- ken (z.B. Sterblichkeit) Vermögens- werte Eigenmittel Errechnete risikobasierte Kapitalanforderung Versi- cherungs- technische Rück- stellungen
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