FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

V on der „stanza dei bottoni“, dem „Raum der Knöpfe“, sprechen die Ita- liener und meinen damit Schaltzentra- len der politischen Macht. Im Jakob-Kaiser- Haus im Berliner Regierungsviertel gibt es viele Räume, in denen täglich an Knöpfen ge- dreht, auf Schalter gedrückt und an Strippen gezogen wird. In diesem Komplex, der acht Gebäude umfasst, haben 314 Abgeordnete des Deutschen Bundestages ihre Büros. Auch einige finanzpolitische Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien sitzen hier. Nachdem die Unterzeichnung des Koalitions- vertrags sechs Monate zurückliegt und der politische Betrieb nach der Sommerpause wieder läuft, hat die Redaktion die Finanzex- perten in Berlin besucht. Sie standen zu vielen Fragen der Finanzpolitik Rede und Antwort. Hier sind ihre Positionen – die ausführlichen Interviews stehen auf FONDS professionell ONLINE (siehe QR-Code amArtikelende). Übermäßig viel Bürokratie Nach einem knappen Dreivierteljahr unter dem Regime von Mifid II könne allenfalls ein Zwischenfazit gezogen werden, findet Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Und das fällt positiv aus“, sagt sie. Ja, es habe einige An- laufschwierigkeiten gegeben, das befürchtete Chaos sei aber ausgeblieben. Ihr Kollege von der SPD, Lothar Binding, sieht die Sache ähn- lich entspannt. Er habe den Eindruck, dass die ersten Monate unter Mifid II reibungslos ver- laufen sind. „Jetzt warten wir erst einmal ab, wie es weitergeht, und schauen in Ruhe, wo die Probleme wirklich liegen“, sagt Binding ganz locker. Ganz anders stehen Florian Toncar, FDP, und Gerhard Schick, Bündnis 90 / Die Grü- nen, zur Umsetzung der EU-Finanzmarkt- richtlinie in Deutschland. Beide Politiker spre- chen von einer übermäßig hohen Bürokratie, die mit Mifid II aufgebaut worden sei. „Man muss sich klarmachen, dass diese Form von vermeintlichem Verbraucherschutz auch von allen Verbrauchern bezahlt wird, weil die Kosten für die Anlageberatung steigen und die Rendite der Produkte leidet“, konstatiert Toncar. Ihm falle viel dazu ein, welche Vor- schriften gestrichen werden könnten. Die Bundesregierung solle in dieser Beziehung dringend in den Dialog mit den betreffenden Akteuren treten, rät der FDP-Finanzpolitiker. Für Schick steht fest, dass Mifid II tatsäch- liche Interessenkonflikte, wie sie seiner An- sicht nach in der Provisionsberatung auftreten, nicht gelöst hat. Und er kritisiert die deutsche Regelung, nach der ein breites Filialnetz Pro- visionen rechtfertigen kann. „Das ist eine frag- würdige Sonderregelung zum Schutz einiger Banken“, erklärt er. Zu komplizierte Regelungen Auch Fabio de Masi, neuer finanzpoliti- scher Sprecher der Linken, zeigt sich unzu- frieden. Aufgrund von Lobby-Druck sei es vereinzelt zu unnötig komplizierten Regelun- gen gekommen. „Teile des heutigen Finanz- marktes sind rein auf Spekulation ausgelegt und durch umständliche Regeln nicht sicher zu gestalten“, sagt er. De Masi hält daher an der alten Forderung der Linken nach einem „TÜV“ für Finanzprodukte fest. Und Kay Gottschalk von der AfD, dessen Positionen in ihrer Absolutheit von denen der Sprecher aller anderen Parteien oft drastisch abweichen, möchte die Uhr in Sachen Finanzmarktregu- lierung glatt um zehn Jahre zurückdrehen. „Mifid und Mifid II haben uns nicht viel gebracht“, erklärt er. Es sei dringend geboten, sich auf die alten Regelungen zu besinnen. „Wichtig ist, dass ein Berater mit Fingerspit- zengefühl herausfindet, welches Produkt für einen Anleger geeignet ist“, sagt Gottschalk. „Es führt doch zu nichts, wenn ein Kunde ein 60-seitiges Protokoll mit nach Hause nimmt“, findet er. Die Kosten der aktuellen Überregu- lierung des Marktes landeten letztendlich beimAnleger und schmälerten seine Rendite. An eine Rückbesinnung auf die Zeiten vor Mifid denkt außer dem AfD-Politiker zwar niemand – wohl aber an eine Überprüfung der Vorschriften, die die verschiedenen Regulie- rungsprojekte der vergangenen Jahre mit sich gebracht haben. „Nach der Finanzkrise wurde ein großer Regulierungseifer an der Tag ge- legt“, sagt Lothar Binding. Daher sei es gut möglich, dass es an der einen oder anderen Stelle zu Überlappungen oder gar zu Wider- Mifid II, Provisionsdeckel, 34f-Vermittler unter Bafin-Aufsicht: Ein halbes Jahr nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags klopft FONDS professionell die Positionen der Bundestagsparteien ab. Stimmen aus der Machtzentrale Jakob-Kaiser-Haus im Berliner Regierungsviertel: Hier haben 314 Abgeordnete des Deutschen Bundestags ihre Büros. Das ist der Ort, an dem bedeutende Vorhaben geplant werden und wichtige Entscheidungen fallen. Foto: © Konstantin von Notz, MdB, Bündnis 90/Die Grünen 334 www.fondsprofessionell.de | 3/2018 steuer & recht I finanzpolitik

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