FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018
meintlicher Experten wert sind, wissen wir al- le doch noch aus der jüngeren Vergangenheit. Heuser: Was meinen Sie damit konkret? Nevado: Vor zwei Jahren lagen alle mit ihren Prognosen falsch – sowohl IWF wie auch OECD und Weltbank. Denn zu einer Stagna- tion ist es nicht gekommen, trotz der Neuaus- richtung von China Anfang 2016, einem zeit- weise extrem gedrückten Ölpreis wie auch einer Brexit-Entscheidung hier in Großbritan- nien und den Befürchtungen im Zusammen- hang mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Im Gegenteil: Es kam zu erfreulichen Überraschungen bei Wachstum, Unternehmensgewinnen und Aktienmärkten. Im Rückblick muss man doch feststellen, dass sich die Aktienkurse seit Anfang 2016 gerade deshalb so gut entwickelt haben, weil sie da- mals viel zu niedrig bewertet waren. Deshalb sind wir in unserem Fonds sehr gut damit ge- fahren, nicht auf diese Experten zu hören, sondern unseren eigenen Einschätzungen in Bezug auf die tatsächliche Bewertung von Aktien zu folgen. Die jüngste Kurskorrektur war daher eher überfällig, weil die Notierun- gen durchaus schon etwas zu weit gelaufen waren. Aktien sind auch heute noch nicht extrem preiswert, aber sie befinden sich jetzt wieder von ihrer Bewertung her auf einem langfristigen Durchschnittsniveau. Moeller: Wo investieren Sie, und wovon lassen Sie die Finger? Nevado: Wir haben wie gesagt sowohl bei europäischen wie auch bei japanischen und asiatischen Aktien zugekauft. Wir haben da- gegen US-Aktien genauso gemieden wie die sogenannten Bond-Proxies. Letzteres sind Aktien, die zwar von sinkenden und niedrigen Zinsen profitieren, aber geradezu allergisch auf Zinssteigerungen reagieren. Das sind vor allem Werte aus Branchen wie Versorger, Telekom und Konsum, aber auch Immobilien- werte. Stattdessen lag unser Fokus zuletzt unter anderem auf Banken, deren Kurse von höheren Zinsen profitieren, weil die entspre- chenden Institute damit wieder höhere Gewin- ne erzielen. Auch unsere Energiewerte, die lange Zeit vernachlässigt wurden, haben sich seit Sommer vergangenen Jahres wieder er- freulich erholt. Und schließlich finden wir im Bereich Biotechnologie immer noch günstig bewertete Unternehmen. Moeller: Und auf der Bondseite? Es fällt auf, dass Sie relativ große Netto-Short-Po- sitionen in Staatsanleihen der Industrielän- der eingegangen sind. Nevado: Das ist richtig und hat durchaus sei- nen Grund. Zum einen würden wir bei einem durchaus zu erwartenden Anstieg der Zinsen ohnehin nur Geld verlieren. Außerdem wirken die Shortpositionen wie eine Art Schutzschild, wenn Aktien trotz guter Konjunktur- und Gewinndaten bei allzu stark steigenden Zin- sen eventuell doch stärker unter Druck gera- ten. Die Finger lassen wir zudem von Unter- nehmensanleihen. Credit-Anleihen waren über die vergangenen zehn Jahre eine Assetklasse, mit der man durchaus gutes Geld verdienen konnte. Aber inzwischen sind die Spreads und die Risikoprämien so ge- ring, dass sich ein Investment nicht mehr lohnt. Im Investment-Grade- Bereich von Corporate Bonds muss man sogar mit einem negativen Ergeb- nis rechnen, weil die entsprechenden Renditen zum Teil schon geringer sind als die zu erwartende Inflation. Heuser: Auf der anderen Seite trauen Sie sich in einen Bereich wie Emerging-Mar- kets-Anleihen hinein, den andere Investo- ren eher meiden würden. Nevado: Anleihen aus Staaten wie Mexiko, Brasilien und Kolumbien, aber auch aus Indonesien bieten mit hohen Spreads gegen- über den Industrieländern eine vergleichswei- se gute Kompensation für das eingegangene Risiko. Und die entsprechenden Währungen notieren derzeit eher auf der preiswerten Seite. Außerdem haben sich die Fundamentaldaten in den genannten Ländern und den Emerging Markets allgemein verbessert, das Wachstum steigt, und die Inflation ist niedrig. Damit pro- fitieren viele Schwellenländer vom globalen Aufschwung der Wirtschaft und bieten daher eine zum Teil attraktive Risikoprämie. Außer- dem verdient man am sogenannten Carry der höheren Verzinsung, solange sich ansonsten nichts Wesentliches ändert. Aber auch in die- ser Assetklasse ist natürlich alles eine Frage der jeweiligen Bewertung. Heuser: Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine sehr hohe Cashposition, wie Sie sie in Ihrer Strategie umsetzen, angesichts der extrem geringen Verzinsung wirklich sinnvoll ist? Nevado: Wie gesagt, die einzigen Assets, die aus unserer Sicht überhaupt eine gewisse Werthaltigkeit aufweisen, sind Aktien außer- halb der USA sowie einige Emerging-Mar- kets-Anleihen. Das ist der eigentliche Grund, weshalb wir so hohe Cashpositionen halten. Juan Nevado: „Im aktuellen Verhalten der meisten Investoren spielt noch immer die nach wie vor und latent vorhandene Erinnerung sowohl an die Finanzkrise von 2008 als auch an die Eurokrise von 2011 eine Rolle.“ 78 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 markt & strategie I fondsmanager im kreuzverhör » Vor zwei Jahren lagen alle vermeintlichen Experten mit ihren Prognosen falsch – sowohl IWF wie auch OECD und Weltbank. « Juan Nevado, M&G Investments KREUZ VERHÖR Alle Fotos: © Sarah Weal
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