FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

Frank-Rüdiger Scheffler, Partner der Kanzlei Tiefenbacher Rechtsanwälte, teilt aber die Einschätzung der Insolvenzverwalter: „Die Übertragung des Eigentums nach deutschem Recht setzt voraus, dass die Vertragspartner sich über einen konkreten, individuell be- stimmten Gegenstand zum Zeitpunkt des vertraglich vereinbarten Eigentumsübergangs geeinigt haben. In den Kaufverträgen der P&R-Gesellschaften erfolgte diese Konkre- tisierung wohl nicht.“ Ein Konkretisierungs- merkmal seien die Containernummern, die aber in den Verträgen selbst nicht angegeben wurden. Die Identifikationsnummern stehen in den Eigentumszertifikaten, die sich offenbar die wenigsten Anleger ausstellen ließen. Mit einem solchen Papier könnte ein Anleger laut Scheffler eventuell etwas besser dastehen. „Denn dann wäre ein Eigentumsübergang theoretisch möglich – vorausgesetzt, ein Be- sitzmittlungsverhältnis wäre wirksam begrün- det und die betreffende P&R-Gesellschaft war zur Eigentumsübertragung berechtigt“, erklärt der Rechtsanwalt. Das bedeutet: Da die Con- tainer nicht physisch an die Investoren über- geben wurden, ist der Knackpunkt, ob der alte Eigentümer mit dem Verkauf der Container an die Anleger überhaupt einverstanden und ob P&R zu diesen Transaktionen befugt war. Rechtsanwalt Heinz-Gerd Pinkernell von der Kanzlei GGV stellt sich gegen Jaffé und meint, dass mit den Zertifikaten das Invest- ment der Anleger sehr wohl individuell zuge- ordnet werden könne. „Außerdem sind wir bei Vorliegen von Eigentumszertifikaten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – in der La- ge, den Aufenthaltsort und den tatsächlichen Mieter jedes in den Eigentumszertifikaten angegebenen Containers zu bestimmen“, so Pinkernell. Wie der Streit ausgeht, ist offen. Anleger am Zug Mitte August haben die Anleger die Formu- lare für ihre Forderungsanmeldungen erhalten. Es wurden 87.300 Schreiben an rund 54.000 Investoren versendet. Dabei haben die Insol- venzverwalter die Nichterfüllung der zwischen P&R und den Anlegern bestehenden Verträge erklärt und die Formulare mit ermittelten Schadenersatzansprüchen vorausgefüllt. Hier spielt die Eigentumsfrage eine Rolle: Wer nicht Eigentümer ist, kann „nur“ Schadener- satz aus entgangener Miete und entgangener Rückzahlung fordern. Eigentümer hingegen können ein Aussonderungsrecht, also die Her- ausgabe der Container, und einAbsonderungs- recht, also die Herausgabe der Mieten, die von den Reedereien bezahlt werden, verlangen. Da die Kanzlei Jaffé die strittige Eigentumsfrage Insolvenzverwalter Philip Heinke: „Wir gehen davon aus, dass die Anleger mit dem Verkauf einverstanden sind.“ Die Chronologie der P&R-Insolvenz Februar 2017: P&R bringt das erste Container-Direktinvestment mit einem Prospekt gemäß Vermögensanlagengesetz auf den Markt. Sommer 2017: P&R verlängert bei den laufenden Investments die Frist für die Auszahlung der Mieten an die Anleger von 30 auf 60 Tage. Private Placements sollen davon ausgenommen gewesen sein. 2. März 2018: FONDS professionell ONLINE berichtet als erstes Fachmedium über einen Zahlungsverzug bei P&R. 8. März 2018: P&R stellt den Vertrieb der aktuellen Produkte ein. 15. März 2018: Die P&R Container Leasing GmbH, die P&R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs GmbH und die P&R Container Vertriebs- und Verwaltungs GmbH melden Insolvenz an (Az. 1542 IN 727/18, Az. 1542 IN 728/18 und Az. 1542 IN 726/18 beim Amtsgericht München). 