FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2017

343 www.fondsprofessionell.de | 3/2017 anwalt bei der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler. „Die derzeitigen gesetzlichen Rege- lungen sind auf den traditionellen Face-to- Face-Kontakt ausgerichtet, bei dem der Kun- denberater im Zweifelsfall erkennt, dass der Kunde etwas falsch verstanden hat, und jeder- zeit nachfragen kann“, so Becker. Wenn der Anleger eine Maske ausfüllt und nur Kreuze setzen kann, sei dies nicht möglich. Die meisten Robo-Berater stellen sich ohnehin auf den Standpunkt, überhaupt keine Anlageberatung anzubieten, sondern nur als Vermittler aufzutreten. Die Pflichten, die mit einer echten Anlageberatung einhergingen, müssten sie daher gar nicht einhalten. Doch mit dieser Argumentation machen es sich die Anbieter womöglich zu einfach. Auch wenn die Onlineplattformen ihre Position mit Gut- achten von Fachanwälten untermauern, die deren Dienstleistung aufsichtsrechtlich als Anlagevermittlung einstufen: Die Wahrschein- lichkeit, dass ein Richter in einem Zivilver- fahren das Angebot der Robos als Anlagebe- ratung ansieht, dürfte recht groß sein. Branche reagiert gelassen Auch wenn es um mögliche Fehler in den Algorithmen geht, reagiert die Branche gelas- sen. Die Technik sehen die Anbieter als ihre Kernkompetenz an. So auch Ginmon. Das Frankfurter Unternehmen ist zwar offiziell als Finanzanlagenvermittler unterwegs, Firmen- gründer Lars Reiner sieht sich jedoch näher an den großen Tech-Firmen aus dem Silicon Valley als an einem klassischen Finanzdienst- leister. Ginmon vertraut auf die eigene Pro- grammierung des Robos, automatisierte Tests als Kontrollinstanz inklusive. Nicht jeder ist so optimistisch und möchte dem Roboter alles überlassen. So betont die Research-Abteilung der KfW Bank die Vor- teile des persönlichen Beraters: „Beim derzei- tigen Stand der Technik bleibt menschliches Handeln vorerst unverzichtbar, nicht zuletzt, um mit menschlicher Erfahrung und der Fähigkeit, ‚out of the box‘ zu denken, mögli- che Fehler im programmierten Algorithmus zu korrigieren.“ Echte Beratung? Verbraucherschützer beäugen einige der jungen Anbieter durchaus kritisch und ziehen eine feine Trennlinie zu den „echten“ Beratern aus Fleisch und Blut. „Bei den als Robo-Ad- vice bezeichneten Dienstleistungen handelt es sich um Anlageempfehlungen sowie Vermö- gensverwaltungen auf Basis einer steuernden, vorsortierenden und standardisierten Abfrage“, so Nils Nauhauser von der Verbraucherzen- trale Baden-Württemberg. „Damit kann man per se nicht auf die individuelle Situation ein- gehen. Standardisierte Fragen, ‚Nutzertypen‘ und ‚Lebensphasen‘ lassen keine Individuali- tät zu“, so Nauhauser. Dies könne allenfalls der persönlichen Vorbereitung des Kunden auf eine Beratung dienen. Eine echte Beratung solle ergebnisoffen und nur an den Interessen des Ratsuchenden orientiert sein. Dass dies online nicht immer so ist, bestä- tigt auch Anwalt Becker. Bei schlechtem Bör- senverlauf kann er sich vorstellen, dass bald auch erste Klagen gegen Robo-Advisors ein- gereicht werden. Und dann müssen nach dem Wertpapierhandelsgesetz dem Gericht die Be- ratungsprotokolle vorgelegt werden. Die hän- digt aber kaum ein Anbieter dem Kunden aus – schon wegen der bereits erwähnten Über- zeugung, gar keine Anlageberatung anzubie- ten. „Nach geltendem Recht gibt es im Rah- men der Anlageberatung keine Differenzie- rung zwischen den Fintechs und dem Prä- senzberater“, betont Becker. „Es gilt: Gleiches Geschäft bedeutet gleiche Regeln.“ Blackbox Wie genau Robo-Advisors zu ihren Portfo- lioempfehlungen kommen, ist für den Anleger und unabhängige Dritte nicht immer nachvoll- ziehbar. Deswegen fordern Verbraucherschüt- zer einen aufsichtsrechtlichen Zulassungspro- zess, der gewährleistet, dass nur Robos Geld einsammeln dürfen, deren Anlagemodell nicht imWiderspruch zu den empirischen Erkennt- nissen der Kapitalmarktforschung steht. „Im Rahmen der Zulassung müsste der Quellcode, auf dem der digitale Abfrage-, Empfehlungs- und Vermögensverwaltungsprozess basiert, vollständig offengelegt werden“, so Nauhau- ser. „Erst die vollständige Offenlegung kann dem Verbraucher, unabhängigen Dritten und auch den Zulassungsbehörden die Analyse und Einordnung des Ergebnisses ermögli- chen.“ Dieser Forderung schließen sich auch die Europa-Parlamentarier an. In der Szene dagegen stößt der Vorschlag naturgemäß auf viel Kritik. „In der Software- entwicklung gibt es keine Patente“, sagt Gin- mon-Chef Reiner. „Daher ist die einzige Mög- lichkeit, geistiges Eigentum und den Wert einer Firma im Softwarebereich zu sichern, die Code-Basis inklusive unserer Algorithmen vor fremden Einblick zu schützen.“ Eine Of- fenlegungspflicht könnte dazu führen, dass sich viele Technologiefirmen nicht mehr in Deutschland ansiedelten, weil die Gefahr be- stünde, dass Wettbewerber den Algorithmus kopierten. Da auch traditionelle Berater oder Portfoliomanager ihre Modelle nicht offen- legen müssen, käme es nach Ansicht von Rei- ner zu einer Wettbewerbsverzerrung. Einige Befürworter der Offenlegung schlagen daher den Kompromiss vor, dass nur die Finanzauf- sicht den Code einsehen darf. Eigener Rechtsstatus Die EU überlegt auch, Robotern einen eige- nen Rechtsstatus einzuräumen – mit eigenen Rechten und Pflichten. Sollte es eines Tages wirklich dazu kommen, hätte das für die Fi- nanzbranche teils paradoxe Konsequenzen. Ein Robo-Advisor beispielsweise würde dann zu einer rechtlich selbstständigen Einheit „mutieren“. Um Bankgeschäfte zu betreiben, bräuchte er eine Bankerlaubnis. Dies aber ist Stand heute nur Menschen möglich. Kein Wunder, dass die Fintechs von dieser Idee wenig halten. „Wir sind ein von der Bafin regulierter Vermögensverwalter, der smarte Technologie für die Depoteröffnung, Depotsteuerung und Kundenkommunikation einsetzt. Doch unsere Technologie wird von Menschen entwickelt und ständig überwacht“, betont Erik Podzuweit, Gründer von Scalable Capital aus München. Zwar würden viele Prozesse automatisiert ablaufen. „Wir haben es aber stets mit Mensch-Maschine-Inter- aktionen zu tun, bei denen es keine klaren Trennlinien gibt.“ Podzuweit stützt seine Argumentation mit einem plastischen Ver- gleich: „Wir räumen ja auch einemAutopilo- Roman Becker, Menold Bezler: „Die derzeitigen Rege- lungen sind auf den Face-to-Face-Kontakt ausgerichtet.“

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