FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2017
316 www.fondsprofessionell.de | 4/2017 Euro an Mehrertrag einbringen“, rechnet Bar- kow vor. Hinzu komme, dass die Wechsel- bereitschaft bei Girokonten nach wie vor gering sei. „Daher können sich die Banken relativ sicher sein, dass die Kunden nach einer Gebührenerhöhung nicht unbedingt wech- seln“, argumentiert der Fachmann. Zu den Vorreitern zählt auch hier die Post- bank. Nach einigen Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken schaffte sie im Herbst 2016 als erstes deutschlandweites Institut das praktisch kostenlose Girokonto ab. Wie gut das Haus den Tabubruch verkraftete, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. „Es gab weniger Kündigungen als erwartet“, sagte Postbank-Produktvorstand Susanne Klöß- Braekler zu Jahresbeginn. Die Kundenzahl gab das Haus im Halbjahresbericht 2017 mit „rund fünf Millionen“ an. Eine Abwande- rungswelle sei ausgeblieben, meldete die Bon- ner Zentrale. Eine Umfrage des Meinungsforschungs- instituts GfK unter Bankkunden deutet jedoch eine andere Entwicklung an. Demnach ver- zeichnete das Haus die meisten Kündigungen bei Girokonten. Der GfK zufolge gaben 40,5 Prozent der Befragten an, ihr Konto bei der Deutsche-Bank-Tochter aufgelöst zu haben. Berechnungen des Branchenportals „Finanz- Szene.de“ kommen auf einen Schwund von brutto 500.000 Kunden über zwölf Monate, das entspricht einem Rückgang um gut zehn Prozent. Denn Mitte 2016, also vor dem Ge- bührenaufschlag, zählte das Haus noch 5,25 Millionen Klienten. Allerdings konnte die Postbank auch neue Kunden gewinnen, so- dass unterm Strich ein Minus von 250.000 stehen dürfte. Obendrein berichtete ein Kon- kurrent über einen Zustrom von Abwanderern aus Bonn: die ING-Diba. „Zu uns kamen zuletzt sehr viele Kunden der Postbank“, be- richtete Roland Boekhout, Vorstandschef der ING-Diba, im Februar 2017. Das Haus hält an seiner Null-Gebühren-Politik fest – bislang. Entgelte in Wild-West-Manier Denn die Einführung von Entgelten bleibt ein Reizthema. Besonders die Praxis einiger Sparkassen erregt die Gemüter. Diese kassie- ren bei Online-Überweisungen oder Geldab- hebungen am Automaten ab – also bei stan- dardisierten Dienstleistungen, die sie selbst wenig kosten. Eine Studie der Unternehmens- beratung Emporias bescheinigt der Branche gar eine „Wild-West-Manier“. Demnach exis- tiert bei einem Drittel der Kreditinstitute kein Schema zur Bewertung der Produktprofita- bilität, 43 Prozent können den anfallenden Aufwand für einzelne Produkte oder Pro- duktgruppen nicht benennen. Die Folge: Eine große Mehrheit (79 Prozent) kalkuliert Preise zum Teil losgelöst von den Kosten. Emporias befragte 100 Entscheider der ersten und zwei- ten Führungsebene bei deutschen Banken und Sparkassen. So eine Willkür könnte die trägen Deutschen doch dazu anregen, ihr ver- trautes Stamminstitut zu verlassen. „Vielleicht braucht es solche Handlungsanreize, damit die Menschen in Bewegung kommen“, meint Berater Barkow. Als letzter Punkt bleibt den Banken noch, die Kosten zu kappen. Das tun sie seit der Fi- nanzkrise. Da jedoch zugleich Bilanzsummen und Erlöse schrumpfen, nehmen sich die Fort- schritte mager aus. So bleibt den Geldhäusern wohl kein anderer Weg, als zu versuchen, den widrigen Umständen an allen Fronten gleich- zeitig zu trotzen. SEBASTIAN ERTINGER | FP bank & fonds I wer tpapiergeschäft Foto: © Bain & Company | Oliver Wyman Dirk Vater, Bain: „Viele Banken werden sich wegen Mifid II aus dem Wertpapiergeschäft verabschieden.“ Thomas Schnarr, Oliver Wyman: „Das Niedrigzinsumfeld hat nur einen geringen Einfluss auf das Sparverhalten.“ Empfindliche Einschnitte Jährliche Veränderung der Filialzahl nach Institutsgruppen in Prozent Der Ertrags- und Kostendruck führt dazu, dass Deutschlands Institute über alle Gruppen hinweg ihr Filialnetz stutzen. Quelle: KfW Research -6 % -5 % -4 % -3 % -2 % -1 % 0 % 2015 2014 2013 2012 2011 –4,2 % –2,1 % –3,9 % –0,6 % Genossenschaftsbanken Privatbanken Sparkassen P Geschäftsfeld mit Fallen für den Ruf Beschwerden je Sachgebiet der privaten Banken 2017 (per Anfang Oktober) Das Wertpapiergeschäft zählt zu den Bereichen mit vielen Kundenbeschwerden – obwohl der Anteil am Gesamtertrag gering ist. Quelle: Bankenverband | Stand: 4. Oktober 2017 Sonstige 3 % Spargeschäft 3 % Bearbeitungs- entgelte von Verbraucher- kreditver- trägen 2 % Zahlungs- verkehr 37 % Kredit- geschäft 25 % Wert- papier- geschäft 30 %
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