FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018
beeinflusstdieBeratung.SieverlagertBera- tungsgegebenheitenineineAllgemeingültig- keitbeanspruchendePriorisierungs-Norm“,so dasscharfeUrteilvonPeterGrieble,Abtei- lungsleiterVersicherungenbeiderVerbrau- cherzentraleBaden-Württemberg.Ermacht seineKritikanderRangfolgederFinanz-und Versicherungsthemenfest.Dadurchwerde vorgegeben,woraufüberhauptundinsbeson- dereauchinwelcherPrioritätzuachtenist. „DamitwerdenindividuelleBedürfnisseund WünschevonVerbrauchernhintangestellt, obwohldasVersicherungsvertragsgesetzge- naudiesenBedürfnissenundWünschengroße Bedeutungzumisst.“DieterOlejar,Versiche- rungs-undRentenberaterausKirchheimam Neckar,übtgenerellKritikandenVerweisen aufProdukteimEntwurfstext.„JedeNorm hatneutralzusein,auchwenndadurchder Abstraktionsgradsteigt“,betonter. Gegen die „Rosinenpicker“ GrieblesVorwurfnehmendieMacherder Normsogaran:„EsbestehteinÜbergangs- bereichzwischenAnalyseundBeratung,den wirsogenauwiemöglichpackenundabgren- zenwollten“,erklärtHabschick.DerAus- schusshätteessicheinfachmachenundeine ListevonThemenmitSoll-Ist-Wertenfestle- genkönnen,zudeneninbeliebigerReihen- folgeberatenwird.„Allerdingskennenwirja diePraxisimFinanzbereich:Die‚Rosinen- picker‘inderBranchehättendiefürsielukra- tivstenThemenbevorzugt.Demwolltenwir mitderRangfolgevorbeugen,ohnedassdies schonimFeldderindividuellenBeratung spielt.Dieseistundbleibtindividuellzu gestalten–undzuverantworten.“ MitBlickaufdieRangfolgederThemen bemängelnFachleuteetwa,dasseineEigen- kapitalbildungfürdenErwerbvonselbstgenutztemEigentumaufBedarfsstufedrei gesetztwurde,obwohlsolcheImmobilien auchzurLebensstandardsicherungimAlter nachBedarfsstufezweigeeignetseien.Kritik entzündetsichfernerandenFestlegungender SollwerteundandererParameterwieder BerechnungderRentenerwartung.Auchdie Mindestversicherungssummenseienoftzu hochangesetztworden.Hinzukommtnoch eine„technischeKritik“: Expertenmeinen, dieNormseinichtkonformmitderDaten- schutzgrundverordnung(DSGVO).AlsgrößteGefahrsehenKritikerabereine möglicheScheinsicherheit:Zwarbetontder Normenentwurfmehrfach,dassdasRegel- werkdiequalitativeErfassungausklammert. GeradeunerfahreneBeraterkönntensichaber aufdieBasisanalyseverlassen,daihnendas HandwerkszeugfüreinevollständigeAnalyse fehlt.„Leute,passtauf!“,mahntOlejar.„Mit derNormistnichtautomatischalleserledigt.“ JedeNormerhöhedieAnforderungen,die FertigkeitenundFähigkeitendesjenigen,der inderBeraterrollesei.Verbreitung BleibtdieFrage,obsichdieNormdurch- setzenwird.AnfragenvonFONDSprofessio- nellbeiBanken,MaklerpoolsundVertrieben zeigeneinzwiespältigesBild.EinigeGesell- schaften,vorallemdiejenigen,diebereits nachDINSpec77222arbeiten,wollenauch dieNormanwendenoderesihrenangeschlos- senenPartnernempfehlen.Einigewenige MarktteilnehmerkönnenderNormgarnichts abgewinnen.DiedritteundgrößteGruppe, darunterdieSparkassen,begrüßtzwarden AnsatzeinerstrukturiertenAnalyse,möchte voreinerEntscheidungaberabwarten,bisdie endgültigeNormvorliegt.Dasdürftezum JahreswechselderFallsein. DieKostenfürdienötigeSoftwaresollten keinHindernisfürdieVerbreitungsein.Zu- mindestdiejenigen,diesichzuPreisenäußer- ten,wollendieDIN-konformeAnalyseinihre bestehendenIT-Paketeintegrieren.Füreine flächendeckendeVerbreitungsprichtnicht zuletztderguteName.Eine„Finanzanalyse nachDIN“–dasschafftVertrauen. JENS BREDENBALS | FP Rechtliche Aspekte rund um die DIN-Norm 77230 Die Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ wirft bei der Umset- zung eine Reihe