FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

E igentlich schien ein Durchbruch in den zähen Verhandlungen um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ein Stück näher zu rücken: Die beiden vehementen Brexit-Verfechter Boris Johnson und David Davis traten aus dem Londoner Kabinett zurück. Premierministerin Theresa May schien ihre Mannschaft auf einen ein- heitlichen Kurs eingeschworen zu haben. Doch die Verhandlungen verlaufen unverän- dert zäh, eine Einigung ist in weiter Ferne. Derweil setzen immer mehr Fondsma- nager ihre Pläne für den Brexit um. Einige wappnen sich sogar für einen ungeordneten Aus- tritt. Die Furcht wächst, dass britische Anbieter ihre Fonds nicht mehr in der EU vertreiben können. Juristen gehen davon aus, dass bri- tische UCITS-Fonds künftig als alternative Investmentfonds eingestuft werden, was den Vertrieb an Privatanleger erschwert. Umge- kehrt scheinen EU-Anbieter keine oder nur geringe Einschränkungen auf der Insel fürch- ten zu müssen. Denn nach dem Kabinettsabgang von John- son und Co. folgte eine herbe Enttäuschung für die Londoner Finanzszene: In dem daraufhin be- schlossenen Eckpunkte-Papier für die Brexit-Verhandlungen findet der Punkt der gegenseitigen Aner- kennung von Finanzprodukten und -dienstleistungen keinerlei Er- wähnung. Eine wechselseitige An- erkennung der Regulierungsstan- dards hätte es ermöglicht, das be- stehende System weiterleben zu lassen – quasi durch die Hintertür. „Es ist enttäuschend und frus- trierend, dass dieser Ansatz fallen gelassen wurde, noch bevor er es überhaupt an den Verhandlungs- tisch schaffte“, sagte Miles Celic vom Interessenverband „The City UK“. Die britische Regierung schlägt stattdessen vor, dass die Gemeinschaft in größerem Umfang Dienstleistungen aus Nichtmitgliedsstaaten in ihrem Binnenmarkt zulässt, sofern deren Regulierungsstandard dem der EU entspricht. Dies geschah bislang nur fragmentarisch. Brückenköpfe bauen Angesichts dieser Entwicklung rüsten sich britische Asset Manager, indem sie ihrem Sortiment eine EU- Zulassung verschaffen – so- fern die Insulaner nicht ohne- hin ihre Produkte über ein konti- nentales Domizil vertreiben. Von den im hie- sigen Retailvertrieb besonders aktiven Häusern verkauften lediglich M&G und Columbia Threadneedle im größeren Stil britische Fonds. Für diese beide Gesell- schaften hatte es daher höchste Priorität, einen Brückenkopf in der EU zu etablieren. „Ein Teil unserer Kunden ist momentan in Fonds investiert, die wir in Großbritannien aufgelegt haben“, erläutert Florian Uleer, Deutschlandchef von Columbia Threadneedle. „Im Zuge des Brexit werden OEIC-Fonds mit Sitz in Großbritannien höchstwahrscheinlich ihren OGAW-Status verlieren, wenn die Über- gangsphase abgelaufen ist.“ Um sicherzu- stellen, dass EU-Kunden nicht von möglichen Brexit-Folgen betroffen sind, übertrage sein Haus die Vermögen auf in der EU aufgelegte Produkte. „Dafür nutzen wir unsere etablierte Luxemburger Fondsplattform, über die wir schon viele unserer Fonds aufgelegt haben“, sagt Uleer. Auf so eine Plattform konnte M&G nicht zugreifen. Daher gründete das Traditionshaus nach dem Bre- xit-Referen- dum in Lu- x e m b u r g eine neue Rechts- und Gesellschaftsstruktur sowie eine SICAV-Plattform. „Schritt für Schritt heben wir die Gelder internationaler Anleger aus britischen in Luxembur- ger Fonds um. Wir folgen damit den Wünschen der Anleger“, sagt Werner Kolitsch, M&G-Länderchef für Deutschland und Österreich. Gewaltige Aufgabe „Wir stehen vor einer gewaltigen Aufgabe“, berichtet Kolitsch. So kündigten die Briten Anfang des Jahres an, vier vorwiegend außer- halb des Königreichs vertriebene Fonds mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro nach Luxemburg umzuheben. Im Mai folgte die nächste Etappe: Anleger von 21 weiteren Anteils- klassen mit einem Gesamtvolu- men von rund 40 Milliarden Euro erhielten einen Umzugstermin. Darunter sind Flaggschiffe wie der M&G Optimal Income von Star- manager Richard Woolnough, der European Corporate Bond Fund oder der Global Dividend Fund. Die Anleger eines Fonds belassen die Briten aber aus steuerlichen Gründen in dem OEIC: den M&G Global Themes, früher als Global Basics bekannt (Details zu steuerlichen Folgen einer Verla- gerung lesen Sie auf Seite 346). Der Countdown läuft: Der britische Finanzplatz ist bald kein Teil der EU mehr. Fondsanbieter treiben ihre Umzugspläne voran – und wappnen sich für alle Fälle. Wenn der Schlagbaum fällt Briten glauben an Brexit ohne Folgen Frage: Wie wird sich der Brexit auf die Finanzmarktregulierung auswirken? Welche Folgen der Brexit hat, darüber kursieren unter Finanzprofis dies- und jenseits des Ärmelkanals unterschiedliche Einschätzungen. Quelle: Umfrage des CFA-Instituts, März 2018 Foto: © blobbotronic, Trueffelpix | stock.adobe.com 284 www.fondsprofessionell.de | 3/2018 vertrieb & praxis I brexit

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