FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018
Foto: © Cornelis Gollhardt D ie Deutsche Post und die Postbank leben in einer wohl einzigartigen Symbiose: Die Bank verkauft in ihren Filialen auch Briefmarken und nimmt Pakete entgegen, die Post wiede- rum bietet in ihren Zweigstellen auch Finanzdienstleistungen an. Das beschert der Postbank nach eigenen Angaben täg- lich 700.000 zusätzliche Kundenkontakte – mit Menschen, die sonst nicht in die Filiale kämen. Abgesehen von diesem Kooperationsvertrag haben die Post und die Postbank freilich nicht mehr viel mit- einander zu tun. Schon 2004 brachte der damalige Postchef Klaus Zumwinkel die Hälfte der Aktien seiner Banktochter an die Börse, und vier Jahre später gab die Deutsche Bank bekannt, das Institut mehrheitlich übernehmen zu wollen. Seit 2015 gehört die Postbank zu 100 Prozent der Deutschen Bank, seit Mai dieses Jahres ist die Postbank nur noch eine Zweigniederlassung der DB Privat- und Firmenkundenbank. Trotz dieser engen Integration agiert das Bonner Institut zumindest nach außen hin sehr eigenständig. Beispielsweise treibt die Post- bank seit einiger Zeit ihr zuvor eher unter- entwickeltes Wertpapiergeschäft voran – mit durchaus beachtlichem Ergebnis: Im vergan- genen Jahr belief sich das Neugeschäft mit Fonds auf 2,3 Milliarden Euro, ein Plus von 0,5 Milliarden Euro zum Vorjahr. Unterm Strich wuchs das Volumen der Depots und Anlagekonten 2017 um 1,8 auf 16,8 Milliar- den Euro. FONDS professionell traf Karsten Rusch, der dieses Geschäft verantwortet, in der Bonner Zentrale zum Interview. Herr Rusch, in den jüngsten Geschäfts- berichten der Postbank ist von einer „neuen Wertpapierstrategie“ die Rede, die zu großen Steigerungen im Fonds- absatz führte. Wie kam es zu dieser neuen Strategie? Und was steckt konkret dahinter? Karsten Rusch: Die Entscheidung fiel schon vor einigen Jahren. Der Hintergrund waren die Änderungen am Markt. Es war offensicht- lich, dass uns eine längere Niedrigzinsphase bevorstehen würde, zudem stand Mifid II vor der Tür. Das hat uns dazu bewogen, grund- sätzlich über unsere Wertpapierstrategie nach- zudenken. Wir wollten unseren Kunden auch in diesem Bereich ein besseres Angebot ma- chen. Für die Umsetzung haben wir uns dann zwei Jahre Zeit genommen. Wir haben wirk- lich jeden Schritt der Prozesskette genau be- trachtet, von der Depoteröffnung bis hin zum Reporting. Dazwischen steckt jetzt ein völlig neuer Beratungsprozess. Den haben wir von Grund auf neu definiert und Stück für Stück programmiert. Die neue Strategie wurde dann ab Dezember 2016 ausgerollt. Damals war grob absehbar, was wegen Mifid II auf die Anlageberater zukommt, viele Details standen aber noch aus. Mussten Sie das Paket noch mal auf- schnüren, bevor die neuen Regeln schließlich am 3. Januar dieses Jahres in Kraft getreten sind? Wir sind in mehreren Schritten vorgegangen. Zunächst haben wir den Beratungsprozess an sich neu definiert. Die regulatorischen Neue- rungen haben wir in den Prozess und die IT eingearbeitet, sobald sie sich klarer ab- gezeichnet haben. Wir haben vieles ge- danklich vorweggenommen und mussten deshalb nicht allzu viel überarbeiten. Die aktuelle Mifid-II-Komplettversion war Ende 2017 fertig und ist seit 3. Januar im Einsatz. Welche Elemente umfasst der Bera- tungsprozess? Die Postbank steht für das Konto. Des- halb startet unser Beratungsprozess auch bei diesem Kernprodukt. Wir klären zunächst, wie viel Geld der Kunde auf dem Konto jederzeit verfügbar braucht, um seinen täglichen Bedarf zu decken. Im zweiten Schritt geht es um die Frage, was er zurückgelegt hat, beispielsweise für größere Anschaffungen. Oft ergibt sich daraus bereits ein Anlagebedarf, weil der Kunde zu viel Geld verfügbar oder zurück- gelegt hat. Jetzt kommt der Topf „Investiert“ ins Spiel. Hier reden wir mit dem Kunden dezidiert über seine Wünsche, seine Ziele und sein Risikoprofil. Aus den drei Bausteinen „Verfügbar“, „Zurückgelegt“ und „Investiert“ bildet sich auch die Abkürzung für unseren Beratungsprozess: VZI. Einen ähnlichen Prozess gab es zuvor nicht? Nein, das ist für die Postbank komplett neu. Früher dominierte bei uns der Verkauf von Einzelprodukten. Jetzt haben wir uns bewusst für einen ganzheitlichen Beratungsprozess entschieden. Wir haben Punkte wie die Auf- nahme der Vermögensverhältnisse oder die Ermittlung der Risikotragfähigkeit, wie sie Mifid II fordert, gleich in den Beratungs- prozess integriert. Wie viele Anlageberater arbeiten inzwi- schen bei der Postbank? Derzeit arbeiten über 200 Kolleginnen und Kollegen in der Anlageberatung. Alle haben umfangreiche Schulungen durchlaufen, so- wohl zum Beratungsprozess als auch zu den Karsten Rusch , verantwortlich für die Produktlinien Wertpapier und Versicherungen bei der Postbank , über seinen neuen Beratungsprozess, die Rekrutierung neuer Anlageberater, strategische Partnerschaften mit Fondsanbietern und die Frage, was die Integration in die Deutsche Bank für das Investmentgeschäft bedeutet. „Wir bieten gewissermaßen ein » Früher dominierte bei uns der Verkauf von Einzelprodukten. Jetzt haben wir uns bewusst für einen ganzheitlichen Beratungsprozess entschieden. « Karsten Rusch, Postbank bank & fonds I karsten rusch | postbank 302 www.fondsprofessionell.de | 3/2018
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