FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

D ass Firmen aus der analogen Welt ins Internet gehen, ist mittlerweile selbst- verständlich. Die wenigsten Unterneh- men kommen ohne eigene Homepage oder einen Onlineshop aus. Dass digitale Unter- nehmen aber analog gehen, geschieht nicht alle Tage. Jetzt hat das Internetportal Finanz- check.de , das Ratenkredite für den Autokauf oder die Renovierung der Wohnung vermit- telt, diesen Schritt gewagt – und eine Präsenz- filiale in Hamburg eröffnet. An der Adresse Bleichenbrücke 11, fußläu- fig vom Jungfernstieg entfernt, beraten unter der Woche zwischen 10 und 19 Uhr und samstags bis 18 Uhr drei Kundenbetreuer In- teressenten mit Kreditbedarf. „Es gab immer öfter Kunden, die sich ein persönliches Ge- spräch vor Ort wünschten“, begründet Ver- kaufsleiter Thorsten Smeets die Neugründung (siehe Interview nächste Seite). Aber auch ganz praktische Argumente sprachen dafür: Da viele Kunden in den Räumen der Ham- burger Zentrale erschienen und man für die Beratung die internen Besprechungsräume in Beschlag nahm, mussten die Mitarbeiter ihre Meetings immer öfter im Flur abhalten. Mit der Filialgründung hofft man auch auf steigende Abschlusszahlen, denn die meisten Konsumentenkredite werden in Deutschland immer noch offline verkauft. Zwar erhöhte sich der Anteil der Online-Ratenkredite nach einer Analyse der GfK im Auftrag des Ban- kenverbandes in den vergangenen beiden Jah- ren von 21 auf 27 Prozent. Der Großteil wird jedoch weiterhin in der analogen Welt abge- wickelt, vor allem in der Bankfiliale. Dennoch möchte sich Finanzcheck.de, das im Juli dieses Jahres für 285 Millionen Euro an den Internetmarktplatz Scout 24 verkauft wurde, nicht von seinem digitalen Geschäfts- modell verabschieden. „Das Bedürfnis nach einem Termin in der Filiale kann auch parallel bestehen. Viele Kunden schätzen digitale Angebote sehr und möchten diese nicht mehr missen – sie wollen eben zusätzlich den Filial- kontakt“, erklärt Smeets. Neben der Ge- schäftsstelle und dem Internetportal setzt das Unternehmen, das 225 Mitarbeiter beschäftigt, auf Partnerprogramme (Affiliate), um zu Ab- schlüssen zu kommen. Kooperationspartner, etwa freie Finanzberater, können wählen, ob sie pro Kreditabschluss (1,75 Prozent der abgeschlossenen Kreditsumme) oder Lead (je 26 Euro) vergütet werden wollen. Pionier Interhyp Finanzcheck.de ist nicht das einzige Fintech mit Filiale. Im Jahr 2010 wagte es der zur ING-Gruppe gehörende Baufinanzierer Inter- hyp als wohl erstes Unternehmen aus der digitalen Welt, Präsenzfilialen zu eröffnen. Mittlerweile ist das Unternehmen bundesweit an über 110 Standorten vertreten. „Die Bau- finanzierung ist für die meisten Menschen die mit Abstand größte finanzielle Entscheidung in ihrem Leben. Dementsprechend suchen selbst ‚Digital Natives‘ die individuelle und persönliche Beratung vom Spezialisten“, begründet Interhyp-Privatkundenvorstand Mirjam Mohr die Entscheidung. „Zweifellos war der Schritt, die digitalen Leistungen um die persönliche Präsenz zu ergänzen, ein wichtiger Treiber für unser Wachstum.“ Die Niederlassungen der Interhyp sind stark frequentiert, am Standort Hamburg beispiels- weise arbeiten mehr als 50 Mitarbeiter. Und nicht nur ältere Kunden suchen die Filialen auf. „Den typischen Filialkunden gibt es gar nicht. Das Bedürfnis nach persönlicher Unter- stützung vom unabhängigen Spezialisten ist bei einer so weitreichenden Entscheidung bei fast allen Kunden sehr ausgeprägt“, so Mohr. Die Eröffnung weiterer Standorte möchte sie nicht ausschließen. Hohe Kosten Finanzcheck.de macht keine Angaben über die Kosten des Filialbetriebs. „Wir möchten, dass unsere Kunden zufrieden sind, deshalb stellen wir da keine rein wirtschaftliche Rech- nung auf“, sagt Smeets. „Wenn unsere Kun- den ein persönliches Gespräch mit ihrem Kre- ditspezialisten bevorzugen, dann wollen wir ihnen diese Möglichkeit auch bieten.“ Um einen Anhaltspunkt für die Kosten eines Filialbetriebs zu bekommen, hilft ein Blick auf die „großen Schwestern“, die Ban- ken. Einem Branchenkenner zufolge summie- ren sich die laufenden Kosten bei den Banken für eine Kleinstfiliale (1,8 Mitarbeiter) auf dem Land auf mindestens 200.000 Euro jähr- lich. Darin sind Personal- und Sachkosten ent- halten. Größere Filialen mit rund fünf Mitar- beitern kommen auf Kosten von 650.000 Euro aufwärts. Die Anmietung von Filialen in guten städtischen Lagen dürfte dementspre- chend teurer sein. Hinzu kommen Ausgaben für die Erstausstattung der Räumlichkeiten. Die Internetplattform Finanzcheck.de eröffnet eine Präsenzfiliale in der Hamburger Innenstadt – und ergänzt damit ihr Onlineangebot. Fintech mit Filiale Hamburg, Bleichenbrücke 11: Hier in der Nähe des Jungfernstiegs berät Finanzcheck.de Kunden analog statt digital. Die Zentrale des Kreditvermittlers liegt eine Viertelstunde entfernt am Bahnhof Altona. Foto: © Andreas Rehmann, Finanzcheck.de 320 www.fondsprofessionell.de | 3/2018 bank & fonds I fintechs

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