FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018

Vertriebsvorstand von Neodigital. Die Trans- formation eines großen Unternehmens koste aber viel Zeit und Geld. Daher seien die in- ternen Start-ups auf die grüne Wiese gesetzt worden, wo sie unbelastet von den verkruste- ten Strukturen und der alten IT des Mutter- konzerns arbeiten können. „Mit den digitalen Töchtern wollen die Versicherer auch attraktiv für junge Mitarbeiter werden“, ergänzt Unter- nehmensberater Gerhardt. Bei Getsafe ist die Sache anders gelagert: Das Start-up zählt zur Gruppe der Insurtechs, die mit demAngebot eines digitalen Versiche- rungsordners gestartet sind (siehe FONDS professionell 4/2017, Seite 322). Doch dieses Geschäftsmodell ging nicht auf, weil Getsafe auf automatisierte Prozesse setzt, mit denen viele etablierte Anbieter wegen ihrer alten IT nicht zurechtkamen. Also entschloss sich Get- safe, selbst zum Versicherer zu werden. Makler- versus Direktvertrieb Die meisten Digitalversicherer setzen auf den Vertrieb via Internet. „Wir sind überzeugt, dass das Direktmodell unsere Stärke ist“, er- klärt Getsafe-Geschäftsführer Christian Wiens. „Wir sind viel näher an unseren Kunden, die alle einen schnellen, digitalen Service wün- schen, und erhalten zudem direktes Feed- back.“ Dieser Weg ist aber teuer, denn die Kosten für die Kundengewinnung im Internet sind hoch: Wer seine Werbung eingeblendet wissen will, wenn ein Nutzer bei Google nach Stichworten rund um Versicherungen sucht, muss sich auf hohe Rechnungen gefasst ma- chen. Zudem bedeutet bei Weitem nicht jeder bezahlte Klick auch einen neuen Kunden: Die sogenannte Wandlungsrate ist niedrig. Freie Vermittler Daher überlegt Friday, in Zukunft auch auf Vermittler zu setzen – Kooperationen mit dem Onlinemakler Clark und dem Vergleichsportal Verivox existieren bereits. Adam Riese, der digitale Versicherungsarm der Wüstenrot & Württembergischen (W&W), möchte seine Produkte Maklerpools zur Verfügung stellen. Auch Ottonova schließt nicht aus, künftig mit Beratern aus Fleisch und Blut zusammenzu- arbeiten – mit dem Onlinemakler Friendsu- rance kooperiert das Start-up schon. Andere wie One haben von Anfang an auf den statio- nären Vertrieb gesetzt: Der Versicherer gehört zur Wefox-Gruppe, die wie Getsafe mit einem Versicherungsordner gestartet ist, schnell aber dazu überging, Maklern die gesamte techni- sche Backoffice-Abwicklung abzunehmen. Die DFV kooperiert ebenfalls mit Maklern. „Die Vermittler fragen selbst nach unseren Produkten“, berichtet Knoll. Im Moment wür- den aber nur rund 20 Prozent des Absatzes über die freien Vermittler erzielt. Doch das könnte sich ändern. Die DFV beteiligte sich jüngst mit knapp zehn Prozent am Makler- pool BCA. „Ich bin davon überzeugt, dass der Vertriebsweg Makler nicht nur bestehen bleibt, sondern in den nächsten Jahren sogar an Wichtigkeit gewinnen wird“, sagt DFV- Vertriebsvorstand Stephan Schinnenburg. Am konsequentesten auf Makler setzt Neo- digital. Der Anbieter vertreibt seine Policen ausschließlich über freie Vermittler – und un- terstützt sie technologisch. „Makler sind näher am Kunden und haben ein funktionierendes Vertriebsnetz“, betont Voss. „Aber auch sie kämpfen mit der IT der ‚alten Assekuranz‘. Sie können beispielsweise viele Abläufe nicht automatisieren.“ Mittlerweile bestehen Koope- rationen mit großen Pools wie Blau Direkt, Netfonds, Jung DMS & Cie., BCA oder auch Aon. Ähnliches hat Element vor: Das Start- up möchte seine Prozesse ebenfalls als White- Label-Lösung Pools, aber auch anderen Ver- sicherern zur Verfügung stellen. Fokus auf Komposit Die meisten Digitalversicherer beschränken sich im Moment auf Sach- und Unfallpolicen sowie Zahn- oder Krankenzusatzversicherun- gen. „Komposit- oder Zusatzprodukte sind nicht so komplex wie etwa Lebensversiche- rungen und daher weniger problematisch in eine digitale Beratungsstrecke einzubauen“, erläutert Branchenkenner Rieckhoff. Hinzu kommen die Kosten: Die biometri- schen Risiken einer Berufsunfähigkeits- oder Krankenpolice sowie die Langlebigkeit bei einer Rentenversicherung müssen gemäß Solvency II mit viel Kapital unterlegt werden. Das haben die Start-ups nicht. Als Ausnahme darf Ottonova mit seinen Krankenversiche- rungen gelten. „Die Kapitalanforderungen für einen Krankenversicherer sind klar höher als die für einen Sachversicherer“, gibt Birzle zu. „Wir haben von Investoren 40 Millionen Euro an Kapital eingeworben und verfügen damit über eine ausreichende Kapitaldeckung. Zu- dem haben unsere Anleger einen langen Atem und erwarten nicht sofort Rendite.“ Consultant Gerhardt verwundert es nicht, dass die Digitalversicherer in Nischen anfan- Marco Gerhardt, EY Innovalue: „Die Start-ups können ja nicht sofort die ganze Produktpalette anbieten.“ Frank Birzle, Ottonova: „Wir haben von Investoren 40 Millionen Euro an Kapital eingeworben.“ » Makler sind näher am Kunden und haben ein funktionierendes Vertriebsnetz. Aber auch sie kämpfen mit der IT der › alten Assekuranz ‹ . « Stephen Voss, Neodigital Wie Produktanbieter, Maklerpools und Vertriebe die Digitalisierung angehen, erfahren Sie auf dem FONDS professionell KONGRESS in Mannheim! Anmeldung: www.fondsprofessionell.de MANNHEIM, 30. + 31. JAN. 2019 225 www.fondsprofessionell.de | 4/2018

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=