juristischer Fragen auf. Die Redaktion beantwortet die wichtigsten. Ist die Norm gesetzlich verpflichtend? Nein. „Die Norm ist kein Gesetz“, stellt Rechtsanwalt Thomas Leithoff von der Ber- liner Kanzlei Johannsen klar. Daher sind für einen Vermittler bei der Beratung und vor allem auch bei der Analyse zu Finanzanla- gen- und Versicherungsprodukten die ge- setzlichen Vorschriften des Versicherungs- vertragsgesetzes (VVG, Paragraf 6 und 61) und des Wertpapierhandelsgesetzes (Paragraf 64) entscheidend. „Grundlegend ist und bleibt das VVG, das vorschreibt, dass der Vermittler nach den individuellen Wünschen und vor allem den Bedürfnissen des Kunden zu fragen hat. Und nicht nur nach den ‚typisierenden‘ Bedürfnissen, wie die Norm es macht“, so Leithoff. Wenn ein Vermittler sich daran nicht halte, dann hafte er in einem Schadensfall. Der Jurist weist ferner darauf hin, dass es vom Gesetz- geber keinerlei Druck gibt, gemäß der Norm zu analysie- ren. Zumal der Bundesgerichtshof 1998 unterstrichen hat, dass DIN-Normen keine Rechtsnormen sind, sondern private technische Regelun- gen mit Empfehlungscharakter. Welche rechtlichen Auswirkungen hat die Anwendung der Norm? Nur eine: Wenn ein Vermittler sich verpflichtet, gemäß der Norm zu analysieren, muss er sich ge- nau an die Vorgaben des Standards halten. Das kann vor Gericht wichtig werden: „Bei einem Schadensersatzprozess wird der An- legeranwalt sicher auszunutzen versuchen, wenn im Rahmen einer Beratung die Ana- lyse nicht nach der Norm erfolgte, auch wenn das gesagt wurde. Sie gibt einem angreifenden Anwalt also die Chance, nach Fehlern des Beraters zu suchen, die zu sei- nen Ungunsten gewertet werden können“, so Leithoff. Hält sich ein Vermittler aber an die Norm, ist er aus dem Schneider. Allerdings natürlich nicht, wenn er in der nach- folgenden Beratung Fehler macht. Benötigt ein Vermittler für die Nutzung der Norm eine Gewerbeerlaubnis? Nein. Norman Wirth von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte erklärt, dass die Norm eine Datenaufnahme mit einem abschließenden standardisier- ten Abgleich beschreibt. Eine solche Bestandsaufnahme stellt keine Beratung dar, für die je nach Gegenstand – Versicherung, Anlageprodukt oder Immobilienkredit – eine Erlaubnis gemäß Paragraf 34d, f, h oder i der Gewerbe- ordnung vorgeschrieben ist. Was kann man gegen schwarze Schafe tun, die unerlaubt mit der DIN-Norm werben? Anwalt Wirth zufolge wird man nicht verhindern können, dass einige Gesellschaften mit der DIN-Norm werben, ohne die Vor- gaben des Regelwerks zu beachten: „Die Werbung mit Gütesiegeln oder wie hier der DIN-Norm, ohne die tat- sächlichen Vorgaben einzuhalten, kann als Wettbewerbs- verstoß geahndet werden“, sagt der Berliner Jurist. Er geht daher davon aus, dass die Vermittler untereinander unter Anwendung des Gesetzes gegen unlauteren Wett- bewerb dafür sorgen werden, dass schwarze Schafe nicht ungestraft mit der vermeintlichen Einhaltung der Normvorgaben werben werden. Diese könne man auch daran erkennen, dass sie mit einer „Vermittlung nach Norm“ oder „Beratung gemäß Norm“ Kunden anlocken. Korrekt heißt es „Analyse nach DIN-Norm“ oder „ana- lysiert nach DIN-Norm“, so Wirth. Thomas Leithoff, Jo- hannsen Rechtsanwälte » Leute, passt auf! Mit der Norm ist nicht automatisch alles erledigt. « Dieter Olejar, Versicherungsberater 340 www.fondsprofessionell.de | 3/2018 steuer & recht I din-norm Foto: © Stephanie Leisten
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