FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2017

326 www.fondsprofessionell.de | 4/2017 Wefox hat sein Geschäftsmodell noch stär- ker geändert. Das aktuelle Konzept ist, Mak- lern den Ordner zur Verfügung zu stellen so- wie ihnen die gesamte technische Backoffice- Abwicklung abzunehmen. Im Gegenzug erhält Wefox einen Anteil an den Provisionen. „Wir haben getestet, ob es sich lohnt, Kunden direkt anzusprechen“, berichtet Teicke. „Sehr schnell kam aber die Erkenntnis, dass sich das nicht lohnt. Daher sind wir dazu übergegangen, vor allem Makler davon zu überzeugen, mit uns zu kooperieren. Damit haben wir die Akquisi- tionskosten pro Kunde, die aber beim Makler bleiben, auf weniger als zehn Euro gedrückt.“ Eigenen Versicherer aufgebaut Getsafe kündigte mit Blick auf das Ge- schäftsmodell gleich einen 180-Grad-Schwenk an, um das Kosten- und Technikproblem zu lösen. Das Heidelberger Unternehmen bietet den digitalen Ordner zwar weiterhin an, der Fokus wird künftig aber auf der Entwicklung und dem Vertrieb von digitalen Versicherun- gen liegen. „Wir haben gesehen, dass der Ordner gut bei Personen ab 40 Jahren an- kommt, die Versicherungen haben“, berichtet Geschäftsführer Christian Wiens. „Für jüngere Kunden funktioniert das Konzept aber nicht beziehungsweise sind die Akquisekosten sehr hoch.“ Zudem wollten Jüngere einen voll- kommen digitalen und schnellen Service – das sei mit den etablierten Versicherern aber kaum möglich. Wiens’ Lösung: „Wir bauen einen eigenen Versicherer auf, dessen Wert- schöpfungskette vollkommen digital ist.“ Wefox geht in die gleiche Richtung – und hat den automatisierten Versicherer One ge- kauft. „Ziel ist, Versicherer, Makler und Kun- den in einem digitalen Prozess zusammen- zuführen“, so Teicke. Clark dagegen wird das Geschäftsmodell nicht ändern und weder ein Digitalversicherer werden noch mit Maklern kooperieren. Das Frankfurter Start-up lotet aber eine Expansion ins Ausland aus. Knip hat sich bislang nicht geäußert, wie es unter dem neuen Eigentümer weitergehen soll. Langer Atem gefordert Richtig aufgezogen hat auch das Geschäft mit dem digitalen Versicherungsordner eine Zukunft, sind sich die Experten einig. Denn die Zahl der Kunden, die keine Probleme damit haben, auch sensible Geschäfte online abzuwickeln, steigt ständig. „Zudem sind geschätzt rund neun Milliarden Euro an jähr- lich gezahlten Bestandsprovisionen über alle Sparten hinweg sehr interessant“, ergänzt Reiss. Er verweist außerdem darauf, dass selbst die behäbige Assekuranz eines Tages alle Dokumente digital versenden wird – die Reibungsverluste an der Schnittstelle wären damit endlich behoben. Hinzu kommt: Wenn die Kapitalgeber eines Insurtechs nicht nur an einem schnellen Verkauf interessiert sind, son- dern einen langen Atem mitbringen, stehen die Chancen gut, dass das Geschäft mit den Jahren richtig profitabel wird. Sobald die Be- standsprovisionen die Akquise-und Technik- kosten gedeckt haben und die Beratungspro- zesse so optimiert wurden, dass die Kunden treu bleiben, spielt die Zeit für die Investoren. Für die meisten etablierten Makler stellen reine Versicherungsordner-Apps wohl keine echte Konkurrenz dar, denn ihr Mehrwert für die Kunden hält sich in Grenzen. Zumindest perspektivisch gefährlicher können da Ange- bote von Firmen wie Treefin, Myfeelix, Mo- neymeets