FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2017

319 www.fondsprofessionell.de | 4/2017 haben sie schon umgesetzt (siehe Tabelle un- ten). Zuletzt habe sich die Handbremse im Umgang mit dem Thema Run-off spürbar gelockert, berichtet Markus Eschbach, der im Vorstand von Viridium den Kundenservice verantwortet. „Alle Versicherer überlegen, wie sie das Lebensgeschäft weiterführen wollen. Ein externer Run-off ist inzwischen eine ernst- hafte Handlungsoption, naturgemäß aber nicht für jedes Unternehmen – viele Faktoren spie- len eine Rolle“, so Eschbach. Wegen der Minizinsen haben die Versiche- rer bekanntlich große Probleme, die Erträge zu erwirtschaften, die sie ihren Kunden in bes- seren Jahren versprochen hatten. Mit Anleihen bonitätsstarker Schuldner funktioniert das nicht mehr, also investieren sie, soweit erlaubt, in riskantere Anlagen. Für solche Investments schreibt die EU-Richtlinie Solvency II aller- dings hohe Eigenmittel vor. Außerdem sind die Versicherer verpflichtet, für ihre langjäh- rigen Garantien deutlich mehr Kapital zurück- zulegen als früher. Die Zinszusatzreserve (ZZR), die die Anbieter seit 2011 als Rück- stellung für ältere, hoch verzinste Verträge bil- den müssen, erhöht den Kapitalbedarf weiter. Schon deshalb ist verständlich, dass viele Gesellschaften diese Bestände loswerden wol- len. Es gibt aber eine Reihe weiterer Gründe für einen Run-off, etwa die Digitalisierung: „Der Aufwand, die alten IT-Systeme an die Anforderungen der zunehmend digital kom- munizierenden Kundschaft anzupassen, wäre enorm“, so Heistermann. Eine Abspaltung der Bestände kann einem Konzern daher auch an dieser Stelle helfen. In der Vergangenheit wa- ren zudem der Wunsch nach einem einheitli- chen Markenauftritt oder zu hohe Verwal- tungskosten Auslöser eines Run-off: „W ein Versicherer etwa wegen hoher Vertriebskosten kein profitables Neugeschäft mehr zeichnen kann, kann ein Run-off des Bestandes ein Ausweg sein“, ergänzt Michael Klüttgens, Leiter der Versicherungsberatung bei Willis Towers Watson in Deutschland. Kritische Verbraucherschützer Verbraucherschützer sehen eine Übertra- gung auf Dritte kritisch. Die größte Sorge ist, dass die Kunden schlechtergestellt werden, vor allem mit Blick auf die Überschüsse: „Wenn ein Investor diese Bestände kauft, dann tut er das mit dem Ziel, möglichst viel Rendite zu erwirtschaften“, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten. „Das geht aber nur, wenn er den Versicherten möglichst viele Überschüsse vor- enthält und in die eigene Tasche steckt.“ Andere befürchten einen schlechteren Service für die Kunden, da die Plattformen nicht an Neugeschäft interessiert sind. Die Bafin betont daher, dass sie bei Übertragungen sehr genau hinschauen werde, um die Belange der Versi- cherten in jeder Hinsicht zu wahren. Ein externer Run-off bietet Kunden aber auch Vorteile, die selbst Verbraucherschützer nicht abstreiten: So fallen die Kosten für den Vertrieb weg, die der Bestand trägt. Hinzu kommt, dass die Unternehmen mittels ver- besserter IT die Verwaltungskosten drücken können: „Dank unserer modernen, standard- basierten IT sind unsere internen Prozesse wesentlich besser aufgestellt, wir sind schnel- ler und