FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

„Finanzthemen“, die Versicherungs- wie In- vestmentlösungen umfassen. Rangfolge der Finanzthemen Entscheidend für das Verständnis der Norm ist, dass sie den Haushalt anhand einer fest- gelegten Rangfolge von 42 Finanzthemen durchleuchtet. Sie sieht einige als sehr wichtig an, andere nicht. Ganz oben auf Platz eins steht der Schutz vor Krankheiten und allge- meinen Haftungsrisiken. Ganz am Ende fin- den sich „weitere individuelle Ziele“. Die Rangfolge der Punkte beruht auf vier Prinzi- pien, deren erstes und wichtigstes ist: „Allge- genwärtige Risiken vor zukünftigen Risiken.“ So ist das Risiko eines Haftungsfalls im Haus- halt vor dem der Altersarmut abzusichern. Die Macher der Norm haben ferner drei Bedarfsstufen definiert, um die Analyse quan- tifizieren zu können: „Finanzieller Mindest- bedarf“, „Erhalt des Lebensstandards“ und „Erhöhung des Lebensstandards“. Die erste Stufe meint eine finanzielle Absicherung des Haushalts oberhalb der staatlichen Grundver- sorgung. „Wir gehen davon aus, dass wir es mit einem mündigen Bürger zu tun haben, der selbst vermeiden möchte, etwa Hartz IV zu erhalten“, sagt Franke. Das Ziel auf Stufe zwei ist die Sicherung des bisherigen Lebens- standards auch im Ruhestand. Die dritte Stufe ist die Kür: Hier kann der Kunde finanzielle Ziele und Wünsche oberhalb der Standard- sicherung äußern. Für die erste und zweite Stufe setzt die Norm quantitative Vorgaben, etwa die Min- destsumme für Altersbezüge, die in der zwei- ten Bedarfsstufe 80 Prozent des Nettoeinkom- mens plus 25 Prozent für Steuern und Sozial- abgaben beträgt. Die Norm nennt diese Vor- gaben, die regelmäßig überprüft werden, Min- destsollwert respektive Sollwert. In der Norm wurden diese beiden Grund- überlegungen – Rangfolge der Finanzthemen und die drei Bedarfsstufen – verwoben: Her- ausgekommen ist eine Tabelle mit insgesamt 42 Finanzthemen, die wiederum auf die drei aufeinander folgenden Bedarfsstufen verteilt sind und denen bestimmte Soll- oder Mindest- sollwerte zugeordnet wurden. Praktische Umsetzung Analysiert ein Berater nach der Norm, nimmt er zunächst alle Haushaltsdaten auf. Dann erstellt er eine „Einnahmen-Ausgaben- Rechnung“ und eine Vermögensbilanz, die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten um- fasst. Daran schließt sich die Abfrage der 42 Themen an. Sind die für den Kunden wichti- gen Punkte erkannt, werden aus vorhandenen Versicherungen und Finanzprodukten die „Ist- Werte“ des Haushalts berechnet und den vom Normenausschuss vorgegebenen Soll-Werten gegenübergestellt. Am Ende erhält der Kunde die Ergebnisse in einer Übersicht. „Der Ver- mittler muss dann in Zusammenarbeit mit dem Kunden entscheiden, wie die Liquidität genau eingesetzt wird und ob der Kunde gewillt ist, möglicherweise bei bestimmten Risikoabsicherungen Abstriche zu machen und etwa das Geld in den Vermögensaufbau zu stecken“, erklärt Möller. Erfahrene Berater dürften sich angesichts der vielen Schritte fragen, wie sie ihren Bera- tungsprozess aufbauen oder ändern sollen, wenn die Norm die qualitative Analyse aus- klammert. Vor allem dürfte ihnen der Zeitauf- wand Kopfschmerzen bereiten, da eine Rund- um-Analyse nach Norm mit anschließender Beratung mehrere Stunden dauern kann – nicht jeder Kunde dürfte da mitmachen. „Die Analyse, eingeschlossen der nachgelagerten Analyse der qualitativen Anforderungen, und die Beratung können durchaus in einem durchgehenden Prozess erfolgen“, beruhigt Möller. „Der Vermittler muss nur ganz deut- lich machen, dass an einem bestimmten Punkt die Analyse nach Norm vorbei ist und die Beratung startet.“ Wichtig sei, dem Kunden vor der Beratung eine Übersicht über seine Finanzen zu geben. Wirklich zeitaufwendig dürfte die Analyse außerdem nur bei wohlhabenden Kunden mit Immobilienbesitz werden, denn ohne Wohn- eigentum entfallen etliche Fragen. Das Glei- che gilt bei Alleinstehenden. „Ferner kann ein Teil der aufgenommenen Daten auch in der qualitativen Analyse verwendet werden. Das verbietet die Norm nicht“, so Möller. Zeit spart auch, dass die Analyse in der Praxis mithilfe einer Software erfolgen wird. „Direkt betroffen ist nur die ganzheitliche Rundum-Betrachtung, die aber erfahrungsge- mäß von Kunden nur selten gewünscht wird. Die anlassbezogene Beratung, etwa für einen Autokauf, ist nicht normiert“, ergänzt Hab- schick. Allerdings könne es passieren, dass eine anlass- oder themenbezogene Beratung, etwa zur Altersvorsorge, eine Analyse nach DIN-Norm nach sich zieht. Das bedeutet Auf- wand, birgt aber auch Potenzial: Jede Versor- gungslücke bietet eine Verkaufschance. Kritik Ein ambitioniertes Projekt wie die erste Norm im Finanzdienstleistungsbereich ruft naturgemäß auch Kritiker auf den Plan. „Die Norm mit Priorisierungsvorgaben, die für eine Finanzanalyse gar nicht notwendig wären, Klaus Möller, Defino: „Ein Bluttest ergibt auch immer das gleiche Ergebnis – unabhängig vom Arzt.“ » Wir gehen davon aus, dass wir es mit einem mündigen Bürger zu tun haben, der selbst vermeiden möchte, etwa Hartz IV zu erhalten. « Michael Franke, Charta Börse für Versicherungen Marco Habschick, Evers & Jung: „Die anlassbezogene Beratung, etwa für einen Autokauf, ist nicht normiert.“ 339 www.fondsprofessionell.de | 3/2018

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