oder Check24 werden, deren Ord- ner nicht nur Versicherungen verwalten kön- nen, sondern auch Girokonten, Fondsdepots oder Bausparkonten. Der Clou solcher „Fi- nancial Hubs“: Aus der Analyse der Konto- bewegungen lässt sich ermitteln, welchen Be- darf der Kunde sowohl bei Finanz- als auch Versicherungsprodukten haben könnte. Und weil die Menschen deutlich häufiger auf ihr Konto als in ihren Versicherungsordner schau- en, steigt die Chance, dass diese Produkt- angebote auch wahrgenommen werden. Früher war es kaum möglich, die Daten aus mehreren Konten und Depots zu aggregieren, denn die Banken gaben die entsprechenden Informationen nicht preis. Die EU-Richtlinie PSD2 verpflichtet Zahlungsdienstleister ab 2018 jedoch dazu, genau das zu tun, sofern der Kunde zustimmt. „Daher könnte es sein, dass es der Regulierer ist, der als ‚Game Changer‘ langfristig die Weichen für die Branchenentwicklung stellt“, sagt Unterneh- mensberater Gerhardt. Die aktuellen Probleme mancher Insurtechs sollten Makler der alten Schule also nicht da- zu verleiten, den Kampf schon als gewonnen anzusehen. „Wir sind gerade mal die erste Runde im Ring“, sagt Pradetto. „Welcher Boxer am Ende noch steht, ist noch lange nicht entschieden.“ JENS BREDENBALS | FP fonds & versicherung I insur techs So bewertet die Stiftung Warentest Insurtechs Die Stiftung Warentest hat in der Oktober- Ausgabe von „Finanztest“ die Angebote von sieben Insurtechs unter die Lupe ge- nommen: Asuro, Clark, Feelix, Getsafe, Knip, Ted und Wefox. Das Ergebnis ist eher ernüchternd: Nur Knip und Clark erhielten als Gesamtnote ein „Gut“. Die anderen erreichten ein „Befriedigend“, Wefox sogar nur ein „Ausreichend“. Beratung: Zentraler Prüfpunkt war die Be- ratungsleistung, die mit 65 Prozent in das Gesamtergebnis einfloss. Jeder Tester stellte drei Beratungsfragen. Es ging dabei um die Qualität einer bestehenden Privat- haftpflichtpolice, die Wichtigkeit einer Un- fallversicherung und falsche Vorstellungen zur Leistung einer Hausratversicherung. Keine App beriet in allen Fragen sehr gut. Laut Stiftung Warentest wurde mal die eine, mal die andere Beratungsanfrage zufriedenstellend beantwortet. Die in Berlin ansässige Institution bemängelt ferner, dass viele Beratungen nicht bedarfsge- recht gewesen seien. Die Prüfer hatten erwartet, ausführlicher und individueller informiert zu werden. Datentransport: Geprüft wurde auch der Import bestehender Policen. Hier erhielten Knip, Clark und Getsafe sehr gute Noten – allerdings gaben die Tester den Unter- nehmen auch komfortable drei Monate Zeit. Positiv fiel „Finanztest“ auf, dass sich alle Insurtechs von sich aus als Makler zu erkennen gaben. Datenschutz: Anders war es beim Daten- sendeverhalten – da hatten die Tester des Berliner Verlags einiges zu meckern: Bis auf Clark und Feelix leiteten alle Anbieter persönliche Daten, unter anderem eine Geräte-Identifikationsnummer des Smart- phones, an Dritte wie Facebook weiter. Bei manchen Apps stellten die Prüfer von „Finanztest“ außerdem zum Teil erhebliche Mängel bei den Allgemeinen Geschäfts- bedingungen und den Datenschutzerklä- rungen fest. Marco Gerhardt, EY Innovalue: „Es könnte sein, dass es der Regulierer ist, der zum ‚Game Changer‘ wird.“ Foto: Florian Trettenbach | eyecatchme

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