schlanker“, betont Viridium-Vorstand Eschbach. Courtage bleibt Vermittler wiederum können Bestandsüber- tragungen entspannt verfolgen, zumindest in finanzieller Hinsicht: „Es gilt der Grundsatz, dass die Provision der Prämie folgt“, sagt Thomas Leithoff, Rechtsanwalt in der Ber- liner Kanzlei Johannsen. Ein außerordentli- ches Kündigungsrecht haben die Kunden bei einem Run-off nicht. Die Courtagen fließen also weiter. Das gilt für Makler wie für Ver- treter, wenngleich es in der Umsetzung Un- terschiede geben kann. Bei einem externen Run-off liegt es näm- lich sowohl für den abgebenden Versicherer Bernd Heistermann, Aktuar: „Im ersten Modell wird nur ein Teil der Produktpalette geschlossen.“ Ausgewählte Beispiele für die Übertragung von Lebensversicherungsbeständen Einstellung des Volumen Versicherer Muttergesellschaft Neugeschäfts Was passierte mit dem Bestand? (in Euro) Mannheimer Leben Mannheimer Holding 2003 Übertragung des gesamten Bestandes an die staatliche Auffanggesellschaft Protektor 1,7 Mrd.* Familienschutz Leben/Plus Leben Stuttgarter Versicherungsgruppe 2009 Stuttgarter Gruppe führte Gesamtbestand weiter 0,4 Mrd.* Victoria Leben Ergo Gruppe 2010 Ergo führte Bestand (klass. LV) weiter; nun Pläne für Übertragung an externe Gesellschaft 17,2 Mrd.* Bayerische Beamten Leben Bayerische Beamten Leben 2010 Übertragung des Gesamtbestandes auf die Tochter Neue Bayerische Beamten LV 3,2 Mrd.* Delta Lloyd Lebensversicherung Delta-Lloyd-Gruppe 2010 Gruppe führte Bestände weiter**** 4,3 Mrd.* Hamburger Leben Delta-Lloyd-Gruppe 2010 Gruppe führte Bestände weiter**** 0,4 Mrd.* Aspecta LV Talanx Gruppe 2010 Übertragung des Gesamtbestandes auf HDI-Gerling k.A. Skandia Old Mutual 2013 Viridium (früher Heidelberger Leben) führt die Fondspolicen weiter k.A. Zurich Zurich Gruppe Deutschland 2015 Zurich führt die klassische Lebensversicherung intern weiter k.A. Münchener Verein LV Münchener Verein Vers.gruppe 2015 Mylife führt die Riester- und Fondsbestände weiter k.A. Ergo Leben Ergo Gruppe 2016 Ergo führte Bestand (klass. LV) weiter; nun Pläne für Übertragung an externe Gesellschaft k.A. Protektor Protektor 2017 Viridium (früher Heidelberger Leben) führt die Bestände weiter k.A. Basler Leben Baloise Gruppe 2017 Frankfurter Leben führt Bestand (klass. LV) weiter 1,7 Mrd.** Arag Leben Arag Gruppe 2017 Frankfurter Leben führt Bestand (klass. LV und Fondspolicen) weiter 2,8 Mrd.** Generali Leben Generali Deutschland 2015*** Generali plant, Gesamtbestand 2018 an externen Dienstleister zu übertragen 44,0 Mrd.** *Versicherungstechnische Rückstellungen zum 31. 12. 2011 gemäß Marco Ritter, „Run-Off in der Lebensversicherung“, 2014, Verlag Versicherungswirtschaft. | **gemäß Anbieter bzw. Medienangaben. | ***Generali hat das Neuge- schäft mit klassischen Lebensversicherungen weitgehend eingestellt; ausgenommen ist u.a. die bAV. | ****Verkauf der deutschen Delta-Lloyd-Gesellschaften an Athene Holding und Umbenennung in Athene Lebensversicherung, die nun die alten Delta-Lloyd-Bestände fortführt. Quellen: Marco Ritter, „Run-Off in der Lebensversicherung“, 2014, Verlag Versicherungswirtschaft; Anbieter, eigene Recherchen

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