19. März 2018: Das Gericht bestellt die Rechtsanwälte Michael Jaffé und Philip Heinke (beide Kanzlei Jaffé Rechtsanwälte) als vorläufige Insolvenzverwalter. 19. März 2018: Nach langer Funkstille gibt P&R eine schriftliche Presseerklärung ab. Das Unternehmen nennt über 51.000 betroffene Anleger. 21. März 2018: Die Staatsanwaltschaft München I leitet von Amts wegen ein sogenanntes Vorprüfungsverfahren ein. Geprüft wird das Vorliegen eines Anfangs- verdachtes der Insolvenzverschleppung. Mitte April 2018: Das Gericht bestellt die vorläufigen Gläubigerausschüsse für die drei insolventen Gesellschaften. 17. April 2018: Die vorläufigen Insolvenzverwalter berichten, dass sie von den vorläufigen Gläubigerausschüssen in ihren Ämtern bestätigt worden seien. Die Bestandsauf- nahme und Analyse der Zahlen werde angesichts der großen Zahl an Containern und der rechtlichen Komplexität noch einige Zeit in Anspruch nehmen. 26. April 2018: Die P&R Transport-Container GmbH, die seit 2017 Emittentin der neuen Direktinvestments nach dem Vermögensanlagengesetz ist, und die P&R AG melden Insolvenz an (Az. 1542 IN 1127/18 und Az. 1542 IN 1128/18). Das Gericht bestellt die Rechtsanwälte Michael Jaffé und Philip Heinke als vorläufige Insolvenzverwalter. 27. April 2018: Die vorläufigen Insolvenzverwalter erklären, dass von den weiteren Insolvenzen rund 14.900 Anleger betroffen seien. 95 Prozent dieser Investoren hätten auch Verträge mit den seit März insolventen Gesellschaften. 17. Mai 2018: Die vorläufigen Insolvenzverwalter teilen mit, dass fast eine Million Container fehlen. Es seien rund 1,6 Millionen Container an die Investoren verkauft worden, in der Flotte befänden sich aber nur rund 618.000 Container. 17. Mai 2018: Die Staatsanwaltschaft München I bestätigt Ermittlungen „gegen frühere und heutige Geschäftsführer der P&R Gruppe unter anderem wegen des Verdachtes des Betruges“. In der Ermittlungsbehörde sei eine „Arbeitsgruppe Container“ gebildet worden. Juni 2018: Der Containerinvestmentmanager Buss Capital bietet P&R-Anlegern seine Hilfe an. Er würde die Investoren auf den Gläubigerversammlungen vertreten. 13. Juni 2018: Wolfgang Stömmer ist im Alter von nur 57 Jahren verstorben. Der langjährige Vertriebsleiter der P&R Gruppe war von 2013 bis 2016 Geschäftsführer unter anderem der P&R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs GmbH und von 2012 bis 2016 sogar Vorstandsmitglied der P&R AG. Stömmer ist 2016 aus der P&R Gruppe ausgeschieden. Sein früherer Geschäftsleiterkollege beim Containeranbieter Werner Feldkamp ist im Mai 2016 verstorben. 25. Juni 2018: Die Insolvenzverwalter erklären, dass die 54.000 Investoren nicht Eigentümer der Container sind. 1. Juli 2018: Das Amtsgericht München eröffnet für die P&R AG das reguläre Insolvenzverfahren. Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Philip Heinke. 24. Juli 2018: Das Amtsgericht München eröffnet für die vier weiteren P&R-Gesellschaften die Insolvenzverfahren. Die bestellten Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Michael Jaffé und Rechtsanwalt Philip Heinke, sprechen danach von einem strafrechtlich relevanten Fall, bei dem es sich um ein Schneeballsystem handeln könnte. August 2018: Die Anleger erhalten die Aufforderung und Formulare zur Anmeldung ihrer Forderungen. Die Anmeldefrist endet am 14. September 2018. Quelle: P&R, Kanzlei Jaffé, AG München, eigene Recherche 205 www.fondsprofessionell.de | 3/2018

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