FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018
K ewan K. hat sich nicht aufgegeben. Rund drei Jahre saß er in Untersu- chungshaft, aber seine Rhetorik, seine Körpersprache und sein Händedruck sind im- mer noch die eines erfolgreichen Managers. Er hat sogar ein paar Kilo abgenommen – und ähnelt nun noch mehr dem Mann aus der Kaffeekapsel-Werbung. Kewan K. war der „George Clooney von Infinus“, der Vertriebs- vorstand der wichtigsten Tochtergesellschaft des weitverzweigten Dresdner Finanzkonglo- merats. Heute bezieht er Hartz IV. Zur Erinnerung: Rund 40.000 Anleger hat- ten rund eine Milliarde Euro bei Infinus inves- tiert, vor allem in Orderschuldverschreibungen der Holding Future Business (Fubus). Die Fir- mengruppe versprach, das Geld in Immobi- lien, Edelmetalle und gebrauchte Lebensver- sicherungen zu investieren. Doch tatsächlich wurden die Mittel neuer Anleger zu einem gu- ten Teil dafür verwendet, die Zinsen für die bestehenden Investoren zu bezahlen – land- läufig als Schneeballsystem bezeichnet. So sieht es jedenfalls das Landgericht Dresden, das sechs Angeklagte zu Haftstrafen von bis zu acht Jahren verurteilte (siehe Kasten). Im September 2013 hatte FONDS profes- sionell berichtet, wie die Firmengruppe kon- zerninterne Geschäfte mit Goldsparplänen dazu nutzte, ihren Jahresabschluss aufzupo- lieren (Ausgabe 3/2013, Seite 204). Sechs Wochen später rückte die Staatsanwaltschaft bei Infinus ein. Alle drei Topmanager, mit denen die Redaktion damals ausführlich ge- sprochen hatte, kamen in Untersuchungshaft – auch Kewan K. 238 Zeugen Eigentlich wollte Kewan K. nun, fünf Jahre später, mit FONDS professionell über alles sprechen. Welche großen Pläne die Infinus- Gruppe hatte, bevor die bundesweite Razzia am 5. November 2013 alle Träume zerstörte. Wie es ihm im Gefängnis ergangen ist. Wie er den Strafprozess vor dem Landgericht Dresden erlebt hat, der sich über zwei Jahre und acht Monate hinzog, in dem 238 Zeugen und mehrere Gutachter gehört wurden und der damit zu den größten Wirtschaftsstraf- verfahren der deutschen Geschichte zählt. Und was er von dem Urteil hält, das sechs Jahre Freiheitsstrafe für ihn vorsieht (siehe Kasten). Doch sein Anwalt riet ihm davon ab, sich zu äußern – unter anderem weil die schriftliche Urteilsbegründung noch aussteht. Doch auch ohne ein solches Gespräch ist klar, was die Verurteilten an dem Richter- spruch auszusetzen haben – und warum sie nach dem Urteil umgehend Revision einleg- ten. Zu erkennen war das etwa während des Plädoyers von Ulf Israel und Alexander Hübner, den beiden Pflichtverteidigern des Hauptangeklagten Jörg B. Demnach habe das Unternehmen hart daran gearbeitet, das opera- tive Geschäft wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Beispielsweise sei die Gründung einer Bank und eines Lebensversicherers ge- plant gewesen. Doch die Staatsanwaltschaft habe die Firmengruppe mit ihrer Razzia in die Insolvenz geschickt. Hübner warf Oberstaatsanwalt Arnulf Berner vor, er habe sich von dem Artikel in FONDS professionell treiben lassen, statt in Ruhe nach einer anderen, für die Anleger bes- seren Lösung zu suchen. Die Staatsanwalt- schaft habe den Angeklagten kein einziges Formaldelikt nachweisen können. „Es gab keine schwarzen Kassen, keine Urkunden- fälschung, auch die Bilanzen haben bis dato jeder Überprüfung standgehalten“, so Israel. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plä- doyer vorgetragen, der Konzern habe „bilan- zielle Gestaltungsmöglichkeiten ausgenutzt“. Sechs ehemalige Manager der 2013 kollabierten Infinus-Gruppe sollen wegen „bandenmäßigen Betrugs“ bis zu acht Jahre in Haft. Die Verurteilten wehren sich. Urteil mit Fragezeichen Dieses Foto entstand im September 2013 während eines Recherchegesprächs von FONDS professionell bei Infinus in Dresden. Kurz darauf kamen Rudolf O., Jörg B. und Kewan K. (v. l.) in Untersuchungshaft. Das Urteil Das Landgericht Dresden sprach im Juli 2018 sechs Angeklagte der Infinus-Gruppe des „banden- und ge- werbsmäßigen Betruges in Tateinheit mit Kapitalanlage- betrug“ beziehungsweise der Beihilfe hierzu schuldig. Das – noch nicht rechtskräftige – Urteil im Überblick: • Jörg B., u. a. Geschäftsführer Fubus, Aufsichtsrat „rote Infinus“: 8 Jahre • Rudolf O., u. a. Vorstand „rote Infinus“: 6 Jahre, 10 Monate • Kewan K., u. a. Vorstand „rote Infinus“: 6 Jahre • Siegfried B., Anwalt, Aufsichtsrat der Fubus und mehrerer Infinus-Gesellschaften: 5 Jahre, 10 Monate • Jens P., u. a. Aufsichtsrat Fubus, Vorstand „blaue Infinus“: 5 Jahre, 4 Monate • Andreas K., u. a. Vorstand „rote Infinus“ (Beihilfe): 4 Jahre, 6 Monate Foto: © Robert Michael Photo, Bruno Kübler; Ulf Israel 352 www.fondsprofessionell.de | 3/2018 steuer & recht I infinus
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