FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

Nicht für jeden scheint die Präsenz in der analogen Welt geeignet zu sein. Der Nutzen von Niederlassungen hängt vom individuellen Angebot ab. „Als Gründer eines digitalen Ver- mögensverwalters sehe ich wenig Sinn darin, zurück in die analoge Welt zu gehen und Fi- lialen zu eröffnen“, sagt beispielsweise Lars Reiner, Geschäftsführer der Geldanlageplatt- form Ginmon. „Zum einen, weil wir mit un- serem Angebot international aufgestellt sind und es somit schlichtweg nicht möglich ist, ein Filialnetz aufzubauen. Zum anderen aber auch, weil dieses Modell alle Kostenvorteile, die durch die Digitalisierung dieser Prozesse entsteht, zunichtemachen würde.“ Ginmon habe von den Kunden bisher nicht signalisiert bekommen, dass Interesse an einer Beratung vor Ort besteht, so Reiner. Anstatt stationäre Filialen vor Ort zu eröffnen, arbeitet der Vermögensverwalter daran, die digitale Beratung zu verbessern. Auch andere Fintechs wie die Smartphone-Bank N26 planen derzeit nicht, in Filialen zu investieren. Multikanalvertrieb Dass Fintechs mit Filialen ihre Zielklientel aus den Augen verlieren, glauben Branchen- experten nicht. „Klar hat die ‚Generation Y‘ einen anderen Zugang zu neuen Medien als frühere Generationen. Doch auch die jungen Generationen wollen nicht auf den persön- lichen, vertrauensbildenden Kontakt in der Filiale verzichten“, sagt Marc Letzing, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Metamorf. Zudem sei gerade die „Gen Y“ prädestiniert als Beratungskunde: „Sie strebt nach Unabhängigkeit und Individualität“, so Letzing, „allerdings tut sie sich schwer mit der Erarbeitung und Bewertung komplexer Sach- verhalte. Bei Entscheidungen ist sie unsicher.“ Eine Beratung könne dabei helfen, die Infor- mationen, die über neue Medien aufgenom- men werden, zu strukturieren und zu bewerten – und die Entscheidung so zu erleichtern. Bei der Kundengewinnung scheint es also nicht den einen allein seligmachenden Weg zu geben. „Wir verfolgen einen Multikanal- ansatz und lassen den Kunden die Freiheit, sich für ihren präferierten Weg zu entscheiden und auch die Kanäle jederzeit zu wechseln“, sagt Interhyp-Managerin Mohr. Ob der Kunde also erst eine Onlineanfrage ausfülle, einen Termin in der Filiale vereinbare oder anrufe, sei allein ihm überlassen. „Am Ende suchen die Kunden jemanden, der sie kompetent be- rät und Vertrauen erweckt. Gute und vor allem engagierte Servicemitarbeiter sind hier das A und O“, sagt Ginmon-Chef Reiner. Und dann ist es auch egal, ob die Beratung digital oder analog erfolgt. MARCUS HIPPLER | FP Thorsten Smeets | Finanzcheck.de „Das Beste aus beiden Welten “ Thorsten Smeets, Verkaufsleiter bei Finanzcheck.de, über die Eröffnung einer Präsenzfiliale in Hamburg, Pläne für weitere Niederlassungen und besondere Kunden, die schon mal eine Flasche Sekt vorbeibringen. T horsten Smeets ist Be- triebswirt und besitzt einen Magister der Medienwis- senschaft. Bevor er zu Finanz- check.de kam, war er Marke- tingchef bei Paydirekt, dem On- linezahlverfahren der deutschen Banken und Sparkassen. Herr Smeets, warum hat Ihr Unternehmen eine „analoge“ Filiale eröffnet? Thorsten Smeets: Immer mehr Kunden wünschten sich ein per- sönliches Gespräch vor Ort. Wir haben diesen Wunsch gern er- füllt und angefangen, Kunden hier in unseren Büros in Hamburg-Altona zu empfangen. In der Folge waren immer mal wieder Konfe- renzräume besetzt, weil darin Beratungs- gespräche stattgefunden haben. So kam die Idee, eine Filiale zu eröffnen. Welches Feedback erhalten Sie? Ziehen Sie auch Laufkundschaft an? Das Feedback der Kunden ist durchweg positiv. Vor Kurzem brachte eine Kundin, die bereits zum dritten Mal vor Ort war, ihrem Kreditspe- zialisten eine Flasche Sekt als Dankeschön vorbei. Und ja, es gibt tatsächlich Laufkundschaft, besonders aus benachbarten Läden oder Büros kommen Leute auch mal in der Mittags- pause vorbei. Es gibt auch ganz besondere Kunden: Einem fast 80-Jährigen, der in der Zeitung über unsere Filiale gelesen hatte, konn- ten wir mit einem Kredit helfen. Ohne Filiale hätte er nie zu uns gefunden, und bei seiner Haus- bank waren die Schotten dicht für ihn. Gibt es einen bestimmten Kundentypus, der verstärkt in die Filiale kommt? Die individuellen Präferenzen, warum je- mand „analog“ bevorzugt, lassen sich nicht zu einem bestimmten Kundentypus zusam- menfassen. Es kann ganz unabhängig von Alter oder Einkommen sein, ob es jemandem wichtig ist, in persönlichen Kontakt zu treten. Viele Kunden schätzen digitale Angebote sehr und möchten diese nicht mehr missen, wollen aber zusätzlich den Filialkontakt. Wir bieten das Beste aus beiden Welten – den unabhängigen Kreditvergleich, kombiniert mit der persönlichen Beratung vor Ort. Planen Sie weitere Präsenzfilialen? Die Filiale wird von unseren Kunden so gut angenommen, dass wir tatsächlich die Idee verfolgen, weitere Standorte in Großstädten zu eröffnen. Wir erhalten auch entsprechende Anfragen von Kunden aus ganz Deutschland, die einen Kreditspezialisten persönlich treffen wollen. Es ist jedoch noch nichts spruchreif. Ist der Mix aus digitaler und analoger Präsenz das Erfolgsrezept der Zukunft? Auch wenn derzeit der Niedergang der klas- sischen Filiale diskutiert wird, glaube ich, dass Filialkonzepte, wenn man sie radikal neu und besser denkt, sehr wohl Sinn ergeben. Der Kunde möchte sein Wunschprodukt. Es liegt am Unternehmen, es ihm zu liefern – wo und wie er es will. Wir haben uns an den Kundenbedürfnissen orientiert und sehr gute Erfahrungen gemacht. Thorsten Smeets, Finanzcheck.de: „Einem fast 80-Jährigen konnten wir mit einem Kredit helfen.“ 321 www.fondsprofessionell.de | 3/2018

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