FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2017

Foto: © VDVM 314 www.fondsprofessionell.de | 3/2017 Solvency II mindestens 25 Prozent der SCR betragen. „Wird die Solvenzkapitalanforde- rung dann in Relation zu den errech- neten Eigenmitteln gesetzt, ergibt sich die Solvenzquote“, sagt Versicherungs- experte Thiemermann. Liegt sie bei 100 Prozent, würde der Versicherer eine Megakrise gerade noch überste- hen. Übersteigen seine Eigenmittel die SCR, fällt die Quote höher aus. Nun könnte vermutet werden, dass ein Unternehmen grundsätzlich umso sta- biler aufgestellt ist, je höher seine Bedeckungsquote liegt. Doch ganz so einfach ist die Sache leider nicht. Ausreichend versorgt Zwar hat die Bafin nach einer ersten Prüfung der Quoten allen 84 Versiche- rern in Deutschland offiziell bestätigt, dass sie zum Stichtag 31. Dezember 2016 ausreichend mit Eigenmitteln versorgt waren. Kein einziges Unter- nehmen lag unter 100 Prozent, keines näherte sich auch nur dieser Marke. Das Problem dabei ist aber, dass sich die Finanzaufsicht mit ihrer positiven Aussage allein auf die Solvenzquoten bezog, die die Versicherer selbst aus- gewiesen hatten. Diese aber können auf vielfältige Weise kosmetisch behandelt sein – mit absolut legalen Mitteln geschönt, aber eben geschönt. Um ihre Quoten aufzuhübschen, können Versicherer in unterschiedliche Make-up-Töpfchen greifen. Es be- ginnt bei der Wahl des Modells, mit dem die extremen Krisenfälle simu- liert werden. Zwar gibt es eine Sol- vency-II-Standardversion, diese müs- sen die Unternehmen aber nicht zwin- gend anwenden. Es ist ihnen genauso erlaubt, interne Systeme zu entwickeln oder einen Mix zu wählen, also so- genannte Part-Modelle zu nutzen. Wer nicht die reine Standardversion anwendet, muss sich ein ganz oder teilweise selbst entwickeltes System allerdings von der Bafin genehmigen lassen, erst dann darf es zum Einsatz kommen. Diesen Weg hat die Allianz Leben beschritten. „Wir haben für die Ermitt- lung der Solvabilitätsquote ein internes Modell gewählt, da die unternehmens- spezifischen Gegebenheiten, zum Bei- spiel die versicherungstechnischen Risiken, damit besser abgebildet wer- den können als mit dem Standard- modell“, sagt Martin Riesner, Leiter des Fachbereichs Produktentwicklung und Aktuariat bei der Allianz Lebens- versicherung. Somit weist das Unter- nehmen eine Bedeckungsquote von 379 Prozent auf. Hätte der Versicherer jedoch das Standardmodell verwendet, beliefe sich die Quote auf „nur“ 292 Prozent, wie eine Studie des Bundes der Versicherten (BdV) und des auf die Versicherungswirtschaft speziali- sierten Beratungsunternehmens Zielke Research Consult zeigt (siehe Tabelle links). Der BdV und Zielke Research ha- ben sich die Solvenzberichte der Ver- sicherer vorgenommen und errechnet, welche Quoten sich ergeben würden, wenn die Unternehmen das Solvency- II-Standardmodell verwendet, keine Übergangsmaßnahmen genutzt und keine Volatilitätsanpassungen vor- genommen hätten. Denn auch diese Erleichterungen, die der europäische Gesetzgeber der Assekuranz über- gangsweise bis 2032 eingeräumt hat, führen dazu, dass