FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018
Foto: © tomertu | stock.adobe.com; www.eliashassos.de, Florian Trettenbach | eyecatchme F rank Thelen zählt zu den wenigen Leu- ten aus der Wirtschaft, die wohl den meisten Deutschen ein Begriff sind. Der Geschäftsmann gehört zum Ensemble der Vox-Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“, in der junge Unternehmer versuchen, Geld- geber von ihrer Geschäftsidee zu überzeugen. Der Investor hat sich auch auf eine Beteili- gung im Versicherungsbereich eingelassen: Ottonova. Der Digitalversicherer ging sym- bolträchtig am 21. Juni vergangenen Jahres live – an diesem Tag führte im Jahr 1883 Otto von Bismarck im damaligen Deutschen Reich die Krankenversicherung ein. Der Name des Münchner Start-ups ist eine Verbeugung vor dem Reichskanzler. Neben dem „Krankenversicherer 2.0“ ver- suchen derzeit schon sieben weitere Digital- versicherer ihr Glück in Deutschland; hinzu kommen noch drei Assekuradeure (siehe Ta- belle Seite 226). Die Unternehmen kennzeich- nen drei Merkmale, sagt Robert Rieckhoff, Head of Operations beim New Players Net- work, einer Initiative der Versicherungsforen Leipzig, die den deutschen Insurtechmarkt be- obachtet. „Erstens handelt es sich um Start- ups oder Unternehmen, die auf der ‚grünen Wiese‘ gestartet sind. Zweitens haben sie eine Bafin-Lizenz, so wie die traditionellen Versi- cherer auch. Und drittens streben sie einen sehr hohen Automatisierungsgrad aller Pro- zesse an.“ Begünstigt wurde die Entstehung der neuen Gesellschaften in den vergangenen rund zwei Jahren von der Behäbigkeit, mit der sich die traditionellen Anbieter der Digitalisierung stellen. Zumindest an einem Punkt bleiben die Start-ups der „alten Welt“ aber treu: Viele von ihnen setzen im Vertrieb auch auf klassische Vermittler. IT-Dinosaurier Jeder Digitalversicherer hat seine individu- elle Entstehungsgeschichte. Allen gemeinsam ist aber, dass sie ohne die IT-Probleme der al- ten Versicherungswelt nicht gegründet worden wären. „Die Computersysteme sind zum Teil sehr alt. Einige Versicherer arbeiten mit Rechenkernen, die noch in der schon sehr in die Jahre gekommenen Programmiersprache Cobol geschrieben wurden“, sagt Frank Birzle, Technikchef von Ottonova. „Diese Systeme sind nicht in der Lage, Beziehungen zwischen verschiedenen Datensätzen vernünftig abzu- bilden, was bei der Umsetzung moderner Softwareprojekte eine große Herausforderung darstellt.“ Hinzu kommt, dass die IT vieler Versicherer nicht organisch gewachsen ist, sondern im Zuge von Übernahmen aus unter- schiedlichen Programmen zusammengesetzt wurde. Die Integration der verschiedenen Welten misslang oder blieb aus. Mit solchen Systemen ist es unmöglich, innovative Tarife oder Kombi-Produkte aus verschiedenen Sparten zu entwickeln. Auch der Vertrieb setzt heute eine moderne, leis- tungsfähige IT voraus. De facto kann die As- sekuranz daher die Wünsche von immer mehr Kunden nicht erfüllen. Die junge Zielgruppe möchte eine Police unkompliziert und direkt über ihr Smartphone abschließen können. „Kunden sind bequem, sie wollen vieles von zu Hause aus machen“, berichtet Stefan Knoll, Gründer der Deutschen Familienversi- cherung (DFV). Deshalb ließ er die Compu- tersysteme des 2007 gegründeten Anbieters in den vergangenen Jahren komplett umbauen. „Digitalisierung ist nichts anderes als die IT- Umsetzung des Kundenwunsches nach Be- quemlichkeit. Produkte müssen leicht zu ver- stehen und einfach sowie schnell in ein paar Minuten abzuschließen sein“, fährt der DFV- Chef fort. Für digitale Systeme spricht ein weiterer Punkt: Sie sind deutlich effizienter als große Angestelltenapparate, die vieles hän- disch erledigen – und ermöglichen deshalb günstigere Tarife. Start-ups und Konzerntöchter Unter den Gründern der Digitalversicherer finden sich nicht nur mutige Jungspunde, son- dern auch Vertreter der „alten Welt“. „Auf der einen Seite gibt es die Start-ups mit ihren In- vestoren, auf der anderen Seite die Tochter- gesellschaften etablierter, finanzkräftiger Ver- sicherungskonzerne“, erklärt Marco Gerhardt, Partner der auf die Versicherungswirtschaft spezialisierten Beratungsgesellschaft EY Inno- value. Die erste Gruppe umfasst Neodigital, Element, Coya, One oder auch Ottonova. Zu der zweiten Gruppe zählen Nexible (Ergo), Friday (Basler) oder Adam Riese (W&W): „Die Vorstände der großen Versicherungs- unternehmen wissen, dass sie digitalisieren müssen“, erklärt Stephan Voss, Gründer und Immer mehr neue Versicherer wollen den Markt mit digitalen Prozessen aufrollen. Beim Vertrieb setzen einige der Neulinge aber auf einen bewährten Weg: Makler. Alles digital Alt und neu: Die Schreibmaschine hat ausgedient, die Zukunft gehört dem Smartphone. Langsam erfasst die digitale Revolution auch die Assekuranz. Die Zahl der Versicherer, die voll digitalisiert arbeiten, hält sich aber noch in Grenzen. 224 www.fondsprofessionell.de | 4/2018 fonds & versicherung I digitalversicherer
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