FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

D iese Situation kennt fast jeder: Ein Küchengerät ist defekt, ein neues muss her. Zum Glück lässt es sich problem- los in die Küchenzeile einbauen. Der Dank dafür gebührt dem Deut- schen Institut für Normung (DIN), das seit 101 Jahren technische Standards und Normen ent- wickelt. Mittlerweile sind es mehr als 34.000. Die be- kanntesten sind die Größen für Papierblätter – DINA4 ist jedem ein Begriff. Das Institut hat sich in den ver- gangenen vier Jahren je- doch an etwas Neues ge- wagt – und eine Norm für die Finanzanalyse entwickelt. Der Entwurf für die DIN 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ wurde Anfang Juni veröffentlicht. FONDS professionell stellt die Details des neuen Standards für die deutsche Finanzdienstleistungsbranche vor. Von der DIN-Spec zur Norm Rückblende: Schon 2007 hatte der Finanz- vertrieb Formaxx begonnen, einen strukturier- ten Beratungsprozess für Versicherungen und Anlageprodukte zu entwerfen. Die Intention der Beteiligten, die vom großen Konkurrenten MLP kamen: Sie wollten die Beratung ver- schlanken und in einem gewissen Maße ver- einheitlichen. Diese Idee griff noch vor der Finanzkrise 2008 das Defino Institut für Finanznorm auf und stellte 2012 in Koopera- tion mit Wissenschaftlern und dem DIN-In- stitut die Spezifikation 77222 „Standardisierte Finanzanalyse für den Privathaushalt“ vor – die Vorstufe zu einer echten Norm. 2014 be- antragte die Defino um Ex-MLP-Personalchef Klaus Möller beim DIN die Überführung der Spec 77222 in eine vollwertige Norm. Ein Grund für diesen Schritt: Das Werbepotenzial einer „richtigen“ Norm ist deutlich größer. Denn die Defino verdient ihr Geld mit der Zertifizierung von Software, die noch auf der Spec und bald auf der Norm basiert (siehe FONDS professionell 1/2016, Seite 224). Bei einer Norm gilt die Vorschrift, dass alle Teile einer Branche an einem Tisch sitzen müssen, im konkreten Fall also Versicherer, Banken und Vertriebe, aber auch Verbraucherschützer und Brancheninitiativen. Diese haben gemeinsam die Schritte für eine standardisierte, erste grobe quantitative Ana- lyse der Finanzen eines Haushalts festgelegt. Die Normentwickler sprechen von einer „Basisanalyse“. „Die Anwendung steht für reproduzierbare Ergebnisse, Bedarfsermittlung ohne Produktpräferenzen und neutrale Dar- stellung“, sagt Michael Franke, Vorstand der Charta Börse für Versicherungen, der für den Arbeitskreis Beratungsprozesse im Normen- ausschuss saß. Analyse statt Vertrieb Dieser letzte Punkt ist den Machern der Norm wichtig. Vermittler analysieren natürlich heute schon die Situation ihrer Kunden. Die Mitglieder des Normenauschusses argumen- tieren aber, dass es aus vertrieblichen Gründen keinen einheitlichen Ansatz gebe, sodass Kun- den bei zehn verschiedenen Beratern zehn unterschiedliche Ergebnisse erhalten können. Die Vereinheitlichung soll daher den Verbrau- cherschutz stärken, indem verhindert wird, dass Vertriebsziele die Analyse bestimmen. „Ein Bluttest ergibt auch immer das gleiche Ergebnis – unabhängig vomArzt“, sagt Defi- no-Chef Möller, Initiator und Obmann des Normenausschusses, der die DIN 77230 erar- beitet hat. Hierzu soll auch das DIN-Siegel beitragen, das bei Ver- brauchern hohes Ansehen genießt. Grundwissen zur Norm Um die Grundidee der Norm zu ver- stehen, lohnt es sich, etwas auszuholen und vorab einige Punkte zu klären. So beinhaltet das Regelwerk keine Anleitung für eine qualitative Überprüfung: „In der an- schließenden Beratung muss eine vertiefende Analyse erfolgen, wie die individuelle Situa- tion des Kunden im Detail aussieht – etwa bei den Deckungsumfängen von Versicherungen“, sagt Marco Habschick, Partner der Beratungs- firma Evers & Jung und Mitglied imArbeits- kreis Beratungsprozesse. Die Beratung im Sinne der Suche nach passenden Produkten klammert die Norm aus, da sie auf eine „pro- duktneutrale“ Analyse abzielt. Ferner bezieht sich das Regelwerk auf einen „typisierten Haushalt“, der bis zu zwei „haushaltsverant- wortliche“ Erwachsene und finanziell abhän- gige Kinder umfasst. Der Musterhaushalt ist ein Theoriekonstrukt, mit dessen Hilfe die Inhalte der Finanzanalyse definiert wurden. Dennoch kann jeder Haushalt, auch der eines Singles, damit untersucht werden. Wichtig ist auch, dass die Norm aus einer umfassenden Finanzplanersicht auf den Haus- halt schaut. Es geht also nicht nur um die Absicherung von Risiken, sondern auch um die Bildung von Vermögensverwerten. Daher spricht der Entwurf des Normtextes von Das DIN-Institut legt seine Norm für die Finanzanalyse von Privathaushalten vor. Was das Regelwerk vorsieht, wie Berater damit arbeiten und was Kritiker meinen. Der neue Branchen standard Maß genommen: Das Deutsche Institut für Nor- mung (DIN) aus Berlin, bekannt für technische Standards, hat sich erstmals mit dem Thema der Finanzanalyse beschäftigt. 338 www.fondsprofessionell.de | 3/2018 steuer & recht I din-norm Foto: © blende11.photo | stock.adobe.com, Ulrike Schmidt, Nele Martensen

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