sich die ausge- wiesenen Bedeckungsquoten deutlich besser darstellen können, als sie eigentlich sind (siehe Kasten Seite 312). Für Vermittler lohnt sich daher auf jeden Fall ein Blick auf die „nack- ten“ Quoten, wenn sie Versicherer anhand der neuen Kennzahl miteinan- der vergleichen. Eine Zahl von 150 Prozent werten Experten in der Regel als ausreichend stabil. Reine Stichtagsbetrachtung Bleibt dennoch die Frage, wie aus- sagekräftig eine Solvenzquote eigent- lich ist, selbst wenn sie – wie zum Beispiel bei Condor oder der Alten Leipziger – völlig ungeschminkt daherkommt. „Eine Quote von unter 100 Prozent bedeutet auf keinen Fall, dass ein Versicherer insolvent wäre“, betont Lars Heermann, Versicherungs- analyst bei der Ratingagentur Asse- kurata aus Köln. „Die Zahl zeigt nur, dass das Unternehmen einen statistisch gesehen einmal in 200 Jahren auf- tretenden Krisenfall im Moment der Simulation nicht überlebt hätte“, erläu- fonds & versicherung I solvenzquoten Mit und ohne Make-up Die Solvenzquoten der 50 größten Lebensversicherer Reine Ausgewiesene Unternehmen Solvenzquote 1 Solvenzquote 2 Allianz LV 292 379 R+V LV 410 410 Aachen Münchner Leben 335 504 Zurich Deutscher Herold 167 190 Debeka LV 72 323 Generali LV 93 169 Axa LV 168 253 Ergo LV 100 328 Bayern LV 248 657 Alte Leipziger LV 289 289 Provinzial Nordwest LV 166 355 Cosmos LV 357 542 Nürnberger LV 184 411 HDI LV 36 315 Württembergische LV 107 275 SV Sparkassenversicherung LV 129 409 Volkswohl Bund LV 148 329 Provinzial Rheinland LV 129 476 Iduna Vereinigte LV 93 382 Gothaer LV 89 212 Swiss Life Deutschland 342 1.136 Neue Leben LV 60 370 Targo LV 159 330 WWK LV 152 192 Hannoversche LV 436 436 LVM Leben 132 319 PB LV 24 331 Provinzial Leben Hannover 247 275 Continentale LV 261 529 Huk-Coburg LV 109 282 LV 1871 371 888 Stuttgarter LV 127 557 Deutsche Ärzteversicherung LV 200 215 Basler LV 108 241 DEVK LV 96 225 Sparkassen-Versicherung Sachsen LV 309 1.391 Hanse Merkur LV 5 273 Vereinigte Postversicherung LV 89 435 Europa LV 3 921 921 Dialog LV 3 617 637 Condor LV 3 405 405 Ideal LV 133 339 Deutsche Lebensversicherung 3 687 687 Helvetia LV 177 276 Vorsorge LV 228 228 Barmenia LV 102 213 Neue Bayerische Beamten LV 3 236 271 Concordia Oeco LV 84 323 Familienfürsorge LV 42 261 Öffentliche LV Braunschweig 136 433 Bewertung reine Solvenz: grün: 100 % bis 200 % gelb: 80 % bis 100 % u. 200 % bis 300 % rot: < 80 % und > 300 % Bewertung ausgewiesene grün: 100 % bis 350 % Solvenz: gelb: 80 % bis 100 % u. 350 % bis 500 % rot: < 80 % und > 500 % Die 50 größten deutschen Lebensversicherer nach verdienten Bruttobeiträgen 2015 (Stand: 18.8.2017 I Quelle: Bafin) und ihre Solvenzquoten. Unternehmen im Run-off sind nicht berück- sichtigt. 1 Solvenzquote ohne Nutzung von Übergangsmaßnahmen und Volatilitätsanpassungen | 2 Die Solvenzquote ergibt sich, wenn Übergangsmaßnahmen im vom Unternehmen gewünschten Umfang genutzt werden. | 3 Die Solvenzquoten von Biometrieversicherern fallen höher aus als die reiner Lebensversicherer. Quelle: BdV/Zielke Research Consult

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=