FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018
238 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 „Die Gebühren sinken, die Konkurrenz durch günstige Indexfonds wächst, die striktere Regulierung verursacht steigende Kosten“, so die Analystin von Moody’s. „Dies verringert wiederum die Margen. Asset Manager nutzen in diesem Umfeld die Technologie als Mittel, um die Kosten zu senken.“ Drittens schließ- lich würden Asset Manager Technologie nut- zen, um ihre Reichweite im Vertrieb auszu- bauen. „Einige Gesellschaften haben Data- Mining-Firmen oder Datenplattformen über- nommen“, erläutert Cremonese. „Mit deren Know-how entwickeln sie Werkzeuge, mit denen Portfolios einfacher gebaut oder in Risikoanalysen getestet werden können.“ Die- se Instrumente wollten sie Finanzberatern an- bieten, um ihnen die Arbeit zu erleichtern. Europa voraus Eine weitere Option für Fondsanbieter wäre es, den Tech-Riesen vorzugreifen und selbst über die Digitalisierung einen direkten Ver- triebsweg zum Endkunden zu errichten. Dabei wäre die Rolle der Zwischenhändler reduziert, oder sie würden ganz ausgeschaltet. Diese Vision kann die sogenannte Blockchain-Tech- nologie Wirklichkeit werden lassen. Das Ver- fahren stammt ursprünglich aus dem Feld der Kryptowährungen wie Bitcoin, doch die dahinterstehende Technik lässt sich vielfältig einsetzen. So wurden bereits Anleihenemis- sionen über diesen Weg abgewickelt. „Diese Technologie birgt das Potenzial, einen neuen Vertriebskanal zu eröffnen, der direkt bis zu den Endkunden reicht“, sagt Vanessa Robert, Senior-Analystin bei Moody’s. „Sie kann die Ausführung und Abwicklung des Anteilshandels deutlich effizienter, schnel- ler und günstiger gestalten.“ Die Blockchain könne so die Vertriebskosten der Asset Mana- ger erheblich senken und ihnen zugleich volle Transparenz darüber verschaffen, wer ihre Kunden sind. „Aus Vertriebssicht und auf- grund der Regulatorik ist es wichtig, seine Kunden zu kennen“, erläutert Robert. In Test- läufen wickelten bereits mehrere französische Fondshäuser und Banken in Zusammenarbeit mit der Börse Luxemburg den Handel von Fondsanteilen über die Blockchain ab. „Bei dieser Technologie ist Europa den USA sogar voraus“, stellt Robert fest. Diese Entwicklung birgt Sprengkraft. Denn wenn Fondshäuser sich direkt an die End- kunden wenden, treten sie mit ihren Vertriebs- partnern in Konkurrenz und drohen, diese zu verärgern. Die Ratinganalystin Cremonese ist dennoch überzeugt: „Asset Manager werden versuchen, den Vertrieb auszubauen. Einer- seits werden sie auf die bestehenden Kanäle und Intermediäre setzen. Aber sie werden sich auch direkt an die Endkunden wenden, wenn sie sich einen Nutzen davon erhoffen.“ Aus Sicht der Investmentbranche muss dies jedoch nicht in einen Konflikt münden. „Für uns bedeutet Digitalisierung nicht, einen eige- nen Vertriebskanal gegen die bestehenden Partner aufzubauen“, betont Peter Stowasser, Retailvertriebschef bei Franklin Templeton in Deutschland. „Vielmehr suchen wir ein akti- ves Vertriebskonzept, das die Chancen und Möglichkeiten der neuen Welt nutzt. Zugleich soll es aber den bestehenden Vertriebspartnern nutzen und sie weiter stärken.“ Trumpfkarte Mensch Für den Vertriebsprofi ist ohnehin noch vie- les Zukunftsmusik. „Nach meinem Dafürhal- ten wird die persönliche Beratung in Deutsch- land nach wie vor geschätzt und sogar bevor- zugt. Ich höre oft, dass die Kunden durchaus gern Robo-Advice-Angebote testen. Wenn es aber zumAbschluss kommt, greifen dennoch viele lieber noch einmal zum Telefonhörer oder nehmen eine persönliche Beratung in Anspruch“, so Stowasser. Der freie Finanz- vertrieb werde daher noch eine ganze Zeit lang nicht seine Geschäftsabläufe voll durch- skalieren müssen, sondern vielmehr von per- sönlichen Beziehungen zehren. „Das ist ein unschlagbarer Vorteil. Mit menschlicher Interaktion werden Berater mehr erreichen als mit rein digitaler Kommunikation“, so der Franklin-Templeton-Mann. Gleichwohl möge im kleinteiligen Massengeschäft eine gewisse Bedrohung durch neue Akteure existieren. Die nimmt er jedoch gelassen. „Konkurrenz belebt das Geschäft. Das ist ein alter Spruch, dem aber immer noch eine gewisse Wahrheit innewohnt.“ SEBASTIAN ERTINGER | FP vertrieb & praxis I digitalisierung Digitale Spitzenreiter wären viele gern … Wo sich Fondshäuser im digitalen Wandlungsprozess sehen Mehr als zwei Drittel der Investmentgesellschaften stecken erst in einer frühen Phase der Digitalisierung. Quelle: Umfrage Roubini Thoughtlab, 2017 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % am Anfang Transforma- tionsphase Reifungsphase digitaler Spitzenreiter heute 2022 2 % 3 % 20 % 26 % 47 % 47 % 29 % 23 % … doch stehen mannigfaltige Hürden im Weg Hindernisse für den digitalen Wandel, die die Befragten als „hoch“ einschätzen* Die Hürden für die Transformation in ein digitales Unternehmen sind vielfältig. Vor allem die Kosten schrecken ab. Quelle: Umfrage Roubini Thoughtlab, 2017 | *Mehrfachnennungen möglich 0 % 10 % 20 % 30 % Zu wenig Fachkräfte Unzureichende technische Infrastruktur Keine digitale Geschäftsstrategie Management steht nicht dahinter Digitalisierung ist kein dringendes Thema Unvorhersehbarer Markt Bedenken wegen Datensicherheit Unklar, ob Investition sich auszahlt Begrenztes Budget Anteil der Nennungen 43 % 39 % 37 % 34 % 33 % 27 % 27 % 26 % 26 % Peter Stowasser, Franklin Templeton: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Foto: © Axel Gaube
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