FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018
Nevado: Wir sind tatsächlich schon Mitte Januar zu einer Art Risiko- minimierung im Portfolio überge- gangen. Als die Renditen von Aktien so stark gefallen waren, dass es einem als Fondsmanager schon re- gelrecht mulmig werden konnte in Anbetracht der Tatsache, dass viele Marktteilnehmer nach wie vor opti- mistisch blieben, haben wir nicht nur unser Aktienexposure deutlich zu- rückgefahren, wir haben auch unsere Positionen in Unternehmensanleihen zum ersten Mal in der Geschichte des Fonds überhaupt auf null redu- ziert. Das war natürlich insofern eine gute Entscheidung, als die Rally an den Märkten zwar zunächst noch eine Zeitlang weiterlief, es aber dann Anfang Februar zu der bekannten starken Korrektur gekommen ist. Die Frage, die man sich als Fonds- manager in dieser Situation stellen musste, war, ob die Welt von Wirtschaft und Finanz- märkten sich tatsächlich so stark verändert hatte, wie die Kursrückgänge das anzuzeigen schienen. Moeller: Zu welchem Schluss sind Sie gekommen? Nevado: Dass die Korrektur im Grunde von der Psychologie der Anleger getrieben war. Denn es gab im Prinzip keine neuen Nach- richten, die eine solche Abwärtsbewegung gerechtfertigt hätten. Es war am Ende der deutliche Anstieg der Zinsen, der bei vielen Anlegern als Grund für eine vermeintliche Neubewertung der Märkte herhalten musste. Nicht Aktien, die Bondmärkte sind das Pro- blem. Hinzu kam eine ganze Reihe tech- nischer Faktoren, die für zusätzlichen Druck gesorgt haben. Heuser: Was genau meinen Sie mit „tech- nischen Faktoren“? Nevado: Das betrifft vor allem sogenannte Volatilitäts- und Risk-Parity-Fonds. Es gehört – vereinfacht gesagt – zum Prinzip dieser Fonds, ihr Gesamtrisiko zu erhöhen, wenn die Volatilität an den Märkten wie fast im Ge- samtjahr 2017 fällt. Wenn Sie mich fragen, ist es eigentlich verrückt, sein Risiko in dem Moment zu erhöhen, wenn die Schwankun- gen an den Märkten zurückgehen. Die Basis für eine solche Entscheidung sollte immer die aktuelle Bewertung und das wirtschaftliche Umfeld sein, aber nicht die Volatilität. Moeller: Kann man daraus schließen, dass Sie mit Ihrem Fonds die Korrektur dazu genutzt haben, die Aktienpositionen wieder zu erhöhen? Nevado: Weder an der Nachrichtenlage noch an unserer Erwartung in Bezug auf die wei- tere Entwicklung der Konjunktur hatte sich im Grunde viel geändert durch die Kursrück- gänge. Die Gewinnrenditen von Aktien waren dadurch sogar wieder auf ein Zweijahreshoch gestiegen. Entsprechend haben wir unsere Aktienpositionen mit Ausnahme von US-Wer- ten, die immer noch zu hoch bewertet waren, wieder erhöht. Schließlich konnten wir uns damit Risikoprämien von sieben oder acht Prozent einkaufen. Ein solcher Wert ist ange- sichts einer immer noch boomenden Wirt- schaft und nach wie vor steigender Unterneh- mensgewinne bei gleichzeitig extrem niedri- gen Zinsen enorm hoch. Heuser: Aber sind Sie da nicht etwas zu optimistisch? In einer Situation, in der eigentlich alle wissen, dass die Zinsen wei- ter steigen werden, ist es doch gerechtfertigt, wenn Investoren sich einerseits risikoavers gegen- über der Aktienanlage zeigen und gleichzeitig Angst vor einem weiteren Anstieg von Inflation undAnleiheren- diten haben. Nevado: Gerechtfertigt wä- re das aus meiner Sicht nur dann, wenn auch die wirtschaftlichen Rahmen- daten dafür sprechen würden. Was allerdings im aktuellen Verhalten der meisten Investoren noch immer eine Rolle spielt, das ist die nach wie vor und latent vorhandene Er- innerung sowohl an die Finanzkrise von 2008 als auch an die Eurokrise von 2011. Beides hat wie ein Schock gewirkt, der immer noch seine Auswirkungen zeigt, eben in ex- trem hohen Risikoprämien für Aktien. Der Ri- sikoappetit der Anleger ist zwar etwas gestie- gen, aber für ein Aktieninvestment erwarten viele immer noch eine Risikoprämie von acht Prozent, geben sich aber mit einer Negativ- verzinsung für Staatsanleihen zufrieden. An- ders als mit der Psychologie der Anleger lässt sich das meiner Ansicht nach nicht erklären. Moeller: Andererseits muss man doch fra- gen, ob sich darin nicht auch die Erwar- tung der Anleger ausdrückt, dass bei der Wirtschaftsentwicklung im laufenden Jahr der Peak erreicht sein dürfte. Dafür spre- chen auch die Consensus-Schätzungen, die davon ausgehen, dass das Wachstum im kommenden Jahr niedriger ausfallen wird. Nevado: Das ist natürlich ein Grund, weshalb gerade die Zinsen für längere Laufzeiten ins- gesamt nur langsam ansteigen. Die Marktteil- nehmer signalisieren damit im Grunde, dass sie auf mittlere Sicht eher eine Stagnation erwarten. Denn Investoren sind offenbar mit den niedrigen Sätzen bei kurzen Laufzeiten immer noch so zufrieden, dass sie im Endef- fekt noch nicht einmal eine Laufzeitprämie für länger laufende Anleihen erwarten. Sonst wäre nicht zu erklären, dass die Zinsen für lang laufende Anleihen deutlich weniger stark angestiegen sind als bei den kurzen Laufzei- ten. Eine Rendite von 3,1 Prozent für 30-jäh- rige US-Treasuries bedeutet bei einer Inflation nahe zwei Prozent eine immer noch extrem niedrige Realverzinsung. Und was Consen- sus-Schätzungen oder die Erwartungen ver- Juan Nevado: „Unsere hohe Cashposition gibt uns die Möglichkeit, in preiswerter gewordene Assets zu investieren, wenn Märkte korrigiert haben.“ 76 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 markt & strategie I fondsmanager im kreuzverhör KREUZ VERHÖR » Es ist verrückt, sein Risiko in dem Moment zu erhöhen, wenn die Schwankungen an den Märkten zurückgehen. « Juan Nevado, M&G Investments Alle Fotos: © Sarah Weal
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