FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

„Hier muss die Aufsicht besser werden, denn es gab viele Hinweise und Ungereimtheiten“, so Schick. Auch Finanzminister Olaf Scholz stehe in der Pflicht, die Bafin auf Trab zu bringen. Ähnlich äußern sich Gottschalk und de Masi. Als FONDS professionell die Reise durch das politische Berlin unternahm, lag der Eva- luierungsbericht des Bundesfinanzministe- riums zum Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) bereits vor. Darin schlägt das Minis- terium verschiedene Maßnahmen zur Ergän- zung und Anpassung des Gesetzes vor. Ziel ist es, die Vorschriften an die anhaltende Niedrigzinsphase anzupassen und den Ver- braucherschutz weiter zu stärken – unter an- derem über einen Provisionsdeckel. Provisionsdeckel „überfällig“ „Die Einführung eines gesetzlichen Provi- sionsdeckels ist überfällig“, erklärt de Masi. Von Provisionssystemen gingen Fehlanreize für Vermittler aus. „Daneben hat es die Bran- che verabsäumt, die Abschlusskosten zu sen- ken. Auch vor diesem Hintergrund ist es kon- sequent, endlich zu reagieren“, sagt er. Toncar hält dagegen. Es sei wichtig, die gewachsenen Strukturen im deutschen Versicherungsmarkt nicht durch einen Provisionsdeckel zu zerstö- ren. „Preisregulierung ist meistens von Nach- teil für den Wettbewerb und die Qualität des Angebots“, weiß er. Angestellte Vermittler dürften nicht einseitig bevorteilt werden. „Zudem hat die Evaluation des LVRG keine Gründe für eine weitere Absenkung der Abschlusskosten geliefert“, erklärt Toncar. Gottschalk hält eine Deckelung von Provi- sionen in der Lebensversicherung nicht für grundsätzlich falsch. Sie auf 15 bis 25 Pro- mille zu drücken, findet er jedoch völlig über- trieben. „Man muss sich wirklich fragen, ob Haftung, Beratung, Verwaltung, Dokumenta- tion und Erreichbarkeit damit noch darstellbar wären“, sagt der AfD-Politiker. Ein so harter Schnitt könne dazu führen, dass der Gesetz- geber indirekt eine Komplettbereinigung der Vermittlerlandschaft vornehme. Das könne nicht die Zukunft sein. Neuer Rettungsfonds? Und welcher Zukunft gehen die deutschen Lebensversicherer angesichts des anhaltenden Niedrigzinsniveaus selbst entgegen? Reichen die Maßnahmen und Instrumente, die die bestehenden Gesetze vorsehen, aus, um zu verhindern, dass Versicherer in eine Insolvenz steuern? Oder wird in Berlin vielleicht schon eifrig über zusätzliche Rettungsmaßnahmen oder -töpfe diskutiert? Nein, sagt CDU-Frau Tillmann. „Wir haben unter anderem mit dem LVRG eine Stabili- sierung der Lebensversicherung erreicht“, er- klärt sie. Versicherer müssen strenge Vorgaben an die Solvabilität erfüllen und eine Zinszu- satzreserve aufbauen. Die Aufsicht prüfe die Einhaltung der bestehenden Regeln genau. „Sollte es dennoch zu einer Schieflage kom- men, besteht zum Schutz der Versicherten der Sicherungsfonds Protektor“, sagt Tillmann. Auch Binding möchte keinen öffentlichen Sicherungsfonds einrichten. „Ich hätte in die- sem Fall die Sorge, dass die Leichtfertigkeit, mit der einige in der Branche agiern, noch zu- nimmt“, erklärt er. Fabio de Masi hingegen ist überzeugt davon, dass Protektor als freiwillige Auffanggesellschaft nicht über ausreichende Mittel verfügt, um den Sturz auch nur eines großen Marktteilnehmers aufzufangen. „Als eine Lösung könnte ich mir zum Beispiel eine Erhebung von Sonderbeiträgen vorstellen“, sagt er. Dadurch könne situativ auf die Markt- entwicklung reagiert und eine Unterkapitali- sierung des Fonds verhindert werden. Schick sieht angesichts zu dünner Eigenkapitalpuffer der Versicherer ganz klar die Gefahr von Schieflagen. „Neben einer besseren Eigenka- pitalausstattung brauchen wir einen Siche- rungsfonds, der auch im Fall von Pleiten grö- ßerer Versicherer seinen Namen verdient“, er- klärt er. Kein Negativzins für Versicherer AfD-Politiker Gottschalk kann auch in der Frage nach der Zukunft der Versicherer mit einer eher ungewöhnlichen Idee aufwarten. „Generell bin ich zwar der Meinung, die in Deutschland bestehenden Haftungsmodelle reichen aus“, sagt er. Der Gesetzgeber sollte aber einmal darüber nachdenken, Versicherer, die Vorsorgegeschäft betreiben, vom Negativ- zins freizustellen, um sie zu entlasten. „Wenn der Staat durch das Niedrigzinsniveau schon so viel Geld auf seine Schulden spart, sollte er ernsthaft überlegen, mit den hohen Zins- ersparnissen die Altersvorsorge zu stärken“, findet Gottschalk. Seltene Einigkeit So sehr die Positionen der finanzpolitischen Sprecher auch auseinandergehen mögen, in einem Punkt stimmen sie alle überein. Und dieser betrifft gerade die Altersvorsorge: Eine säulenübergreifende digitale Rentenübersicht, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, befürworten alle Politiker. Hier herrscht Einig- keit in den „Räumen der Knöpfe“ im Berliner Jakob-Kaiser-Haus. ANDREA MARTENS | FP Gerhard Schick | Die Grünen Jahrgang: 1972 Wahlkreis: Mannheim MdB: seit 2005 Ausbildung/Studium: Diplom-Volkswirt, Studium der Finanz- wissenschaften mit anschließender Promotion Übrigens … legt Schick Ende 2018 sein Abgeordne- tenmandat nieder und gründet eine Bürgerbewegung. Fabio de Masi | Die Linke Jahrgang: 1980 Wahlkreis: Hamburg MdB: seit 2017 Ausbildung/Studium: Diplom-Volkswirt, zudem unter anderem Master of Arts International Economics Übrigens … ist de Masi Mitglied des „FC Bundestag“, der Fußballmannschaft der Abgeordneten. Kay Gottschalk | AfD Jahrgang: 1965 Wahlkreis: Viersen MdB: seit 2017 Ausbildung/Studium: Bankkaufmann, Di- plomkaufmann, BWL- Studium sowie Studium der Rechtswissenschaften Übrigens … war Gottschalk Mitglied der SPD, bevor er später zur AfD wechselte. Die ausführlichen Interviews: QR-Code scannen oder www.fponline.de/POLITIK318 eingeben  337 www.fondsprofessionell.de | 3/2018

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