FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2017

324 www.fondsprofessionell.de | 4/2017 dings, wenn es den Start-ups nicht gelingt, die Kosten mit der Zeit in den Griff zu bekom- men, denn dann geht ihre Rechnung nicht mehr auf. Das scheint zumindest bei einigen Insurtechs der Fall zu sein, was potenzielle Neuinvestoren abschreckt. Die alten Kapital- geber harren immerhin noch aus. „Die Inves- toren hoffen, das Start-up doch noch gewinn- bringend an einen großen Konzern verkaufen zu können“, sagt Margaris. Das wirkliche Problem Die hohen Kosten und die Reaktion der Investoren sind aber letzten Endes nur die Konsequenz des eigentlichen Problems: „Das Konzept des Versicherungsordners als Mittel der Kundengewinnung funktioniert letztlich nicht, wie man mittlerweile weiß“, sagt Julian Teicke, Vorstandsvorsitzender der Wefox Holding. „Der digitale Ordner allein ist nicht zielführend, er muss einen Mehrwert wie einen automatischen Policen-Check und per- sönliche, kompetente Beratung bieten“, er- gänzt Carlos Reiss, Geschäftsführer des Groß- maklers Hoesch & Partner. Vor allem aber sind Versicherungen soge- nannte „Push-Produkte“ – sie müssen ver- kauft werden. Um den nötigen Bedarf zu wecken, ist Werbung nötig. Nicht alle Start- ups haben das Glück, einen Medienkonzern als Investor zu haben, der ihnen kostenlose Fernsehspots ermöglicht. Die meisten Anbie- ter setzen daher auf Anzeigen im Internet, doch auch diese sind alles andere als billig. Wer seine Werbung eingeblendet wissen will, wenn ein Nutzer bei Google nach Stich- worten rund um Versicherungen sucht, muss sich auf hohe Rechnungen gefasst machen. Beim Schlagwort „Berufsunfähigkeitsversi- cherung“ kostet jeder Klick derzeit rund 15 Euro, berichtet Makler Reiss. Einige Insur- techs weichen daher auf Begriffe wie „Poli- cenübersicht“ oder „Versicherungsmanager“ aus. Diese Wörter werden nicht so häufig gesucht und sind deshalb günstiger. Wichtig zu wissen ist, dass bei Weitem nicht jeder bezahlte Klick auch einen neuen Kunden bedeutet. „Die sogenannte Wand- lungsrate ist sehr niedrig“, sagt Marco Ger- hardt, Managing Partner bei EY Innovalue. Er schätzt die Kosten je Kundengewinnung auf bis zu 500 Euro. Einige Experten nennen so- gar Zahlen von bis zu 1.000 Euro. Andere Branchenkenner verweisen jedoch darauf, dass diese Werbeausgaben durchaus gerechtfertigt seien, wenn man sie in Relation zu den recht üppigen Courtagen stelle. „Über die komplette Kundenbeziehung sind durch den Makler vierstellige Courtageumsätze zu erzielen“, betont Reinhard Tahedl, Vorstands- chef des Fintechs Treefin, das mittlerweile zum Finanzkonzern Wüstenrot & Württem- bergische gehört. Tahedl zufolge führt ein niedriger dreistelliger Euro-Betrag an Marke- tingausgaben je Kunde im Geschäftsmodell nur dann zum Problem, wenn die sonstigen Gemeinkosten zu hoch sind. „Viele Insurtechs haben sich zu Beginn zu stark auf ihre App konzentriert und das Backoffice nur über- schaubar digitalisiert. Die zu geringen Mehr- werte in Kombination mit zu hohen Fixkosten fallen nun dem einen oder anderen Insurtech auf die Füße“, so Tahedl weiter. Viel Papier Der Treefin-Chef nennt damit das zweite große Problem der Branche: die IT und die Backoffice-Prozesse. Die jungen Unternehmen waren angetreten, ihre Prozesse bis hin zur Policierung einer neuen Versicherung vollkom- men digital zu gestalten und damit skalierbar zu machen. Allerdings haben die Pioniere die Behäbigkeit der Assekuranz unterschätzt. „Vie- le der Insurtech-Gründer kommen nicht aus der Versicherungsbranche, sondern aus Ban- ken und anderen Bereichen. Sie mussten ler- nen, dass in der Assekuranz noch sehr viel mit Papier gearbeitet wird“, sagt Gerhardt. „Die App ist nur eine Benutzeroberfläche“, ergänzt Oliver Pradetto, Co-Geschäftsführer des Maklerpools Blau Direkt. „Zusätzlich braucht es die technischen Systeme dahinter, und diese müssen mit den Versicherern ver- fonds & versicherung I insur techs Foto: © Hoesch & Partner, Thomas Berg | Bilderberg Carlos Reiss, Hoesch & Partner: „Der digitale Ordner allein ist nicht zielführend.“ Ausgewählte Insurtechs Unternehmen Internetseite Geschäftsmodell Gründungsjahr Investoren Anzahl der Mitarbeiter Gewerbeerlaubnis Kooperation mit Beratern TV-Werbung? Kurzbeschreibung des Angebots *Bei Clark haben außerdem investiert: Thomas Noth Yabeo Capital, Kulczyk Investments, Hitfox, TA Ventures. | **Zum Investorenkreis von Getsafe gehören außerdem: Iris Capital, Partech, Rocket Internet, HW Capital. Quelle: New Players Network (eine Initiative der Versicherungsforen Leipzig) Allesmeins allesmeins.de Pool-App 2015 Jung, DMS & Cie. k.A. Technologiedienstleister Ja (White-Label-Version für JDC-Partner) k.A. Digitaler Ordner für Policen, Finanzanlagen sowie Bankprodukte Asuro asuro.de Versicherungsordner 2015 Insurance City AG, Hoesch & Partner Group Ca. 30 § 34d GewO Nein k.A. App und Webportal für digitale Vertragsverwaltung und Vermittlung neuer Policen; Schadensbearb. Clark clark.de Versicherungsordner 2015 Finleap, Karl-Heinz Flöther, ProSiebenSat.1 Accelera- tor, Target Global* Ca. 25 § 34d GewO Nein Ja App und Webportal für digitale Vertragsverwaltung und Vermittlung neuer Policen; Schadensbearb. Feelix myfeelix.de Financial-Hub 2012 Eigenfinanzierung, keine externen Investoren 11 §§ 34f, 34d GewO Ja (White-Label-Version für Vermittler) k.A. App und Webportal für digitale Finanzplanung, Vertragsverwaltung und Vermittlung von Policen Getsafe getsafe.de Versicherungsordner 2013 B-to-v, Commerzventures, Acton Capital Partners, Capnamic Ventures** 45 § 34d GewO Nein Ja App und Webportal für digitale Vertragsverwaltung und Vermittlung neuer Policen; Schadensbearb. Knip knip.de Versicherungsordner 2013 Creathor Venture, Redalpi- ne, Orange Growth Capital, QED Investors, Route 66 100 § 34d GewO Nein Ja App und Webportal für digitale Vertragsverwaltung und Vermittlung neuer Policen; Schadensbearb.

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